Ein Artikel aus der „Das CRAFT-Mindset-Manifest“-Serie von NeelixberliN
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Trigger-Warnung: Dieser Artikel wird dich auffordern, dich aus Situationen zurückzuziehen und liebevolle Handlungen zu unterlassen, wenn dein Partner konsumiert. Dies kann sich wie Bestrafung oder Grausamkeit anfühlen und erfordert Mut und innere Stärke.
Es gab unzählige Abende, an denen ich high auf dem Sofa saß und wir trotzdem zusammen einen Film geschaut haben. Mein Partner saß neben mir, lächelte gequält, während ich abwesend auf den Bildschirm starrte. Er kochte für uns, wir aßen zusammen, wir gingen nebeneinander ins Bett. Er war „nett“ zu mir. Er wollte den Frieden wahren. Er wollte mir zeigen, dass er mich trotz allem liebt.
Was er nicht verstand: In diesen Momenten war er nicht mit mir zusammen. Er war mit meiner Sucht zusammen. Jede „normale“ Handlung, jede liebevolle Geste, die er mir in meinem Rausch schenkte, war eine unbewusste Botschaft an mein Gehirn: „Siehst du? Du kannst beides haben. Den Rausch UND die Geborgenheit der Beziehung.“ Er hat, ohne es zu wollen, den Freifahrtschein für meine Sucht immer wieder verlängert.
Willkommen zur schmerzhaften, aber unendlich befreienden Kehrseite der Medaille. Nachdem du gelernt hast, Gutes zu belohnen, lernst du jetzt die Kunst, dem Negativen die Nahrung zu entziehen. Das ist kein Akt der Bestrafung. Es ist ein Akt radikaler Klarheit. Du ziehst die Brücke zu seiner Sucht ein und hältst die Brücke zu seinem wahren Ich offen. Das ist die eiskalte Schulter der Liebe.

📊 Die Fakten: Was „Belohnungsentzug“ wirklich bedeutet
Das Entziehen von Belohnungen bei Konsumverhalten ist eine der „negativen Konsequenzen“ in CRAFT. Es geht nicht darum, neue Strafen zu erfinden, sondern darum, bestehende, oft unbewusste Belohnungen zu beenden. Das CRAFT-Manual nennt dies eine „Auszeit von positiver Verstärkung“.
- Das Ziel: Das Ziel ist, die Häufigkeit des Konsumverhaltens zu verringern, indem man die angenehmen Konsequenzen, die damit verbunden sind, entfernt. Du schwächst die Verbindung zwischen „Konsum“ und „angenehmem Ergebnis“.
- Was sind „unbewusste Belohnungen“? Oft sind es die normalsten Dinge: Deine liebevolle Aufmerksamkeit, ein gemeinsames Abendessen, ein Filmabend, Sex oder einfach nur ein angenehmes Gespräch, während der Partner unter Einfluss steht.
- Es ist keine Bestrafung: Das Manual betont, dass es nicht darum geht, „harte neue Strafen einzuführen“. Es geht darum, deine positive Energie und Anwesenheit nicht mehr als Belohnung für ein Verhalten zu geben, das du nicht unterstützen willst.
- Die Wichtigkeit der Konsistenz: Um wirksam zu sein, muss der Entzug der Belohnung so konsequent wie möglich erfolgen. Jede Ausnahme schwächt die Botschaft.
🔬 Wissenschaft: Die Macht der Nicht-Belohnung (Extinktion)
Wenn Belohnung ein Verhalten stärkt, was schwächt es dann? Die Verhaltenspsychologie hat eine klare Antwort: das Ausbleiben der erwarteten Belohnung. Dieser Prozess nennt sich „Löschung“ oder „Extinktion“.
- Der Erwartungs-Bruch: Das Gehirn lernt durch Muster. Wenn das Muster bisher war „Ich konsumiere -> Ich bekomme trotzdem Zuneigung“, dann ist das eine starke Verknüpfung. Wenn das Muster plötzlich durchbrochen wird zu „Ich konsumiere -> Die Zuneigung bleibt aus“, erzeugt das kognitive Dissonanz.
- Es ist unangenehm (und das ist der Punkt): Das Ausbleiben einer erwarteten Belohnung ist frustrierend. Dieser Frust ist ein wichtiger Motor für Veränderung. Der Süchtige wird gezwungen, sich zu fragen: „Was muss ich tun, um die Belohnung (deine Nähe, die Harmonie) wiederzubekommen?“
- Kontrastprinzip: Indem du Belohnungen bei Konsum entziehst (Kapitel 7) und gleichzeitig Belohnungen bei Nüchternheit gibst (Kapitel 5), schaffst du einen maximalen Kontrast. Nüchternheit wird zum Weg der Verbindung, Konsum wird zum Weg der Isolation.

⚠️ Neelix-Analyse: Du bist nicht der Unterhalter der Sucht
Deine Liebe und Energie sind das Wertvollste, was du hast. Die Sucht hat kein Anrecht darauf.
- Die Logik (CRAFT): Identifiziere, wo du unbewusst Konsumverhalten durch deine Anwesenheit oder positive Interaktionen belohnst. Entwickle einen Plan, dich aus diesen Situationen klar und ruhig zurückzuziehen.
- Die Seele („The Secret“ entgiftet & „Soul Master“): Das ist energetische Selbstverteidigung. „The Secret“ würde dir raten, „positiv zu bleiben“. Das ist spiritueller Selbstmord. Die „Soul Master“-Philosophie lehrt: Entziehe dem, was du nicht willst, deine Energie. Indem du der Sucht deine Energie entziehst, verhungert sie energetisch.
- Die Realität (Erfahrung): Die Befreiung kam, als ich lernte zu sagen: „Ich liebe dich, aber ich kann das gerade nicht. Ich bin im anderen Zimmer, wenn du wieder klar bist.“ Es war die schmerzhafteste und gleichzeitig ehrlichste und liebevollste Handlung. Ich habe aufgehört, die Sucht zu unterhalten.
🛡️ Dein Survival Kit: Die Kunst des eleganten Rückzugs
Belohnungsentzug muss nicht dramatisch sein. Er muss nur klar sein. Hier sind deine ersten Schritte.
- Schritt 1: Identifiziere EINE unbewusste Belohnung. Was ist die häufigste Situation, in der du „nett“ bist, obwohl dein Partner konsumiert? Der gemeinsame Filmabend? Das Abendessen?
- Schritt 2: Plane deinen „Exit“. Wie kannst du dich zurückziehen? Bereite einen ruhigen Satz vor. z.B.: „Ich glaube, ich brauche heute Abend etwas Zeit für mich.“
- Schritt 3: Kommuniziere die neue Regel (optional, aber empfohlen). Wähle einen nüchternen Moment und sage mit positiver Kommunikation: „Ich liebe es, mit dir Zeit zu verbringen. Aber ich kann und will das nicht mehr tun, wenn du konsumiert hast.“
- Schritt 4: Führe es aus. Konsequent. Das ist der schwerste Teil. Wenn die Situation eintritt, ziehe es durch. Ohne Diskussion. Ohne Vorwurf. Deine Handlung ist die Botschaft.
🧠 Dein Trainingslager: Der Filmabend-Test
Szenario: Es ist Freitagabend. Ihr wolltet euren gemeinsamen Lieblingsfilm schauen. Dein Partner kommt nach Hause, du merkst sofort, dass er konsumiert hat. Er setzt sich und sagt: „So, bereit für den Film?“
Frage: Was ist die effektivste Reaktion nach dem CRAFT-Prinzip des Belohnungsentzugs?
- A) Du seufzt, setzt dich dazu und denkst: „Wenigstens ist er zu Hause.“
- B) Du schreist ihn an: „Siehst du nicht, was du tust? Du ruinierst alles!“
- C) Du sagst ruhig: „Du, ich merke, du bist nicht ganz auf der Höhe. Ich kann den Film so nicht genießen. Lass uns das verschieben. Ich lese stattdessen ein Buch.“
Klicke hier für die Auflösung und Erklärung
✅ Die richtige Antwort ist C.
Warum? A ist klassisches „Enabling“. B ist eine Bestrafung, die zu Streit führt. Nur Antwort C ist perfekter Belohnungsentzug: Du benennst dein Gefühl, entziehst klar die Belohnung (der Film) und vollziehst den Rückzug. Es ist eine klare, undramatische und unmissverständliche Konsequenz.
Ausführliche FAQ: Die 5 häufigsten Fragen zum Belohnungsentzug
🤔 Ist das nicht einfach nur passiv-aggressiver Liebesentzug?
✅ Nein. Der Unterschied liegt in der Intention. Liebesentzug ist bestrafend und manipulativ. Belohnungsentzug nach CRAFT ist ein Akt der Selbstfürsorge mit einer klaren Grenze („Ich kann in diesem Zustand keine Zeit mit dir verbringen, weil es mir schadet“). Es geht um deinen Schutz, nicht um seine Bestrafung.
❤️ Was ist, wenn er extrem wütend oder sogar aggressiv wird, wenn ich gehe?
✅ Deine Sicherheit geht immer vor! Das betont das CRAFT-Manual immer wieder. Wenn du auch nur den geringsten Verdacht hast, dass dein Rückzug zu Gewalt führen könnte, wendest du diese Technik NICHT an. In diesem Fall sind andere Strategien und ein Sicherheitsplan vorrangig.
🧠 Aber er wird sagen, ICH bin diejenige, die die Beziehung zerstört!
✅ Ja, das wird er wahrscheinlich. Das nennt sich Projektion. Deine innere Stärke besteht darin, bei deiner Wahrheit zu bleiben: „Nicht mein Rückzug ist das Problem, sondern der Konsum ist der Grund für meinen Rückzug.“ Bleib ruhig bei dieser Tatsache, ohne dich auf einen Streit einzulassen.
💪 Muss ich das wirklich IMMER machen? Was ist mit besonderen Anlässen?
✅ Konsistenz ist der Schlüssel zum Erfolg. Jede Ausnahme signalisiert ihm, dass die Regel verhandelbar ist. Gerade an Feiertagen ist deine Konsequenz am wirkungsvollsten. Das ist schmerzhaft, aber es sendet eine stärkere Botschaft als jeder Streit.
😔 Ich fühle mich so schuldig und gemein, wenn ich ihn allein lasse.
✅ Dieses Schuldgefühl ist der Klebstoff der Co-Abhängigkeit. Erinnere dich daran: Du lässt nicht den Menschen allein, den du liebst. Du lässt seine Sucht allein. Du verweigerst dem zerstörerischen Anteil in ihm deine Gesellschaft. Das ist nicht gemein, das ist das Liebevollste, was du tun kannst.
Lesetipp zur Vertiefung
📖 Lesetipp zur Vertiefung
Den Suchtkreislauf durchbrechen: Wie Sie als Angehöriger Abhängigen wirklich helfen
von Robert J. Meyers & Jane Ellen Smith
Dieses Buch ist die Bibel der CRAFT-Methode für Angehörige. Es erklärt detailliert und mit vielen Beispielen, wie man Belohnungen bei Konsumverhalten klar und liebevoll entzieht, ohne in eine Spirale aus Streit und Vorwürfen zu geraten.
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NeelixberliN Fazit
📸 BILD 3: Der Tanzpartner

Der schwierigste Moment für meinen Partner war, als er aufhörte, mit mir Filme zu schauen, wenn ich high war. Er sagte nicht viel. Er stand einfach auf, sagte „Ich glaube, ich lese heute Abend lieber in meinem Zimmer“ und ging. Es war keine Bestrafung. Es war kein Drama. Es war eine stille, unmissverständliche Botschaft: „Ich verbringe meine Zeit nicht mit deiner Sucht. Ich warte auf dich.“
In diesem Moment brach eine Welt für mich zusammen. Die bequeme Illusion, ich könnte beides haben, zerplatzte. Ich saß allein auf dem Sofa, high, aber plötzlich war der Rausch nicht mehr genug. Er wurde schal. Denn die Belohnung, die ihn immer begleitet hatte – ihre Anwesenheit, ihre Wärme, die Illusion von Normalität – war weg.
Das ist die eiskalte Schulter der Liebe. Sie ist nicht wirklich kalt. Sie ist die wärmste und mutigste Form der Liebe, die es gibt. Es ist die Liebe, die sagt: „Ich liebe DICH so sehr, dass ich deiner Sucht keinen Millimeter mehr von meiner Lebensenergie schenke. Ich ziehe meine Energie ab, damit du die Leere spürst. Und in dieser Leere, hoffe ich, findest du den Wunsch, zu mir zurückzukehren.“
Du bist nicht grausam, wenn du gehst. Du bist grausam, wenn du bleibst und so tust, als wäre alles in Ordnung.
Im nächsten Kapitel verbinden wir diesen Gedanken mit einer weiteren kraftvollen Strategie: dem Zulassen von natürlichen, negativen Konsequenzen.
📖 Quellen & Referenzen
- Primärquelle: Smith, J. E., & Meyers, R. J. (2023). The CRAFT Treatment Manual for Substance Use Problems: Working with Family Members. The Guilford Press. Insbesondere Kapitel 7: „Withdrawing Rewards for Using Behavior“.
- Philosophische Inspiration: Byrne, R. The Secret. Mankevich, M. Soul Master.
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