Essstörungen sind ernste psychische Erkrankungen, die weit über das Thema Essen, Gewicht und Aussehen hinausgehen. Sie greifen tief in das Leben der Betroffenen ein und können schwerwiegende Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit haben. Oftmals werden Essstörungen mit Sucht verglichen, da sie ähnliche Muster aufweisen wie beispielsweise eine Drogen- oder Alkoholsucht. In diesem Blogartikel möchten wir uns genauer mit dem Thema „Essstörungen Sucht“ auseinandersetzen und die verschiedenen Aspekte dieser Erkrankung beleuchten.
Formen von Essstörungen
Essstörungen treten in verschiedenen Formen auf, die sich in ihren Symptomen und ihrem Verlauf unterscheiden. Die drei häufigsten Formen sind:
- Magersucht (Anorexia nervosa): Menschen mit Magersucht schränken ihre Nahrungsaufnahme extrem ein, haben panische Angst vor einer Gewichtszunahme und leiden unter einer verzerrten Körperwahrnehmung. Selbst bei starkem Untergewicht fühlen sie sich noch zu dick. Neben der restriktiven Form, bei der der Gewichtsverlust primär durch Hungern und übermäßige Bewegung erreicht wird, gibt es auch die Binge-Eating/Purging-Form, bei der es zu Essanfällen mit anschließendem Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln kommt. Magersucht kann in jedem Alter auftreten, auch im mittleren und hohen Alter über 60 Jahren (Spätanorexie).
- Bulimie (Bulimia nervosa): Menschen mit Bulimie leiden unter wiederkehrenden Essanfällen, bei denen sie in kurzer Zeit große Mengen an Nahrung zu sich nehmen. Um eine Gewichtszunahme zu verhindern, ergreifen sie anschließend Gegenmaßnahmen wie selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln oder exzessiven Sport.
- Binge-Eating-Störung: Kennzeichnend für diese Essstörung sind regelmäßige Essanfälle, bei denen die Betroffenen die Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren. Sie essen große Mengen an Nahrung, oft auch dann, wenn sie keinen Hunger verspüren. Im Gegensatz zur Bulimie werden in der Regel keine Maßnahmen ergriffen, um die aufgenommenen Kalorien wieder loszuwerden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass auch bei der Binge-Eating-Störung kompensatorisches Verhalten wie übermäßige Bewegung oder Fasten vorkommen kann.
Neben diesen drei Hauptformen gibt es auch Mischformen, bei denen sich Symptome verschiedener Essstörungen überschneiden, sowie weitere Essstörungen, wie beispielsweise die Orthorexia nervosa (zwanghafte Fixierung auf gesunde Ernährung) oder das Night-Eating-Syndrom (nächtliche Essanfälle).
Ursachen von Essstörungen
Die Entstehung von Essstörungen ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Es gibt nicht die eine Ursache, sondern verschiedene Einflüsse, die sich gegenseitig verstärken können. Zu den wichtigsten Faktoren gehören:
- Biologische Faktoren: Eine genetische Veranlagung, Stoffwechselbesonderheiten und hormonelle Einflüsse können die Entstehung einer Essstörung begünstigen. Auch Lebensmittelunverträglichkeiten, wie beispielsweise eine Fruktoseintoleranz, können als körperliche Ursache in Betracht gezogen werden.
- Psychische Faktoren: Geringes Selbstwertgefühl, Perfektionismus, Angststörungen, Depressionen und traumatische Erlebnisse können das Risiko für eine Essstörung erhöhen. Für manche Menschen kann die Kontrolle über die Nahrungsaufnahme ein Weg sein, um in anderen Lebensbereichen, in denen sie sich machtlos fühlen, ein Gefühl der Kontrolle zu erlangen.
- Familiäre Faktoren: Essstörungen oder andere psychische Erkrankungen in der Familie, problematische Familienstrukturen, Überbehütung oder ein hoher Leistungsanspruch können die Entwicklung einer Essstörung begünstigen.
- Soziokulturelle Faktoren: Das in den Medien propagierte Schlankheitsideal, die allgegenwärtige Diätkultur, Leistungsdruck und Mobbing können dazu beitragen, dass sich ein gestörtes Essverhalten entwickelt. Kalorienreduzierte Diäten können den Einstieg in die Erkrankung begünstigen.
- Weitere Faktoren: Auch die COVID-19-Pandemie kann sich negativ auf das Essverhalten auswirken. Durch den vermehrten Familienkontakt, soziale Isolation und die Störung von Routinen können Risikofaktoren für Essstörungen verstärkt werden.
Symptome von Essstörungen
Die Symptome von Essstörungen sind vielfältig und können sich sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene zeigen.
Psychische Symptome
- Ständige Beschäftigung mit Essen, Gewicht und Figur
- Verzerrte Körperwahrnehmung
- Angst vor Gewichtszunahme
- Geringes Selbstwertgefühl
- Stimmungsschwankungen
- Sozialer Rückzug
Körperliche Symptome
- Starker Gewichtsverlust oder -zunahme
- Ausbleiben der Menstruation
- Verdauungsprobleme
- Zahnprobleme (bei Bulimie)
- Herz-Kreislauf-Probleme
- Stoffwechselstörungen
Behandlung von Essstörungen
Essstörungen sind heilbar, aber die Therapie ist oft langwierig und erfordert viel Geduld und Ausdauer. Je früher eine Essstörung erkannt und behandelt wird, desto größer sind die Chancen auf eine vollständige Genesung und desto geringer ist das Risiko für langfristige gesundheitliche Folgen. Die Behandlung sollte individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt sein und in der Regel verschiedene Bausteine umfassen:
- Psychotherapie: z.B. Kognitive Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Familientherapie
- Medizinische Betreuung: z.B. Überwachung des körperlichen Zustands, Behandlung von Begleiterkrankungen
- Ernährungsberatung: z.B. Entwicklung eines gesunden Essverhaltens, Normalisierung des Gewichts
- Sozialpädagogische Begleitung: z.B. Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags, (Re-)Integration in Schule oder Beruf
Je nach Schweregrad der Essstörung kann die Behandlung ambulant, teil-stationär oder stationär erfolgen.
Auswirkungen von Essstörungen auf die Gesundheit
Essstörungen können schwerwiegende Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit haben. Durch die Mangelernährung oder das gestörte Essverhalten kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen, wie z.B.:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Nierenprobleme
- Osteoporose
- Hormonstörungen
- Unfruchtbarkeit
- Depressionen
- Angststörungen
- Suizidalität
Oft treten Essstörungen auch in Kombination mit anderen psychischen Erkrankungen auf, wie beispielsweise Zwangsstörungen, Angststörungen und Depressionen. Dies kann die Behandlung und Genesung zusätzlich erschweren.
Im schlimmsten Fall kann eine Essstörung sogar zum Tod führen. Magersucht gilt als die psychische Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeitsrate.
Prävention von Essstörungen
Prävention von Essstörungen ist wichtig, um die Entstehung dieser Erkrankungen zu verhindern. Dabei sollten verschiedene Ebenen berücksichtigt werden:
- Individuelle Ebene: Stärkung des Selbstwertgefühls, Förderung eines positiven Körperbildes, gesunde Ernährung, Bewegung
- Familiäre Ebene: Gesunde Essgewohnheiten in der Familie, offene Kommunikation, Unterstützung bei Problemen
- Gesellschaftliche Ebene: Hinterfragen von Schlankheitsidealen, Förderung von Medienkompetenz, Präventionsprogramme in Schulen
Persönliche Geschichten
Viele Menschen, die an Essstörungen leiden, berichten von ähnlichen Erfahrungen und Herausforderungen. Sie erzählen von der ständigen Beschäftigung mit Essen und Gewicht, von der Angst vor dem Zunehmen, von dem Gefühl der Kontrolle und dem Kampf gegen den eigenen Körper. Oftmals berichten sie auch von Scham- und Schuldgefühlen, sozialem Rückzug und dem Verlust von Lebensfreude. Persönliche Geschichten können anderen Betroffenen Mut machen und zeigen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind.
Tamara, eine 36-jährige Frau, litt 20 Jahre lang an Essstörungen. Auslöser war ein Campingausflug mit Freundinnen, bei dem sie aufgrund ihrer mitgebrachten Kekse mit dem Thema Gewicht konfrontiert wurde. Sie begann, ihre Nahrungsaufnahme zu kontrollieren und magerte innerhalb weniger Monate auf 33 Kilogramm ab. Erst als sie körperlich und emotional am Ende war, suchte sie Hilfe und begann einen langen Weg der Heilung.
Auch Hanna Brotherus erzählt in ihrem Roman „Mein einziges Zuhause“ von ihren Erfahrungen mit Essstörungen. Sie beschreibt, wie sich die Magersucht ihrer Schwester auf ihr eigenes Essverhalten auswirkte und wie sie selbst später als professionelle Tänzerin mit dem Druck, dünn zu sein, kämpfte.
Diese persönlichen Geschichten zeigen, wie unterschiedlich die Wege in eine Essstörung sein können und wie wichtig es ist, Hilfe zu suchen und anzunehmen.
Selbsthilfegruppen und Online-Foren
Selbsthilfegruppen und Online-Foren bieten Menschen mit Essstörungen die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann helfen, sich weniger allein zu fühlen, neue Perspektiven zu gewinnen und die Motivation für eine Therapie zu stärken. Es gibt sowohl Selbsthilfegruppen, die sich regelmäßig treffen, als auch Online-Foren, in denen sich Betroffene anonym austauschen können.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet beispielsweise eine Online-Beratung zu Essstörungen an, die verschiedene Formen des digitalen Austauschs ermöglicht, wie z.B. E-Mail-Beratung, Chat, Foren und Videokonferenzen. Auch die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) bietet Informationen und Unterstützung für Menschen mit Essstörungen und deren Angehörige.
Essstörungen und soziale Medien
Soziale Medien spielen eine immer größere Rolle im Leben von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die ständige Konfrontation mit vermeintlich perfekten Körpern und Lebensstilen kann den Druck erhöhen, schlank und attraktiv zu sein, und somit das Risiko für Essstörungen verstärken. Es ist wichtig, sich der Gefahren von sozialen Medien bewusst zu sein und einen kritischen Umgang mit den dort präsentierten Inhalten zu entwickeln.
Essstörungen und Sucht – Parallelen und Unterschiede
Essstörungen weisen einige Parallelen zu Suchterkrankungen auf:
- Kontrollverlust: Betroffene haben das Gefühl, ihr Essverhalten nicht kontrollieren zu können.
- Entzugserscheinungen: Bei Verzicht auf das Suchtverhalten (z.B. Hungern, Erbrechen) können körperliche und psychische Entzugserscheinungen auftreten.
- Toleranzentwicklung: Die „Dosis“ des Suchtverhaltens muss immer weiter erhöht werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen (z.B. immer weniger essen, immer häufiger erbrechen).
- Verleugnung: Betroffene verharmlosen oder leugnen ihr Problem.
- Rückfallgefahr: Auch nach einer erfolgreichen Therapie besteht die Gefahr eines Rückfalls.
Es gibt aber auch Unterschiede zwischen Essstörungen und Suchterkrankungen:
- Essen ist lebensnotwendig: Im Gegensatz zu Drogen oder Alkohol kann man auf Essen nicht verzichten.
- Körperliche Folgen: Essstörungen haben oft schwerwiegende körperliche Folgen, die bei Suchterkrankungen nicht in diesem Ausmaß auftreten.
- Gesellschaftliche Akzeptanz: Während Suchterkrankungen gesellschaftlich eher tabuisiert sind, werden Essstörungen oft verharmlost oder sogar romantisiert.
Schlussfolgerung
Essstörungen sind komplexe psychische Erkrankungen mit suchtähnlichen Mustern. Sie entstehen durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren und können schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um die Krankheit zu überwinden und ein gesundes Leben zu führen. Selbsthilfegruppen, Online-Foren und professionelle Hilfe bieten Unterstützung auf dem Weg der Genesung.
Site | Beschreibung |
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Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) | Bietet Informationen, Beratung und Unterstützung zu Essstörungen. |
Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) | Vermittelt Adressen von Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. |
Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen AES | Bietet Informationen und Unterstützung für Menschen mit Essstörungen und deren Angehörige. |
Schweizerische Gesellschaft für Essstörungen (SGES) | Vermittelt Adressen von Kliniken, Tageskliniken und Therapeuten mit Expertise im Bereich Essstörungen. |
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