Süchtige Mutter: Zwischen Liebe, Scham und der Angst vor dem Jugendamt

Süchtige Mutter: Zwischen Liebe, Scham und der Angst vor dem Jugendamt

Ein Artikel aus der „Frauen & Sucht“-Serie von NeelixberliN

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Trigger-Warnung: Dieser Artikel behandelt die extrem schambehafteten Themen Sucht in der Schwangerschaft und als Mutter, Kindeswohlgefährdung, Prostitution, Kokainkonsum und die Angst vor dem Verlust des Sorgerechts.


Nach 28 Jahren Sucht & Recovery sind es nicht immer die eigenen Abstürze, die am tiefsten brennen. Es sind die Bilder, die ich nicht nur in Meetings gehört, sondern in meiner eigenen, aktiven Suchtkarriere live miterlebt habe. Die Geschichten von Müttern waren oft leiser als die der Männer, aber nicht weniger brutal. Es waren die Geschichten von Müttern, die abends heimlich die Weinflasche im Altglascontainer entsorgten. Aber es waren auch die Geschichten aus der tiefsten Finsternis: Mütter, die es nicht geschafft haben, in der Schwangerschaft mit dem Basen (Kokain rauchen) aufzuhören. Frauen auf den sogenannten Platten, den Drogenhotspots der Städte, die ihre Kinder zum Klauen schickten, weil sie selbst überall Hausverbot hatten. Ich habe einen Sohn erlebt der nach dem Anschaffen auf seine Mutter wartete, bis sie von ihrem eigenen Freier zurückkam.

Die Grenzen von Normalität verschwimmen in der Sucht selbst sehr schnell durch die Kraft des Verdrängens. Die Schuld, die ein suchtkranker Mann trägt, ist schwer. Aber die Scham einer Mutter, die so etwas tut, um ihre Sucht zu finanzieren, ist eine ganz andere Dimension. Es ist eine alles verzehrende, toxische Scham, befeuert vom Stigma der „Rabenmutter“.

Diese panische Angst, als Mutter zu versagen, wird zur gefährlichsten Komplizin der Sucht. Sie hält Frauen davon ab, sich die Hilfe zu suchen, die sie und ihre Kinder so dringend brauchen. Heute brechen wir dieses größte aller Tabus. Wir sprechen ehrlich über die Hölle, eine süchtige Mutter zu sein – und zeigen, dass der Hilferuf nicht der Verrat an deinem Kind ist, sondern der erste und wichtigste Akt der Mutterliebe.

Eine süchtige Mutter ist nicht eine Frau, die ihre Kinder nicht liebt. Sie ist eine Frau, deren Krankheit stärker ist als ihre Liebe – und die gesellschaftliche Verurteilung dafür ist so brutal, dass sie die Hilfesuche fast unmöglich macht.


🎯 Die harten Fakten: Wenn Sucht die Familie vergiftet

📊 Die harten Fakten in Zahlen: Sucht im Herzen der Familie

Die Verknüpfung von Sucht und Mutterschaft ist eines der gravierendsten Probleme im deutschen Gesundheitssystem:

  • ~3 Millionen betroffene Kinder: Schätzungen von Fachverbänden wie NACOA Deutschland gehen davon aus, dass jedes sechste Kind in Deutschland zeitweise oder dauerhaft mit einem suchtkranken Elternteil aufwächst.
  • ~10.000 geschädigte Neugeborene pro Jahr: Jedes Jahr werden in Deutschland rund 10.000 Kinder mit Fetalen Alkoholspektrum-Störungen (FASD) durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft geboren. Hinzu kommen Neugeborene mit Entzugserscheinungen (NAS) durch Opiat- oder Kokainkonsum der Mutter.
  • Angst als größte Barriere: Die Angst vor Stigmatisierung und vor dem Eingreifen des Jugendamtes ist der am häufigsten genannte Grund, warum schwangere Frauen und Mütter keine Suchthilfe in Anspruch nehmen (Quelle: DHS).
  • Positive Effekte der Heilung: Studien belegen eindeutig, dass eine erfolgreiche Therapie der Mutter und eine stabile Nüchternheit zu einer signifikanten Verbesserung der kindlichen Entwicklung und der Mutter-Kind-Bindung führen.

🔬 Wissenschaft: Die Psychologie der süchtigen Mutter

Drei psychologische Mechanismen schaffen einen fast ausweglosen Teufelskreis:

  • Toxische Scham vs. Schuld: Schuld sagt: „Ich habe etwas Schlechtes getan“. Dieses Gefühl kann zu Veränderung motivieren. Toxische Scham sagt: „ICH BIN schlecht“ (z.B. „Ich bin eine Rabenmutter“). Dieses Gefühl lähmt und führt zu Verheimlichung und weiterem Konsum, um die Scham zu betäuben.
  • Der „Double Bind“ (Doppelbindung): Die Mutter steckt in einer paradoxen Falle. Botschaft 1: „Sei eine gute Mutter und hol dir Hilfe!“. Botschaft 2: „Wenn du dir Hilfe holst, beweist du, dass du eine schlechte Mutter bist und wir nehmen dir dein Kind weg.“ Diese unlösbare Situation führt zu Handlungsunfähigkeit.
  • Gestörte Bindung (Attachment): Die Unberechenbarkeit einer süchtigen Mutter kann die Entwicklung einer sicheren Bindung beim Kind stören. Das Kind lernt nicht, dass die Welt ein sicherer Ort und seine Bezugsperson verlässlich ist, was lebenslange Folgen haben kann.

🎭 Die tägliche Lüge: Zwischen Mutterliebe und Suchtdruck

Eine Mutter, die ihr Kind umarmt, aber selbst verblasst und durch Suchtmittel ersetzt wird, als Symbol für den Selbstverlust und den inneren Konflikt einer süchtigen Mutter.
Im Kampf zwischen Mutterliebe und Sucht verliert die Mutter oft sich selbst. Ihre ganze Energie fließt in die Aufrechterhaltung der Fassade und die Versorgung der Sucht.

Der Alltag einer süchtigen Mutter ist ein zermürbender Krieg. Es ist ein Leben voller Geheimnisse, von den Weinflaschen im Kleiderschrank bis zu den Lügen über den Verbleib des Geldes. Das Kind erlebt eine Mutter, deren Stimmungen unberechenbar sind, was sein Urvertrauen zerstört.

Wenn die Sucht fortschreitet und die Beschaffung immer verzweifelter wird, verschwimmen die Grenzen dessen, was einmal unvorstellbar war. Die Kraft der Verdrängung lässt die schrecklichsten Handlungen „normal“ erscheinen. Eine Mutter, die ihr Kind zum Stehlen schickt, hat sich in diesem Moment eingeredet, dass es „notwendig“ ist, um zu überleben. Eine Frau, die anschaffen geht, während ihr Sohn wartet, befindet sich in einem Zustand, in dem die Sucht jede moralische und emotionale Barriere durchbrochen hat. Das ist nicht das Versagen der Liebe. Das ist die ultimative Macht der Krankheit Sucht.

⚠️ Die konkreten Gefahren: Was wirklich auf dem Spiel steht

Die Konsequenzen einer unbehandelten Sucht bei Müttern sind verheerend:

Für das Kind:

  • Pränatale Schäden: Alkohol (FASD), Kokain oder Opiate in der Schwangerschaft können zu schweren, lebenslangen Behinderungen oder einem qualvollen Drogenentzug des Neugeborenen (NAS) führen.
  • Vernachlässigung & Parentifizierung: Im Alltag drohen emotionale und körperliche Vernachlässigung. Oft muss das Kind die Elternrolle übernehmen und für die süchtige Mutter sorgen.
  • Instrumentalisierung: In extremen Fällen werden Kinder für die Beschaffung instrumentalisiert (z.B. zum Klauen geschickt), was sie zusätzlich traumatisiert.

Für die Mutter:

  • Permanenter Stress & Isolation: Die ständige Angst vor Entdeckung und die Scham führen zu totaler Isolation.
  • Eskalation: Der Weg kann in die Beschaffungskriminalität oder -prostitution führen, um die Sucht zu finanzieren.
  • Der Verlust des Sorgerechts: Die größte Angst ist real. Wenn das Kindeswohl akut gefährdet ist und keine Hilfe angenommen wird, ist die Inobhutnahme die letzte, aber notwendige Konsequenz.

🛡️ Safer Use: Dein Survival-Guide für Mütter in der Suchtkrise

Eine Mutter und ein Kind, die einem Sturm entkommen und auf einen hellen Weg zugehen, als Symbol für die Hoffnung und den Ausweg durch professionelle Hilfe.
Der Weg aus der Sucht ist auch der Weg in eine sichere Zukunft für dein Kind. Der erste Schritt ist der schwerste, aber er führt euch beide aus dem Sturm.

Wenn du dich in diesem Text wiedererkennst, wisse eines: Du bist nicht allein, und es ist nie zu spät. Es gibt einen Weg hinaus. Er erfordert unendlichen Mut, aber er ist möglich.

🛡️ Safer Use: Dein mutiger Weg aus dem Teufelskreis

Wenn du eine Mutter in dieser Situation bist, ist dein Mut jetzt gefragt. Hier sind die wichtigsten Schritte:

  1. Entmystifiziere das Jugendamt: Der wichtigste Fakt zuerst: Das Jugendamt will Familien helfen, zusammenzubleiben. Wenn DU proaktiv auf sie zugehst oder eine Suchtberatung einschaltest, signalisierst du Kooperationsbereitschaft. Das wird positiv bewertet! Die Gefahr droht, wenn das Problem durch Außenstehende gemeldet wird und du die Hilfe verweigerst.
  2. Suche dir spezialisierte Hilfe: Es gibt hochspezialisierte **Mutter-Kind-Einrichtungen** für Suchttherapie. Dort kannst du gemeinsam mit deinem Kind eine Therapie machen. Diese Kliniken sind auf ALLE Süchte, auch Kokain und Heroin, vorbereitet. Deine Geschichte ist dort sicher und wird nicht verurteilt.
  3. Brich das Schweigen (anonym): Rufe eine Sucht-Hotline an. Sprich es zum ersten Mal aus, ohne deinen Namen zu nennen. In fast jeder Stadt gibt es Drogenberatungsstellen, die anonyme Hilfe für Schwangere und Mütter anbieten (z.B. von Caritas, Diakonie, AWO).
  4. Erstelle einen Notfallplan für dein Kind: Wer ist eine absolut sichere, nüchterne Person in deinem Umfeld (eine Freundin, die Großeltern)? Gib dieser Person die Erlaubnis, dein Kind sofort zu sich zu nehmen, wenn du merkst, dass du die Kontrolle verlierst.

🤔 Ausführliche FAQ

🤔 Nimmt mir das Jugendamt sofort die Kinder weg, wenn ich meine Sucht zugebe?

✅ Nein. Das ist die größte Angst, aber in der Regel unbegründet. Das oberste Ziel des Jugendamtes ist der Kinderschutz durch Unterstützung der Familie. Wenn du von dir aus Hilfe suchst und zeigst, dass du das Problem lösen willst, werden sie dir in der Regel Hilfsangebote machen (z.B. Familienhilfe, Therapieauflagen), um euch zusammenzuhalten. Eine Inobhutnahme ist immer die allerletzte Option bei akuter, uneinsichtiger Gefährdung.

❤️ Ich bin schwanger und konsumiere. Ist es schon zu spät, um Schaden abzuwenden?

✅ Es ist NIEMALS zu spät. Jeder einzelne Tag, den du früher aufhörst, reduziert das Risiko für dein Kind. Schäme dich nicht, sondern handle sofort. Sprich offen mit deinem Gynäkologen und kontaktiere eine Schwangerschafts-Suchtberatung. Es gibt spezielle Programme, die dir helfen, sicher zu entgiften und die bestmögliche Versorgung für dich und dein Baby zu gewährleisten.

🧠 Wie erkläre ich meinem Kind später, warum ich krank war?

✅ Mit altersgerechter, ehrlicher Sprache. Du kannst das Konzept „Krankheit“ und „Allergie“ nutzen: „Mama hat eine Krankheit, die wie eine Allergie auf Drogen ist. Wenn ich das nehme, verändert sich mein Verhalten und ich bin nicht mehr ich selbst. Deshalb lerne ich, ohne dieses ‚Medikament‘ zu leben.“ Wichtig ist die Botschaft: Es lag niemals an dir, und ich liebe dich.

😔 Ich fühle mich wie die schlechteste Mutter der Welt. Wie gehe ich mit dieser Schuld um?

✅ Erkenne den Unterschied zwischen Schuld („Ich habe etwas Schlechtes getan“) und Scham („ICH BIN schlecht“). Deine Taten in der Sucht waren Symptome einer Krankheit, sie definieren nicht deinen Wert als Mensch oder deine Liebe als Mutter. In Therapie und Selbsthilfegruppen lernst du, dir selbst zu vergeben, was ein entscheidender Teil der Heilung ist.

💪 Mein Partner ist co-süchtig/enabler. Wie kann ich Hilfe suchen, wenn er das Problem kleinredet?

✅ Das ist eine sehr häufige und schwierige Situation. Du musst diesen Schritt für dich und dein Kind allein tun, auch gegen seinen Widerstand. Suche dir eine externe Beratungsstelle. Oft ist der erste Schritt, den Partner zu einer Paar- oder Angehörigenberatung einzuladen. Wenn er sich weigert, musst du deine Heilung (und die Sicherheit deines Kindes) an die erste Stelle setzen, auch wenn das die Beziehung gefährdet.

🎬 NeelixberliN Fazit

Eine starke Löwin mit goldenen Kintsugi-Narben, die ihr Junges beschützt, als Symbol für die wahre Stärke einer Mutter, die ihre Wunden anerkennt und für ihr Kind heilt.
Die wahre Stärke einer Mutter liegt nicht darin, perfekt zu sein. Sie liegt in dem unbändigen Willen, für ihr Kind zu heilen, egal wie tief die Wunden sind.

Ich bin keine Mutter. Aber ich bin der Sohn eines Vaters, der den Kampf gegen die Sucht verloren hat und der Sohn einer Mutter, die selbst im Kreislauf der Medikamente gefangen war. Ich weiß, was es bedeutet, als Kind in so einem System aufzuwachsen. Und ich weiß aus den Geschichten unzähliger Frauen, dass der gesellschaftliche Druck auf Mütter noch einmal unendlich größer ist.

Das Stigma der „Rabenmutter“ ist eine der brutalsten Waffen unserer Gesellschaft. Es lähmt Frauen und verhindert, dass sie Hilfe suchen. Lasst mich eines ganz klar sagen: Eine Rabenmutter ist nicht die Frau, die zugibt, krank zu sein und um Hilfe kämpft. Eine Rabenmutter ist ein Mythos, erfunden, um Frauen zu verurteilen.

Die stärksten Menschen, die ich je in der Sucht & Recovery getroffen habe, waren Mütter. Frauen, die gegen ihre eigene Biochemie, gegen gesellschaftliche Verurteilung und gegen ihre tiefste Scham gekämpft haben, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Der Anruf bei der Suchtberatung, der erste Schritt in eine Mutter-Kind-Einrichtung – das sind keine Zeichen des Versagens. Das ist der ultimative, heldenhafte Akt der Mutterliebe. Wenn du das tust, bist du keine schlechte Mutter. Du bist eine verdammte Löwin, die für ihr Junges kämpft.


📚 Quellen & Referenzen

  • NACOA Deutschland (Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien): Statistiken und Informationen zur Situation von CoAs in Deutschland.
  • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Jahrbuch Sucht, Fakten zu Sucht bei Frauen und in der Schwangerschaft.
  • Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA): Berichte über geschlechtsspezifische Aspekte des Drogenkonsums.
  • Ärzteblatt: Fachartikel zu Fetalem Alkoholsyndrom (FASD) und Neonatalem Abstinenzsyndrom (NAS).

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Über Gabriel Maetz

NeelixberliN teilt hier seine persönliche und ungefilterte Erfahrung auf dem Weg aus der Sucht. Nach Jahren der Abhängigkeit, unter anderem von Polamidon, kämpft er sich Tag für Tag zurück ins Leben. Dieser Blog ist sein persönliches Logbuch, eine Hilfe für sich selbst und hoffentlich auch eine stütze für andere, die einen ähnlichen Kampf führen.

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