Sucht ist eine Krankheit, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinträchtigen kann. Sie ist geprägt von einem unwiderstehlichen Verlangen nach dem Suchtmittel, Kontrollverlust, der Unfähigkeit, abstinent zu bleiben und der Entwicklung einer Toleranz, die dazu führt, dass immer größere Mengen des Suchtmittels benötigt werden, um den gleichen Effekt zu erzielen. Auch wenn der Weg aus der Sucht heraus steinig ist, ist er nicht unmöglich. Ein wichtiger Schritt zur erfolgreichen Bewältigung der Sucht ist die Erstellung eines Krisenplans. Dieser Plan hilft Betroffenen, in schwierigen Situationen und bei akutem Suchtdruck richtig zu reagieren und so einen Rückfall zu vermeiden. In diesem Blogbeitrag erfährst Du, warum ein Krisenplan so wichtig ist, wie er aufgebaut sein sollte und welche Ressourcen Suchtkranken in Krisenzeiten zur Verfügung stehen.
Warum ist ein Krisenplan wichtig?
Ein Krisenplan ist für Suchtkranke von großer Bedeutung, da er ihnen in Momenten starken Suchtdrucks oder bei Konfrontation mit Auslösern (Triggern) eine klare Handlungsanweisung gibt. Suchtdruck kann jederzeit auftreten, und in solchen Situationen ist es oft schwierig, klar zu denken und rationale Entscheidungen zu treffen. Ein im Vorfeld erstellter Plan hilft dabei, schnell und effektiv zu reagieren und so einen Rückfall zu verhindern. Der Krisenplan dient dazu, sich in eine sichere Umgebung zu bringen, den Suchtdruck durch andere Reize zu überlagern, sich an die Motivation für die Abstinenz zu erinnern und sich wieder zu stabilisieren. Auch wenn ein Rückfall passiert, ist es wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen. Ein Rückfall ist nicht das Ende der Welt, sondern kann als Chance gesehen werden, aus den Fehlern zu lernen und die Abstinenzstrategie zu verbessern.
Arten von Sucht
Sucht ist ein vielschichtiges Problem und kann in verschiedenen Formen auftreten. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Süchten. Der Begriff „Abhängigkeit“ wird häufig als neutralere Bezeichnung für „Sucht“ verwendet und von Wissenschaftlern und Ärzten bevorzugt. Nicht jeder, der Suchtmittel konsumiert, ist abhängig. Dennoch besteht für einige Menschen die Gefahr, die Kontrolle über den Konsum zu verlieren.
Stoffgebundene Süchte
Stoffgebundene Süchte entstehen durch den Konsum von Substanzen wie Alkohol, Nikotin, Cannabis, Kokain, Schmerz- oder Schlafmitteln. Diese Substanzen wirken auf das Belohnungssystem im Gehirn und führen zu einem starken Verlangen nach erneutem Konsum. Zu den häufigsten stoffgebundenen Süchten gehören:
- Alkoholsucht
- Nikotinsucht
- Drogensucht (Kokain, Ecstasy, Cannabis und Co.) 6
- Tablettensucht
Stoffungebundene Süchte (Verhaltenssüchte)
Stoffungebundene Süchte, auch Verhaltenssüchte genannt, entstehen durch exzessives Ausführen bestimmter Tätigkeiten. Auch hier werden im Gehirn rausch-ähnliche Zustände ausgelöst, die zu Kontrollverlust und Abhängigkeit führen können. Zu den häufigsten Verhaltenssüchten gehören:
- Spielsucht (Glücksspiel, Sportwetten)
- Internetsucht (Computerspiele und andere Medien)
- Essstörungen (Magersucht, Bulimie, Binge-Eating)
- Kaufsucht
- Sexsucht
- Handysucht
Phasen der Sucht
Die Entwicklung einer Sucht ist ein schleichender Prozess, der sich in verschiedenen Phasen vollzieht. Jede Phase ist durch unterschiedliche Verhaltensweisen und Konsummuster gekennzeichnet. Es ist wichtig zu beachten, dass die Übergänge zwischen den Phasen fließend sind und nicht jeder Betroffene alle Phasen in derselben Reihenfolge durchläuft.
- Kennenlernen: In dieser Phase wird die Substanz oder das Verhalten zum ersten Mal ausprobiert.
- Experimentieren: Es wird häufiger konsumiert, die eigenen Grenzen werden ausgetestet.
- Sozialer Konsum: Der Konsum findet in Gesellschaft statt und ist in soziale Rituale eingebunden.
- Problematischer Konsum: Der Konsum wird häufiger und findet zu früheren Tageszeiten statt, die Kontrolle schwindet.
- Süchtiger Konsum: Der Konsum wird zum zentralen Lebensinhalt, es kommt zu Entzugserscheinungen und Kontrollverlust.
Für die meisten Betroffenen ist die absolute Enthaltsamkeit (Abstinenz) das Therapieziel.
Arten von Krisen bei Suchtkranken
Suchtkranke können mit verschiedenen Arten von Krisen konfrontiert werden. Dazu gehören:
- Suchtdruck: Das starke, oft plötzliche Verlangen nach dem Suchtmittel kann zu einer Krise führen, wenn es nicht kontrolliert werden kann.
- Trigger: Bestimmte Orte, Situationen oder Personen können Erinnerungen an den Konsum wecken und Suchtdruck auslösen. Zum Beispiel kann der Besuch in der Stammkneipe oder der Kontakt mit alten Bekannten, mit denen man früher zusammen konsumiert hat, einen Rückfall auslösen.
- Stress: Stress ist ein häufiger Auslöser für Rückfälle, da viele Betroffene in stressigen Situationen zum Suchtmittel greifen, um ihre Probleme zu verdrängen oder sich zu entspannen.
- Emotionale Krisen: Negative Gefühle wie Angst, Wut, Traurigkeit oder Einsamkeit können das Rückfallrisiko erhöhen. Aber auch positive Gefühle können ein Risiko sein, weil man sich unter Umständen unverwundbar fühlt und glaubt, einen erneuten Konsum kontrollieren zu können.
- Soziale Krisen: Konflikte mit Angehörigen, Freunden oder am Arbeitsplatz können zu einer Krise führen.
Bewältigungsstrategien für Suchtkranke
Um Krisen erfolgreich zu bewältigen, ist es wichtig, verschiedene Bewältigungsstrategien zu entwickeln und anzuwenden. Dazu gehören:
- Ablenkung: Die Aufmerksamkeit bewusst auf andere Dinge lenken, z.B. durch Sporttreiben, Hobbys wie Malerei oder Musik spielen. So kann man sicherstellen, dass die Gedanken nicht ständig um das Suchtmittel kreisen.
- Unterstützung suchen: Mit Menschen des Vertrauens über die innersten Ängste und Sorgen bezüglich der Abhängigkeitssituation sprechen. Das können Angehörige, Freunde oder auch professionelle Helfer sein.
- Entspannungsmethoden: Verschiedene Techniken ausprobieren, wie beispielsweise Meditation oder Atemübungen. Diese können helfen, das Verlangen zu kontrollieren und wieder zur Ruhe zu finden.
- Realistische Ziele setzen: Sich kleine, erreichbare Ziele setzen, um die Motivation zu erhalten. Statt sich direkt vorzunehmen, nie wieder zu konsumieren, kann man sich beispielsweise das Ziel setzen, einen Tag oder eine Woche abstinent zu bleiben.
- Stressbewältigung: Techniken zur Stressbewältigung erlernen, um besser mit belastenden Situationen umgehen zu können. Dazu gehören beispielsweise Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung oder autogenes Training, aber auch das Erlernen von Problemlösestrategien.
- Trigger meiden: Situationen, Orte oder Personen, die Suchtdruck auslösen, vermeiden. Wenn man weiß, dass der Besuch in der Stammkneipe einen Rückfall auslösen kann, sollte man diese Orte meiden.
- Achtsamkeit: Sich selbst und die eigenen Gefühle besser wahrnehmen. Achtsamkeit kann dabei helfen, frühzeitig Warnsignale zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern.
- Selbstfürsorge: Auf ausreichend Schlaf, eine gesunde und ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung achten. Wer mit sich selbst zufrieden ist und das Gefühl hat, wertvoll zu sein, ist weniger gefährdet, Suchtmittel zu nehmen.
- Coping-Strategien: Probleme nicht aus dem Weg gehen, sondern sich ihnen aktiv stellen und nach Lösungen suchen. Man unterscheidet zwischen problemorientiertem Coping, bei dem aktiv versucht wird, ein Problem zu lösen, und emotionsorientiertem Coping, bei dem das Ziel ist, das Problem und das eigene Befinden zu akzeptieren und negative Gefühle zu bewältigen.
Ressourcen für Suchtkranke in Krisenzeiten
Suchtkranken stehen verschiedene Ressourcen zur Verfügung, die sie in Krisenzeiten unterstützen können. Dazu gehören:
- Suchtberatungsstellen: Professionelle Hilfe und Beratung bei Suchtproblemen. Suchtberatungsstellen bieten Einzel- und Gruppengespräche, Informationen über Sucht und Behandlungsmöglichkeiten sowie Unterstützung bei der Suche nach einem Therapieplatz an.
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und gegenseitige Unterstützung. In Selbsthilfegruppen können Suchtkranke von den Erfahrungen anderer lernen, sich gegenseitig motivieren und in Krisenzeiten Halt finden.
- Therapie: Psychotherapie kann helfen, die Ursachen der Sucht aufzuarbeiten und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Es gibt verschiedene Therapieformen, die bei Sucht eingesetzt werden können, z.B. kognitive Verhaltenstherapie oder tiefen-psychologisch fundierte Psychotherapie.
- Notfallrufnummern: Telefonische Hilfe bei akutem Suchtdruck. Beispiele für Notfallrufnummern sind die Telefonseelsorge (0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222) oder das Nottelefon Sucht (01805/31 30 31).
- Angehörige und Freunde: Unterstützung durch nahe stehende Personen. Angehörige und Freunde können Suchtkranken in Krisenzeiten Halt geben, sie motivieren und ihnen helfen, wieder auf die Beine zu kommen.
- Online-Ressourcen: Informationen und Hilfe im Internet. Es gibt zahlreiche Websites und Online-Foren, die Informationen über Sucht, Behandlungsmöglichkeiten und Selbsthilfe anbieten.
- Kommunale Netzwerke für Suchtprävention und Suchthilfe: Diese Netzwerke bieten eine Anlaufstelle für Suchtkranke und deren Angehörige und koordinieren die verschiedenen Hilfsangebote vor Ort.
- Ambulante Suchtkrankenhilfe: Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstellen bieten Beratung, Betreuung und ambulante Behandlung für Suchtkranke an.
- Kontaktläden: Niedrigschwellige Angebote, die insbesondere von illegalen Drogen Abhängigen Überlebenshilfen anbieten und die mit dem Drogenmissbrauch verbundenen Risiken mindern.
- Drogenkonsumräume: In Drogenkonsumräumen können Abhängige Drogen unter hygienischen Bedingungen konsumieren und erhalten medizinische und soziale Betreuung.
Leitfaden zur Erstellung eines Krisenplans
Ein Krisenplan sollte individuell auf die Bedürfnisse des Betroffenen zugeschnitten sein. Folgende Schritte können bei der Erstellung helfen:
Schritt | Beschreibung |
---|---|
1. Frühwarnzeichen erkennen | Welche Anzeichen deuten darauf hin, dass eine Krise bevorsteht? (z.B. Schlafstörungen, vermehrter Stress, negative Gedanken, sozialer Rückzug) |
2. Triggersituationen identifizieren | Welche Situationen, Orte oder Personen lösen Suchtdruck aus? |
3. Bewältigungsstrategien festlegen | Welche Strategien helfen in Krisensituationen? (z.B. Entspannungsübungen, Ablenkung, soziale Kontakte) |
4. Notfallkontakte notieren | Wen kann man im Notfall kontaktieren? (z.B. Therapeut, Arzt, Suchtberatungsstelle, Angehörige, Notfallrufnummern) |
5. Positives Umfeld schaffen | Sich mit Menschen umgeben, die die Abstinenz unterstützen. |
6. Krisenplan schriftlich festhalten | Den Plan an einem Ort aufbewahren, an dem man ihn im Notfall schnell findet. |
7. Krisenplan regelmäßig überprüfen und aktualisieren | Den Plan an veränderte Bedürfnisse und Lebensumstände anpassen. |
Beispiele für Krisenpläne
Situation | Gedanken | Gefühle | Verhalten | Soziale Unterstützung |
---|---|---|---|---|
Starker Suchtdruck nach einem stressigen Arbeitstag | „Ich brauche jetzt unbedingt einen Drink, um mich zu entspannen.“ | Angespannt, gestresst, unruhig | Die Bar besuchen wollen | Partner anrufen, mit einem Freund spazieren gehen, Entspannungsübung machen |
Streit mit dem Partner | „Ich bin so wütend, ich halte das nicht aus.“ | Wut, Enttäuschung, Traurigkeit | Alkohol trinken wollen | Eine Freundin anrufen, ein entspannendes Bad nehmen, ein Buch lesen |
Besuch in der Stammkneipe | „Ein Bier wird schon nicht schaden.“ | Unsicherheit, Angst vor Rückfall | Alkohol bestellen wollen | Die Kneipe verlassen, einen Freund anrufen, ein alkoholfreies Getränk bestellen |
Schlussfolgerung
Ein Krisenplan ist ein wichtiges Instrument für Suchtkranke, um Krisen zu bewältigen und Rückfälle zu vermeiden. Er sollte individuell auf die Bedürfnisse des Betroffenen zugeschnitten sein und regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. In Kombination mit professioneller Hilfe, Selbsthilfegruppen und der Unterstützung durch Angehörige kann ein Krisenplan den Weg in ein suchtfreies Leben ebnen.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Sucht eine Krankheit ist und dass Betroffene Hilfe benötigen. Wenn Du selbst mit Suchtproblemen kämpfst oder jemanden kennst, der Hilfe braucht, zögere nicht, sich an eine Suchtberatungsstelle oder eine Selbsthilfegruppe zu wenden. Es gibt Hilfe, und der Weg aus der Sucht ist möglich!
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