Liebe und Sucht: Wenn Borderline und Abhängigkeit aufeinander treffen

Stell Dir eine Beziehung vor, in der die Emotionen Achterbahn fahren, die Angst vor dem Verlassenwerden allgegenwärtig ist und der Partner im Strudel der Sucht gefangen scheint. Eine Beziehung zwischen einem Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und einem suchtkranken Menschen ist eine komplexe und herausfordernde Verbindung, die beide Partner an ihre Grenzen bringt. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die besonderen Dynamiken und Schwierigkeiten, die in solchen Beziehungen auftreten, und zeigt Wege auf, wie Paare diese Herausforderungen meistern können.

Was ist Borderline-Persönlichkeitsstörung?

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine psychische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen maßgeblich beeinflusst. Kennzeichnend für BPS sind Instabilität in Beziehungen, im Selbstbild und in den Emotionen .  

Emotionale Achterbahn

Menschen mit BPS erleben intensive Emotionen, die oft unvermittelt auftreten und schnell wechseln können . Wut, Angst, Scham, tiefe Traurigkeit und ein Gefühl innerer Leere wechseln sich ab und erzeugen ein inneres Chaos, das schwer zu kontrollieren ist.  

Die Angst vor dem Verlassenwerden

Die Angst, verlassen zu werden, ist eines der zentralen Symptome der BPS . Diese Angst kann so stark sein, dass sie zu verzweifelten Bemühungen führt, den Partner an sich zu binden, selbst wenn dies ungesunde Muster in der Beziehung verstärkt.  

Impulsives Verhalten

Impulsives Verhalten zeigt sich bei Menschen mit BPS in verschiedenen Lebensbereichen . Sie neigen dazu, unüberlegt zu handeln, sei es beim Geld ausgeben, im Sexualleben, beim Konsum von Substanzen oder im Essverhalten. Dieses impulsive Verhalten kann zu Konflikten führen und die Beziehung zusätzlich belasten.  

Identitätsstörung und Selbstverletzung

Menschen mit BPS haben oft Schwierigkeiten, ein stabiles Selbstbild zu entwickeln. Sie sind unsicher über ihre Identität, ihre Werte und ihre Ziele im Leben. Nicht selten gehen diese inneren Konflikte mit selbst-verletzendem Verhalten einher. Ritzen, Verbrennen oder andere Formen der Selbstverletzung dienen als Ventil für die aufgestauten Emotionen und den inneren Schmerz.  

Ursachen und Begleiterkrankungen

Die Ursachen für BPS sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Traumatische Erlebnisse in der Kindheit, wie Missbrauch oder Vernachlässigung, spielen eine Rolle. Auch genetische Faktoren und Veränderungen im Gehirn werden als mögliche Ursachen diskutiert.  

BPS tritt häufig in Kombination mit anderen psychischen Erkrankungen auf, wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen und Suchterkrankungen. Diese Begleiterkrankungen können die Symptome der BPS verstärken und die Beziehung zusätzlich belasten.  

Was sind Suchterkrankungen?

Suchterkrankungen sind komplexe Erkrankungen, die durch den Verlust der Kontrolle über den Konsum einer Substanz oder eine bestimmte Verhaltensweise gekennzeichnet sind. Alkohol, Drogen, Medikamente, Glücksspiel oder exzessive Internetnutzung können zum Gegenstand der Sucht werden.  

Genetische Veranlagung

Neben psychosozialen Faktoren spielt auch die genetische Veranlagung eine Rolle bei der Entstehung von Suchterkrankungen . Menschen, deren Eltern oder Verwandte suchtkrank sind, haben ein erhöhtes Risiko, selbst eine Sucht zu entwickeln.  

Auswirkungen auf Beziehungen

Suchterkrankungen haben verheerende Auswirkungen auf Beziehungen.

  • Vertrauensverlust: Lügen, gebrochene Versprechen und unzuverlässiges Verhalten des Suchtkranken zerstören das Vertrauen in der Beziehung .  
  • Konflikte: Der Substanzkonsum führt zu ständigen Konflikten, die die Beziehung belasten. Streit über die Sucht, finanzielle Probleme und die Folgen des Suchtmittelkonsums bestimmen den Alltag .  
  • Emotionale Belastung: Angehörige von Suchtkranken leiden oft genauso stark wie die Betroffenen selbst. Sie erleben ein Wechselbad der Gefühle, wie Angst, Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit und Schuldgefühle .  
  • Co-Abhängigkeit: Partner von Suchtkranken übernehmen oft übermäßig Verantwortung für den Betroffenen und vernachlässigen dabei ihre eigenen Bedürfnisse. Sie versuchen, die Probleme des Suchtkranken zu lösen, und geraten so in einen Teufelskreis der Co-Abhängigkeit.  
  • Gewalt: Suchtmittelkonsum kann die Hemmschwelle für aggressives Verhalten senken und das Risiko für Gewalt in der Beziehung erhöhen.  
  • Familiäre Belastung: Sucht wirkt sich nicht nur auf die Paarbeziehung aus, sondern belastet auch die gesamte Familie, insbesondere Kinder. Kinder aus Suchtfamilien tragen oft ein erhöhtes Risiko, selbst psychische Probleme oder Suchterkrankungen zu entwickeln.  

Die Dynamik von BPS und Sucht in Beziehungen

Wenn BPS und Sucht in einer Beziehung aufeinander treffen, entsteht eine besonders schwierige Dynamik. Die emotionale Instabilität der BPS kann durch die Sucht weiter verstärkt werden, was zu extremeren Stimmungsschwankungen, erhöhter Impulsivität und einem gesteigerten Risiko für Selbstverletzung führt. Gleichzeitig kann die Sucht die ohnehin instabilen Beziehungen von Menschen mit BPS weiter destabilisieren und die Angst vor dem Verlassenwerden verstärken.  

Emotionale Herausforderungen

  • Verstärkte Symptome: Substanzen wie Alkohol können die Emotionen von Menschen mit BPS intensivieren und die Impulskontrolle zusätzlich schwächen. Dies führt zu einem Teufelskreis, in dem die Sucht die BPS-Symptome verstärkt und umgekehrt.  
  • Schwarz-Weiß-Denken: Menschen mit BPS neigen zu einer extremen Form des Denkens, bei der sie Personen und Situationen entweder als „gut“ oder „schlecht“ einordnen. Dieses Schwarz-Weiß-Denken kann die Beziehung stark belasten, da der Partner schnell idealisiert und dann wieder abgewertet wird.  

Verhaltensbezogene Herausforderungen

  • Kommunikationsprobleme: Suchtmittel beeinträchtigen die Kommunikation und das gegenseitige Verständnis in der Beziehung. Es wird schwieriger, Konflikte konstruktiv zu lösen und die Bedürfnisse des Partners zu erkennen.  
  • Eskalation von Konflikten: Die Kombination von BPS und Sucht erhöht das Risiko für Konflikte und aggressive Auseinandersetzungen Die Impulsivität der BPS und die Enthemmung durch die Suchtmittel können zu unkontrollierten Wutausbrüchen und Gewalt führen.  

Beziehungsprobleme

  • Vernachlässigung: Der Suchtkranke konzentriert sich auf den Substanzkonsum und vernachlässigt den Partner mit BPS und dessen Bedürfnisse. Die Beziehung rückt in den Hintergrund, und die emotionale Verbundenheit leidet.  
  • Co-Abhängigkeit: Der Partner mit BPS kann in die Rolle des Helfers rutschen und die Sucht des anderen ermöglichen. Er übernimmt die Verantwortung für den Suchtkranken, deckt ihn und versucht, die Probleme zu lösen. Dadurch verstärkt er jedoch die Sucht und vernachlässigt seine eigenen Bedürfnisse.  

Bewältigungsstrategien und Unterstützung

Beziehungen zwischen Menschen mit BPS und Suchtkranken stehen vor großen Herausforderungen, doch sie sind nicht zum Scheitern verurteilt. Mit professioneller Hilfe, gegenseitigem Verständnis und der Bereitschaft beider Partner, an sich zu arbeiten, können Paare lernen, die Schwierigkeiten zu bewältigen und eine erfüllende Beziehung zu führen.

Therapie

  • Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT): Die DBT ist eine speziell für die Behandlung von BPS entwickelte Therapieform. Sie hilft Menschen mit BPS, ihre Emotionen zu regulieren, impulsive Verhaltensweisen zu kontrollieren und Achtsamkeit zu entwickeln. Zu den in der DBT erlernten Skills gehören:
    • Achtsamkeit: Die Fähigkeit, im gegenwärtigen Moment zu sein und die eigenen Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten.
    • Emotionsregulation: Methoden, um intensive Emotionen zu erkennen, zu verstehen und zu beeinflussen.
    • Zwischenmenschliche Fertigkeiten: Kommunikationsstrategien, um Beziehungen aufzubauen und Konflikte konstruktiv zu lösen.
    • Stresstoleranz: Techniken, um mit Stresssituationen umzugehen und Krisen zu bewältigen.
  • DBT-S: Die DBT-S ist eine spezielle Form der DBT, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit BPS und Suchterkrankungen zugeschnitten ist. Sie integriert Elemente der Suchttherapie und hilft den Betroffenen, ein Leben ohne Suchtmittel aufzubauen.  
  • Schematherapie: Die Schematherapie fokussiert auf die Veränderung ungünstiger Denkmuster und Verhaltensweisen, die oft in der Kindheit entstanden sind. Sie hilft Menschen mit BPS, ihre emotionalen Bedürfnisse zu erkennen und gesunde Beziehungen zu führen.  
  • Suchttherapie: Die Suchttherapie umfasst verschiedene Maßnahmen, wie Entgiftung, Entwöhnung und Therapie der zugrunde liegenden Suchtproblematik. Sie unterstützt den Suchtkranken dabei, abstinent zu leben und ein gesundes Leben zu führen.  
  • Paartherapie: Die Paartherapie bietet Paaren einen geschützten Raum, um die Dynamik ihrer Beziehung zu verstehen und konstruktive Kommunikationsmuster zu entwickeln. Sie hilft Paaren, Konflikte zu lösen, Vertrauen wiederaufzubauen und die Beziehung zu stärken.  
  • Medikamente: Unterstützend können in der Therapie von BPS Medikamente eingesetzt werden, um bestimmte Symptome wie Angstzustände oder Depressionen zu lindern.  

Weitere Unterstützungsmöglichkeiten

  • Selbsthilfegruppen: Selbsthilfegruppen bieten Menschen mit BPS und Suchtkranken sowie ihren Angehörigen die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen.  
  • Angehörigenarbeit: Angehörige von Menschen mit BPS und Suchtkranken benötigen oft selbst Unterstützung. Angehörigenarbeit bietet Beratung, Informationen und Hilfestellung im Umgang mit der Erkrankung des Partners .  
  • Krisenplan: Die Entwicklung eines individuellen Krisenplans ist wichtig, um im Falle einer Krise schnell und effektiv reagieren zu können. Der Krisenplan enthält Informationen über Notfallkontakte, Bewältigungsstrategien und Verhaltensweisen in Krisensituationen.  

Tipps für den Alltag

  • Offene Kommunikation: Spreche offen und ehrlich über Deine Gefühle, Bedürfnisse und Ängste. Aktives Zuhören und wertschätzende Kommunikation sind essentiell.
  • Klare Grenzen: Setze klare Grenzen in der Beziehung und kommuniziere diese deutlich. Sowohl der Partner mit BPS als auch der suchtkranke Partner müssen lernen, die Grenzen des anderen zu respektieren.
  • Gemeinsame Aktivitäten: Plane gemeinsame Aktivitäten, die Euch beiden Freude bereiten und die Beziehung stärken. Dies können z.B. Spaziergänge in der Natur, Kinobesuche oder gemeinsame Hobbys sein.
  • Stressbewältigung: Entwickele Strategien zur Stressbewältigung, um mit den Herausforderungen des Alltags besser umgehen zu können. Entspannungstechniken, Sport oder Yoga können hilfreich sein.
  • Eigenverantwortung: Übernehme Verantwortung für Deine eigene Gesundheit und Dein Wohlbefinden. Achte auf ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung.
  • Unterstützung suchen: Scheuen Dich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Du alleine nicht weiterkommst. Therapeuten, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen können Dir Unterstützung und Orientierung bieten.

Beispiele für erfolgreiche Beziehungen

Es gibt Paare, die trotz BPS und Sucht eine stabile und liebevolle Beziehung führen. Oftmals haben diese Paare gemeinsam eine Therapie absolviert, gelernt, offen zu kommunizieren und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie haben Strategien entwickelt, um mit den Herausforderungen umzugehen und Rückfällen vorzubeugen. Ein wichtiger Faktor ist auch die gegenseitige Akzeptanz und das Verständnis für die Erkrankung des Partners.  

Ein Beispiel ist Mila, die an BPS leidet, und ihr Partner, der mit einer Suchterkrankung kämpft. Durch die DBT hat Mila gelernt, ihre Emotionen zu regulieren und mit ihrer Impulsivität umzugehen. Ihr Partner hat seine Sucht erfolgreich überwunden und unterstützt Mila in ihrem Alltag. Gemeinsam haben sie gelernt, die Herausforderungen der BPS und der Sucht zu meistern und eine stabile Beziehung zu führen.  

Zusammenfassung und Ausblick

Beziehungen zwischen Menschen mit BPS und Suchtkranken sind komplex und herausfordernd. Die emotionale Instabilität der BPS, die Angst vor dem Verlassenwerden und die Folgen der Sucht können zu Konflikten, Co-Abhängigkeit und erhöhtem Risiko für Selbstverletzung führen. Eine erfolgreiche Bewältigung erfordert die Bereitschaft beider Partner, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und an sich zu arbeiten .  

Mit Therapie, Unterstützung und gegenseitigem Verständnis können Paare lernen, die Herausforderungen zu meistern und eine erfüllende Beziehung zu führen. Es ist wichtig, offen zu kommunizieren, klare Grenzen zu setzen, gemeinsame Aktivitäten zu planen und Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln.  

Auch wenn der Weg steinig sein mag, gibt es Hoffnung auf ein erfülltes Leben und eine stabile Beziehung trotz BPS und Sucht.

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