Hey Du,
hast du dich jemals gefragt, warum du in Beziehungen immer wieder die gleichen schmerzhaften Muster erlebst? Warum du klammerst, obwohl du Freiraum willst? Warum du Leute wegstößt, obwohl du dich nach Nähe sehnst?
Und warum eine Droge oder ein Rausch sich manchmal wie der einzig verlässliche „Freund“ anfühlt, der immer da ist? Die Antwort liegt oft in unserer frühesten Kindheit: in unseren Bindungserfahrungen. Lass uns über diesen direkten Draht von Bindungsstörungen zur Sucht sprechen.
Was ist Bindung? Dein emotionales Betriebssystem 🧠
Die Bindungstheorie, entwickelt von John Bowlby, besagt, dass wir Menschen ein angeborenes Bedürfnis haben, eine enge und sichere Beziehung zu unseren ersten Bezugspersonen (meist den Eltern) aufzubauen. Diese erste Beziehung ist wie die Programmierung unseres emotionalen Betriebssystems. Sie prägt, wie wir später lieben, vertrauen und mit Stress umgehen.
- Sichere Bindung: Deine Eltern waren verlässlich da, haben deine Bedürfnisse nach Nähe und Trost erfüllt. Du hast gelernt: „Ich bin liebenswert, die Welt ist ein sicherer Ort, Hilfe ist verfügbar.“ Das ist der stärkste Schutzfaktor gegen psychische Erkrankungen.
- Unsichere Bindung: Deine Eltern waren unzuverlässig, überfordert, abweisend oder sogar bedrohlich. Du hast gelernt: „Ich muss um Liebe kämpfen“, „Nähe ist gefährlich“ oder „Ich bin auf mich allein gestellt“. Das ist ein massiver Risikofaktor.

Die fatale Verbindung: Wie aus Bindungsschmerz Sucht wird 💊
Wenn dein emotionales Betriebssystem auf „unsicher“ programmiert ist, lebst du in einem Zustand ständiger innerer Anspannung. Du hast nie gelernt, dich selbst zu beruhigen oder darauf zu vertrauen, dass andere für dich da sind.
Und genau hier kommt die Sucht als fatale Lösungsstrategie ins Spiel. Die Substanz wird zum Ersatz für die sichere Bindung, die du nie hattest.
Die Droge als „sicherer Hafen“
Das Suchtmittel wird zur verlässlichsten „Bezugsperson“ deines Lebens:
- Sie ist immer verfügbar: Anders als deine Eltern ist die Flasche Bier oder die Pille immer da, wenn du sie brauchst.
- Sie ist vorhersehbar: Sie enttäuscht dich nicht. Du weißt genau, welche Wirkung eintreten wird – Betäubung, Euphorie, Ruhe.
- Sie reguliert deine Gefühle: Sie bietet die kurzfristige, rasche Entspannung, die du dir eigentlich von einer Umarmung oder einem tröstenden Wort erhoffst.
Der Rausch simuliert das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das in deiner Kindheit gefehlt hat. Du gehst eine Bindung mit der Droge ein.
Der Teufelskreis: Wenn die „Lösung“ das Problem wird 🔄
Die Droge als Partner hat einen Haken: Sie ist ein misshandelnder Partner.
- Kurzfristige Erleichterung führt zu langfristiger Zerstörung.
- Die Sucht isoliert dich weiter von echten, potenziell heilsamen menschlichen Beziehungen.
- Sie bestätigt dein negatives Selbstbild („Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden“).
- Der Entzug und die Konsequenzen der Sucht erzeugen neuen, massiven Stress, der wiederum den Wunsch nach der „sicheren“ Betäubung durch die Droge verstärkt.

Der Ausweg: Neue, sichere Verbindungen lernen 💪
Die Heilung von dieser tiefen Wunde erfordert einen integrierten Ansatz, der die Doppeldiagnose (Bindungsstörung & Sucht) versteht.
- Suchttherapie: Der erste Schritt ist oft, die Sucht zu stoppen, um überhaupt therapiefähig zu werden.
- Psychotherapie: Hier geht es an die Wurzel. Du musst lernen, was du nie hattest:
- Emotionen regulieren: Gesunde Wege finden, um mit Stress und Schmerz umzugehen (siehe TEK-Workshop).
- Das innere Kind heilen: Die alten Wunden verstehen und anerkennen.
- Eine sichere Bindung aufbauen: Die Beziehung zu deinem Therapeuten wird zum Übungsfeld. Hier kannst du zum ersten Mal erleben, wie sich eine verlässliche, sichere und nicht wertende Beziehung anfühlt.
- Selbsthilfegruppen: Hier erlebst du Zugehörigkeit und Verständnis von Menschen, die genau wissen, wovon du sprichst.
Fazit: Du kannst lernen, neu zu vertrauen
Wenn du dich in diesen Mustern wiedererkennst, ist das vielleicht eine schmerzhafte, aber auch eine unglaublich wichtige Erkenntnis. Deine Sucht ist vielleicht nicht nur eine „schlechte Angewohnheit“, sondern der verzweifelte Schrei nach einer Sicherheit, die dir früh im Leben gefehlt hat.
Zu verstehen, woher der Schmerz kommt, ist der erste Schritt zur Heilung. Der Weg ist lang, aber es ist möglich, dein emotionales Betriebssystem neu zu programmieren und zu lernen, echte, gesunde und stabile Verbindungen einzugehen – zuallererst die zu dir selbst.
Häufige Fragen (FAQ) zum Thema Bindungsstörung und Sucht
Bedeutet eine schwere Kindheit automatisch, dass man eine Bindungsstörung und Sucht entwickelt?
Nein, nicht automatisch. Eine unsichere Bindung ist ein signifikanter Risikofaktor, aber keine Garantie. Es gibt Menschen, die trotz einer schweren Kindheit Resilienz entwickeln und andere Wege finden, mit ihren Wunden umzugehen. Eine sichere Bindung in der Kindheit gilt umgekehrt aber als einer der stärksten Schutzfaktoren gegen die Entwicklung von Sucht und anderen psychischen Erkrankungen.
Kann ich meinen Bindungsstil als Erwachsener noch ändern?
Ja, absolut! Das ist die gute Nachricht und das Kernziel vieler Therapieformen. Durch neue, korrigierende Beziehungserfahrungen – insbesondere in einer stabilen Psychotherapie, aber auch in gesunden Freundschaften oder Partnerschaften – kann man lernen, neue, sicherere „interne Arbeitsmodelle“ für Beziehungen zu entwickeln. Es ist harte Arbeit, aber es ist möglich.
Mein Partner hat eine Bindungsstörung und eine Sucht. Wie kann ich helfen?
Das ist eine extrem schwierige Situation. Das Wichtigste ist, zu verstehen, dass du nicht sein Therapeut oder seine Rettung sein kannst. Der beste Weg zu helfen ist, klare und liebevolle Grenzen zu setzen, ihn zu ermutigen, sich professionelle Hilfe für beide Probleme zu suchen, und – ganz entscheidend – dir selbst Unterstützung zu holen (z.B. in Angehörigengruppen wie Al-Anon oder durch eigene Beratung).
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