Das Einkaufen neuer Dinge kann ein aufregendes Erlebnis sein, das uns Freude bereitet und unser Selbstwertgefühl steigert. Doch für manche Menschen wird das Shoppen zu einem unkontrollierbaren Drang, der ihr Leben bestimmt und negative Konsequenzen mit sich bringt. In diesem Blogbeitrag wollen wir uns mit dem Thema Kaufsucht auseinandersetzen, die Ursachen und Symptome beleuchten und Wege aus der Sucht aufzeigen. Die Informationen in diesem Beitrag basieren auf eingehenden Recherchen in medizinischen Fachzeitschriften, psychologischen Websites und Selbsthilfegruppen.
Was ist Kaufsucht?
Kaufsucht, auch bekannt als Oniomanie oder zwanghaftes Kaufen, ist eine Verhaltensstörung, die durch einen unwiderstehlichen Drang zum Einkaufen gekennzeichnet ist. Betroffene verspüren ein starkes Verlangen nach neuen Dingen, obwohl sie diese oft weder brauchen noch sich leisten können. Das Kaufen selbst wird zum zentralen Lebensinhalt und dient dazu, negative Emotionen wie Stress, Angst oder Langeweile zu unterdrücken. Es ist wichtig zu verstehen, dass Kaufsucht zwar einige Ähnlichkeiten mit der Zwangsstörung (OCD) aufweist, aber eine eigenständige Erkrankung ist. So ähneln die zwanghaften Gedanken beim Kaufzwang zwar den Obsessionen bei OCD, unterscheiden sich aber in ihrer Ausprägung und ihren Inhalten. Auch die Kaufattacken unterscheiden sich deutlich von den ritualisierten Zwangshandlungen bei OCD.
Die eigentliche Sucht besteht im Akt des Kaufens selbst, nicht unbedingt in den erworbenen Gütern. Dies zeigt sich auch darin, dass gekaufte Gegenstände oft nicht ausgepackt, selten benutzt oder sogar versteckt (um die Sucht zu verbergen) oder weggeworfen werden. Kaufsucht kann als eine Form der nicht-stoffgebundenen Sucht, Oniomanie oder Verhaltenssucht betrachtet werden. Sie ist vergleichbar mit anderen Süchten, da sie durch einen starken Drang, Kontrollverlust, Dosissteigerung (immer mehr kaufen müssen, um den gleichen Effekt zu erzielen) und Entzugssymptome gekennzeichnet ist. Diese Entzugssymptome, wie z.B. Angstzustände und Unruhe, werden von Betroffenen oft fehlinterpretiert und als ursprüngliche Auslöser für den Kaufdrang angesehen.
Studien zeigen, dass bis zu 20% der Menschen Kaufsucht-Tendenzen aufweisen, wobei bei etwa 8% davon die Kaufsucht zu einem ernsthaften Problem wird. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen häufiger von Kaufsucht betroffen sind als Männer, obwohl andere Studien keinen signifikanten Unterschied zwischen den Geschlechtern feststellen konnten. Frauen neigen beim zwanghaften Einkaufen eher dazu, Kleidung, Schuhe, Kosmetik, Schmuck, Lebensmittel und Bücher zu kaufen, während Männer eher elektronische Geräte, Sportausrüstung und Werkzeuge kaufen.
Persönliche Geschichten
Um das Thema Kaufsucht greifbarer zu machen, möchte ich Dir drei persönliche Geschichten von Betroffenen vorstellen:
- Yvonne Reichensteiner: Die 53-jährige Frau gibt monatlich bis zu 80.000 Euro für exklusive Secondhand-Kleidung im Internet aus.
- Silvia Wanzenried: Silvia verschuldet sich, um ihre Kaufsucht zu finanzieren.
- Die Gründerin der Lindes SelbstHilfeGruppe Kaufsucht Hannover: In ihrer persönlichen Geschichte beschreibt sie ihren eigenen Kampf mit der Kaufsucht und wie sie die Selbsthilfegruppe im November 2002 gründete, um anderen Betroffenen zu helfen.
Diese Geschichten zeigen, wie die Kaufsucht das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen beeinträchtigen kann.
Symptome der Kaufsucht
Die Symptome der Kaufsucht können sich in unterschiedlicher Intensität äußern. Typische Anzeichen sind:
- Unkontrollierbarer Kaufdrang: Betroffene verspüren ein starkes Verlangen nach neuen Dingen und können dem Impuls zum Kauf kaum widerstehen.
- Einkaufen als Bewältigungsmechanismus: Das Shoppen dient dazu, negative Emotionen wie Stress, Angst, Einsamkeit oder Langeweile zu regulieren.
- Finanzielle Probleme: Durch die unkontrollierten Käufe geraten Betroffene oft in finanzielle Schwierigkeiten und verschulden sich.
- Verheimlichung und Lügen: Die Kaufsucht wird häufig vor dem sozialen Umfeld verheimlicht, was zu Lügen und Täuschungsmanövern führt.
- Schuldgefühle und Scham: Nach dem Kauf stellen sich oft Schuldgefühle und Scham ein, die jedoch den Kaufdrang nicht stoppen können.
- Konflikte mit Angehörigen: Die Kaufsucht kann zu Konflikten mit Partnern, Familie und Freunden führen.
- Vernachlässigung anderer Lebensbereiche: Betroffene vernachlässigen oft ihre Arbeit, ihre Hobbys und ihre sozialen Kontakte, da das Einkaufen im Mittelpunkt ihres Lebens steht.
- Beziehungsprobleme, Geldprobleme und Jobprobleme: Die Kaufsucht kann sich negativ auf verschiedene Lebensbereiche auswirken und zu Problemen in Beziehungen, im Beruf und mit den Finanzen führen.
- Entzugssymptome: Wenn Betroffene nicht einkaufen können, können sie negative Emotionen wie Angst, Reizbarkeit oder Unruhe erleben.
Ursachen der Kaufsucht
Die Ursachen der Kaufsucht sind vielfältig und noch nicht vollständig erforscht. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus psychologischen, neurobiologischen und sozialen Faktoren eine Rolle spielt.
Psychologische Faktoren:
- Geringes Selbstwertgefühl: Betroffene versuchen, durch den Kauf neuer Dinge ihr Selbstwertgefühl zu steigern und sich selbst aufzuwerten. Das Einkaufen wird zu einer Möglichkeit, sich selbst zu belohnen, zu trösten oder negative Gefühle zu kompensieren.
- Operante Konditionierung: Das Belohnungsgefühl beim Kauf neuer Dinge verstärkt das Kaufverhalten und führt zu einer Art Suchtkreislauf.
- Impulskontrollstörung: Betroffenen fällt es schwer, ihre Impulse zu kontrollieren und dem Kaufdrang zu widerstehen.
Neurobiologische Faktoren:
- Störungen im Belohnungssystem des Gehirns: Ähnlich wie bei anderen Suchterkrankungen kommt es bei Kaufsucht zu Veränderungen im Belohnungssystem des Gehirns, die den Kaufdrang verstärken. Dies zeigt sich auch in der Verbindung zwischen Spielsucht und Kaufsucht. Spielautomaten, die durch schnelle Spielabläufe und die hohe Wahrscheinlichkeit von „Fast-Gewinnen“ gekennzeichnet sind, können zu einer intensiven psychischen Abhängigkeit führen. Diese schnellen Belohnungszyklen aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn auf ähnliche Weise wie Kaufsucht.
Soziale Faktoren:
- Konsumgesellschaft: Die ständige Verfügbarkeit von Konsumgütern und die Werbung in den Medien fördern den Kaufdrang.
- Online-Shopping: Der einfache Zugang zu Online-Shops und die Möglichkeit, rund um die Uhr einzukaufen, erleichtern die Kaufsucht.
Arten der Kaufsucht
Obwohl es keine offizielle Klassifizierung der Kaufsucht in der Diagnostik gibt, lassen sich verschiedene Formen unterscheiden:
- Impulskäufe: Betroffene kaufen spontan und unüberlegt Dinge, die sie nicht brauchen. Dies geschieht oft aus einem plötzlichen Impuls heraus, ohne vorherige Planung oder Überlegung. Beispiele hierfür sind der Kauf von Süßigkeiten an der Kasse im Supermarkt oder das Bestellen von Artikeln im Internet, die im Moment zwar attraktiv erscheinen, aber später nicht benötigt werden.
- Zwanghaftes Einkaufen: Der Kaufdrang ist stärker ausgeprägt und wird von zwanghaften Gedanken begleitet. Betroffene planen ihre Einkäufe oft detailliert und verbringen viel Zeit damit, über den Kauf von bestimmten Dingen nachzudenken. Der Kauf selbst dient dazu, Angst oder Unruhe zu reduzieren, und wird oft als ritualisierte Handlung erlebt.
- Online-Shopping-Sucht: Betroffene kaufen überwiegend im Internet ein und verbringen viel Zeit in Online-Shops. Die Anonymität und die ständige Verfügbarkeit von Online-Shops erleichtern die Sucht. Betroffene können so ihrer Sucht nachgehen, ohne ihr Zuhause verlassen zu müssen, und geraten leicht in einen Teufelskreis aus Bestellen, Auspacken und erneutem Bestellen.
Selbsthilfe bei Kaufsucht
Wenn Du den Verdacht hast, dass Du kaufsuchtgefährdet bist oder bereits an Kaufsucht leidest, gibt es einige Maßnahmen, die Du ergreifen kannst:
- Reflektiere Dein Kaufverhalten: Führe ein Tagebuch über Deine Einkäufe und analysiere, warum Du bestimmte Dinge gekauft hast. Fragen Dich, ob Sie den Artikel wirklich gebraucht hast, ob Du ihn Dir leisten konntest und welche Emotionen Du beim Kauf empfunden hast.
- Setze Dir Limits: Lege ein Budget fest und nehme nur eine begrenzte Menge an Bargeld zum Einkaufen mit. Vermeide es, Kreditkarten oder Online-Bezahldienste zu benutzen, um Deine Ausgaben besser kontrollieren zu können.
- Vermeide Risikosituationen: Meide Geschäfte und Online-Shops, die Dich zum Kauf verleiten. Lösche Shopping-Apps von Deinem Smartphone und meide Online-Werbung, die Dich zum Kauf animieren könnte.
- Suche Unterstützung: Spreche mit Freunden oder Familienmitgliedern über Dein Problem und suche Dir Hilfe in Selbsthilfegruppen. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Dir helfen, sich verstanden zu fühlen und neue Strategien zur Bewältigung Deiner Sucht zu entwickeln.
- Vermeide 1-Klick-Käufe und Shopping-Apps: Diese Funktionen erleichtern Impulskäufe und machen es schwieriger, dem Kaufdrang zu widerstehen.
- Begrenze Deine Exposition gegenüber personalisierter Werbung: Personalisierte Werbung kann sehr effektiv sein und Dich zum Kauf von Dingen verleiten, die Du nicht brauchst.
- Setze Dir Regeln: Erstelle Dir klare Regeln für Dein Kaufverhalten, z. B. niemals etwas auf dem Smartphone kaufen oder nur zu bestimmten Zeiten einkaufen gehen.
Professionelle Hilfe bei Kaufsucht
Wenn die Selbsthilfemaßnahmen nicht ausreichen, ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Therapieformen:
- Kognitive Verhaltenstherapie: Diese Therapieform hilft Betroffenen, ihre Gedankenmuster und Verhaltensweisen zu ändern, die zur Kaufsucht führen. In der Therapie lerst Du, Deine Kaufimpulse zu erkennen, zu hinterfragen und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.
- Gruppentherapie: In der Gruppentherapie können Betroffene sich mit anderen Betroffenen austauschen und voneinander lernen. Die Gruppensitzungen dauern in der Regel 90 Minuten pro Woche. In der Gruppe werden Verhaltensanalysen durchgeführt, Auslöser von Kaufexzessen identifiziert und alternative Verhaltensweisen erarbeitet.
- Familien- und Paartherapie: Da Kaufsucht auch Auswirkungen auf das familiäre und partnerschaftliche Umfeld hat, kann eine Familien- oder Paartherapie hilfreich sein, um die Beziehungen zu stabilisieren und gemeinsam neue Wege zu finden.
Anlaufstellen:
- Suchtberatungsstellen: Suchtberatungsstellen bieten Beratung und Unterstützung für Menschen mit Kaufsucht an.
- Psychotherapeuten: Psychotherapeuten mit Spezialisierung auf Suchterkrankungen können eine individuelle Therapie anbieten.
- Spezialsprechstunden: An vielen Universitäten und psychosomatischen Kliniken gibt es Spezialsprechstunden für Verhaltenssüchte wie Kaufsucht.
- Selbsthilfegruppen: Selbsthilfegruppen bieten Betroffenen die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Über die Datenbank der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) finden Betroffene bei Eingabe des Stichworts „Kaufsucht“ und ihrem Wohnort passende Einrichtungen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die eigene Motivation für Veränderung eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Therapie spielt. Betroffene müssen bereit sein, sich mit ihrer Sucht auseinanderzusetzen und aktiv an der Veränderung ihres Verhaltens mitzuarbeiten.
Fazit
Kaufsucht ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die zu erheblichen Problemen im persönlichen, sozialen und finanziellen Bereich führen kann. Es ist wichtig, die Warnsignale frühzeitig zu erkennen und sich Hilfe zu suchen. Mit professioneller Unterstützung, Selbsthilfemaßnahmen und der richtigen Therapie können Betroffene lernen, mit ihrer Sucht umzugehen und ein erfülltes Leben ohne Kaufzwang zu führen. Vergesse nicht, dass Du nicht allein bist und es Hilfe gibt. Nutze die verfügbaren Ressourcen und suche Unterstützung bei Freunden, Familie, Selbsthilfegruppen oder professionellen Beratungsstellen.
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