Kratom: Der „legale“ Rausch aus der Grauzone & sein Opiat-Entzug

Kratom: Der „legale“ Rausch aus der Grauzone & sein Opiat-Entzug

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Hey Du, heute reden wir über eine Pflanze, die jahrelang als Geheimtipp und „legale Alternative“ zu Opioiden gehandelt wurde: Kratom (Mitragyna speciosa).

Es verspricht einen Rausch zwischen anregendem Kaffee und dämpfendem Opioid und wird oft fälschlicherweise als „natürlicher“ und „sicherer“ Ausweg aus dem Opiat-Entzug beworben. Doch die angebliche Legalität ist eine tückische Grauzone, und die Risiken einer handfesten Abhängigkeit sind real und brutal.

🌿 Was ist Kratom? Pflanze, Herkunft & Wirkstoffe

Kratom ist ein Baum aus den tropischen Wäldern Südostasiens (z.B. Thailand, Indonesien). Konsumiert werden die getrockneten und pulverisierten Blätter des Baumes – meist als Tee, in Kapseln oder einfach als Pulver mit Flüssigkeit verrührt („Toss and Wash“).

Die Wirkung kommt von einer Gruppe von Alkaloiden. Die beiden wichtigsten sind:

  • Mitragynin
  • 7-Hydroxymitragynin (deutlich potenter)

Diese beiden Stoffe sind der Grund für die einzigartige und tückische Doppelwirkung von Kratom.

☕💊 Die zweigeteilte Wirkung: Kaffee & Opioid in einer Pflanze

Kratom ist ein echtes Chamäleon. Die Wirkung ist extrem dosisabhängig:

  • In niedrigen Dosen (1-5 Gramm): Kratom wirkt hauptsächlich stimulierend. Du fühlst dich wacher, energiegeladener, gesprächiger und leicht euphorisch. Die Alkaloide wirken hier eher auf adrenerge Rezeptoren, ähnlich wie bei Koffein.
  • In hohen Dosen (über 5 Gramm): Die Wirkung kippt. Kratom wirkt jetzt sedierend, schmerzlindernd und stark euphorisierend. Die Wirkstoffe, insbesondere 7-Hydroxymitragynin, docken nun potent an die μ-Opioid-Rezeptoren im Gehirn an – genau wie Morphin oder Heroin.

Diese Doppelwirkung macht es so verlockend – am Morgen als „Kaffee-Ersatz“, am Abend als „Entspannungs-Droge“.

🧠 Neurobiologie: Ein „atypisches Opioid“ unter der Lupe

Die Wirkstoffe in Kratom, insbesondere Mitragynin und 7-Hydroxymitragynin, werden als atypische Opioide bezeichnet. Sie unterscheiden sich in wichtigen Punkten von klassischen Opioiden wie Morphin.

  • Partielle Agonisten: Sie sind „nur“ partielle Agonisten am μ-Opioid-Rezeptor. Das bedeutet, sie aktivieren den Rezeptor, aber nicht mit voller Stärke. Das erklärt, warum die schmerzlindernde Wirkung und die Euphorie oft als „sanfter“ als bei klassischen Opiaten beschrieben werden.
  • Weniger Atemdepression (aber trotzdem gefährlich!): Ein Vorteil ist, dass sie die für Opioid-Überdosen typische Atemdepression deutlich schwächer auslösen als z.B. Morphin oder Fentanyl. Das Risiko ist aber nicht null und steigt bei Mischkonsum mit anderen Downern massiv an!
  • „Schmutzige“ Pharmakologie: Neben der Opioid-Wirkung binden die Alkaloide auch an eine Vielzahl anderer Rezeptoren (u.a. adrenerge, serotonerge, dopaminerge). Diese breite, „unsaubere“ Wirkung ist für den stimulierenden Effekt bei niedrigen Dosen und für einige der unvorhersehbaren Nebenwirkungen verantwortlich.
Künstlerische Darstellung der dualen Wirkung von Kratom, die je nach Dosis stimulierend oder opioid-ähnlich sein kann.
Kratom ist ein Chamäleon: In niedrigen Dosen wirkt es wie ein Stimulans, in hohen Dosen entfaltet es seine potente, opioid-ähnliche und süchtig machende Wirkung.

⚖️ Rechtslage in Deutschland (Stand Oktober 2025): Die tückische Grauzone

Das ist die wichtigste und oft missverstandene Information: Kratom ist in Deutschland NICHT illegal im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Aber es ist auch nicht legal als Konsumprodukt.

  • Kein BtMG/NpSG: Kratom und seine Wirkstoffe sind (bisher) weder im BtMG noch im Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) gelistet. Besitz für den Eigenbedarf ist also nicht strafbar.
  • Problem Arzneimittelgesetz (AMG): Der Verkauf von Kratom für den menschlichen Konsum ist illegal, da es als nicht zugelassenes, bedenkliches Arzneimittel eingestuft wird.
  • Die Folge: Online-Shops umgehen dies, indem sie Kratom als „Räucherwerk“, „Farbpulver“ oder „botanisches Material für wissenschaftliche Zwecke“ deklarieren. Das bedeutet: Es gibt keinerlei Qualitätskontrollen, keine Reinheitsgarantie und keine Sicherheit. Du weißt nie, wie potent dein Pulver ist oder ob es mit anderen Substanzen oder Pestiziden verunreinigt ist.

⚖️ „Legal“ vs. „Sicher“: Die Gefahr der Grauzone

Der Status als unreguliertes Produkt ist keine Vorteil, sondern das größte Risiko für Konsumenten.

  • Keine Qualitätskontrolle: Niemand überprüft, was wirklich in der Packung ist. Der Wirkstoffgehalt kann zwischen verschiedenen Chargen und Anbietern extrem schwanken. Eine Dosis, die gestern mild war, kann heute eine Überdosis sein.
  • Verunreinigungen: Das Pulver kann mit Schwermetallen aus dem Boden, Pestiziden oder Schimmelpilzen kontaminiert sein. Es gab auch schon Fälle, in denen Kratom gezielt mit potenten synthetischen Opioiden gestreckt wurde.
  • Fehlende Informationen: Seriöse Medikamente haben einen Beipackzettel mit genauen Dosierungsanweisungen und Warnhinweisen. Bei Kratom aus dem Internet gibt es das nicht. Du bist auf dich allein gestellt.

Du bist bei jedem Kauf das Versuchskaninchen für ein Produkt, für das niemand die Verantwortung übernimmt.

⚠️ Die Risiken: Abhängigkeit, Entzug & Leberschäden

„Natürlich“ bedeutet nicht harmlos. Die Risiken von Kratom sind ernst und werden oft unterschätzt.

  • Abhängigkeit & Entzug: Kratom macht bei regelmäßigem Konsum körperlich und psychisch abhängig. Der Entzug ähnelt einem klassischen, sehr unangenehmen Opiat-Entzug mit Symptomen wie Gliederschmerzen, starker Unruhe, Schlaflosigkeit, Durchfall, laufender Nase und massivem Craving.
  • Leberschäden: Es gibt zunehmend Berichte über schwere, toxische Leberschäden (Hepatotoxizität) durch Kratom-Konsum, die zu Gelbsucht und Leberversagen führen können.
  • Mischkonsum: Die Kombination mit anderen dämpfenden Substanzen (Alkohol, Benzos, Opioide) ist lebensgefährlich und erhöht das Risiko eines Atemstillstands massiv.
  • Psychische Folgen: Bei hohen Dosen kann es zu Angstzuständen, Verwirrung oder Psychosen kommen.

🌅 „Der Tag Danach“: Der Kratom-Kater

Der „Kater“ nach Kratom-Konsum kann sehr unangenehm sein und ähnelt einer Mischung aus Opioid- und Stimulanzien-Nachwirkungen.

  • Starke Übelkeit & Schwindel: Sehr häufig, besonders nach höheren Dosen.
  • Kopfschmerzen & „Brain Fog“: Ein Gefühl von Benommenheit und verlangsamtem Denken.
  • Gereiztheit & Stimmungstief: Nach der euphorisierenden Wirkung kann es zu einem emotionalen Absturz kommen.
  • Beginnender Entzug: Bei abhängigen Konsumenten setzen bereits nach 12-24 Stunden die ersten Entzugserscheinungen wie Unruhe, Gähnen und eine laufende Nase ein.
Symbolische Darstellung der Abhängigkeit von Kratom, gezeigt als Ketten aus Pflanzenblättern, die eine Person fesseln.
Auch wenn es eine „natürliche“ Pflanze ist – die Abhängigkeit von Kratom ist real und der Entzug ähnelt dem von klassischen Opiaten. Die Ketten der Natur können genauso fest sein wie die von Chemie.

❤️ „Für Angehörige“: Do’s & Don’ts

Die „Natürlichkeit“ und der „legale“ Status von Kratom machen es für Angehörige oft schwer, die Gefahr richtig einzuschätzen.

  • Do’s (Das hilft wirklich):
    • Ernst nehmen: Verstehe, dass es sich um eine potentielle Opioid-Abhängigkeit handelt, auch wenn es „nur eine Pflanze“ ist.
    • Das Gespräch suchen: Sprich deine Sorgen an. „Ich habe gelesen, dass Kratom süchtig machen kann und Leberschäden verursacht. Ich mache mir Sorgen um dich.“
    • Auf professionelle Hilfe hinweisen: Ermutige die Person, mit einem Arzt oder einer Suchtberatungsstelle zu sprechen, besonders wenn es als Ersatz für andere Opiate genutzt wird.
  • Don’ts (Das macht es schlimmer):
    • Verharmlosen: „Ist doch legal und natürlich.“ Das bestärkt die Selbsttäuschung des Konsumenten.
    • Diskutieren über Legalität: Der Punkt ist nicht die rechtliche Spitzfindigkeit, sondern die gesundheitliche Gefahr.
    • Den Konsum ermöglichen: Leihe kein Geld für „Kräuter“ aus dem Internet.

💡 Gesündere Alternativen & Strategien

Kratom wird oft als „natürliche“ Lösung für Energie, Entspannung oder sogar den Opiat-Entzug missbraucht.

  • Statt der stimulierenden Wirkung:
    • Gesunde Energie-Booster: Ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Sport und ausreichend Schlaf sind die Basis. Grüner Tee oder Matcha sind gesündere koffeinhaltige Alternativen.
  • Statt der entspannenden, opioid-ähnlichen Wirkung:
    • Stressmanagement: Techniken wie Meditation, Yoga, autogenes Training oder Zeit in der Natur können das Nervensystem effektiv beruhigen.
    • Psychotherapie: Arbeite an den Ursachen für deine Anspannung und deine Fluchtimpulse.
  • Statt dem Selbst-Entzug von Opiaten:
    • Professionelle Substitutionstherapie: Ein ärztlich begleiteter Entzug oder eine Substitution (z.B. mit Methadon/Polamidon) ist der einzig sichere und erfolgversprechende Weg aus einer Opiat-Abhängigkeit.

Ausführliche FAQ

⚖️ Ist Kratom in Deutschland jetzt endgültig illegal?

✅ Nein, es befindet sich in einer rechtlichen Grauzone (Stand Oktober 2025). Es steht nicht im Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Der Verkauf zum menschlichen Konsum ist aber nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verboten. Daher wird es als „Räucherwerk“ oder „Farbstoff“ verkauft, was bedeutet, dass es keinerlei Qualitäts- oder Sicherheitskontrollen unterliegt.

⛓️ Macht Kratom wirklich so süchtig wie „echte“ Opioide?

✅ Das Suchtpotenzial ist sehr hoch. Da die Wirkstoffe an die gleichen Opioid-Rezeptoren andocken, ist auch der Entzug sehr ähnlich zu einem klassischen, wenn auch oft etwas milderen, Opiat-Entzug. Viele Menschen unterschätzen das massiv, weil es „nur eine Pflanze“ ist, und rutschen so in eine schwere körperliche und psychische Abhängigkeit.

🤔 Ist Kratom eine sichere Alternative, um von Heroin loszukommen?

❌ Davon wird dringend abgeraten. Obwohl es von vielen zur Selbstmedikation im Entzug genutzt wird, tauscht man oft nur eine unkontrollierte Abhängigkeit gegen die nächste. Der Entzug von Kratom selbst ist, wie beschrieben, ebenfalls sehr hart. Eine professionelle, ärztlich begleitete Substitutionstherapie (z.B. mit Methadon oder Buprenorphin) ist der weitaus sicherere und erfolgversprechendere Weg.

📖 Lesetipp zur Vertiefung

Dopesick von Beth Macy

Um zu verstehen, warum „sanfte“ oder „sichere“ Einstiegsopioide wie Kratom so eine Gefahr darstellen, muss man die Mechanismen der Opioid-Krise verstehen. Dieses Buch beschreibt erschütternd, wie alles mit einem als harmlos vermarkteten Schmerzmittel begann. Eine essenzielle Lektüre über die Dynamik der Opioid-Sucht.

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Darstellung des unregulierten Kratom-Marktes, bei dem der Inhalt und die Reinheit der Produkte unbekannt sind.
Die rechtliche Grauzone bedeutet, dass Kratom ein unreguliertes Produkt ist. Du weißt nie, wie stark es ist oder welche Verunreinigungen und Pestizide enthalten sind.

📚 Wissenschaftliche Quellen & Referenzen

  • Fachinformationen & Reviews:
    • European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA): Detaillierter Bericht zu Kratom (2015).
    • Prozialeck, W. C., et al. (2012). Kratom, an emerging drug of abuse and its potential to cause liver injury. Journal of the American Osteopathic Association.
  • Rechtslage:
    • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Einstufung von Kratom als bedenkliches Arzneimittel.
  • Hilfsangebote & Informationen:
    • Drugcom.de (BZgA)
    • Sucht & Drogen Hotline: 01806 31 30 31

NeelixberliN Fazit: Ein weiteres „Legal High“, das zur Falle wurde

Kratom ist ein perfektes Beispiel für den Kreislauf vieler neuer Drogen: Eine Substanz aus einer rechtlichen Grauzone wird als „sichere“, „natürliche Alternative“ gehypt, bis die Risiken, das Suchtpotenzial und die schweren Entzüge offensichtlich werden. Die Wirkung ist real, aber die Gefahr einer handfesten Opioid-Abhängigkeit und die gesundheitlichen Risiken sind es auch. Lass die Finger davon, besonders als „sichere“ Methode, um von Heroin loszukommen – du tauschst nur eine Sucht gegen die nächste.


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Über Gabriel Maetz

NeelixberliN teilt hier seine persönliche und ungefilterte Erfahrung auf dem Weg aus der Sucht. Nach Jahren der Abhängigkeit, unter anderem von Polamidon, kämpft er sich Tag für Tag zurück ins Leben. Dieser Blog ist sein persönliches Logbuch, eine Hilfe für sich selbst und hoffentlich auch eine stütze für andere, die einen ähnlichen Kampf führen.

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