Hey Du,
diese Frage ist eine der schmerzhaftesten, die man stellen kann. Es ist eine erschreckende und extrem belastende Situation, wenn der Partner, den man liebt, unter Alkoholeinfluss aggressiv und unberechenbar wird. Die Angst um die eigene Sicherheit und vor allem die der Kinder steht an erster Stelle.
Du bist mit dieser Angst nicht allein. Dieser Guide soll Dir helfen, die Situation besser zu verstehen und Dir konkrete Handlungsempfehlungen geben.
Warum Alkohol Aggressionen auslöst: Ein Blick ins Gehirn 🧠
Alkohol ist ein Nervengift, das die Hemmschwelle senkt und die Impulskontrolle lahmlegt. Schon ein oder zwei Bier können ausreichen, um die Stimmung kippen zu lassen.
- Gedämpfte Vernunft: Alkohol schaltet den präfrontalen Kortex, also die „Vernunft-Zentrale“ im Gehirn, auf Stand-by.
- Fehlinterpretation: Signale werden falsch gedeutet. Ein versehentliches Anrempeln wird zum Angriff, eine kritische Frage zur Kriegserklärung.
- Hormon-Chaos: Alkohol greift in den Serotonin-Haushalt ein, was die Wahrnehmung von Bedrohungen verzerren kann.
Zusätzlich spielen persönliche Faktoren wie eine Neigung zu Impulsivität, Stress oder andere psychische Probleme eine große Rolle.

Die größte Sorge: Was das mit deinen Kindern macht 💔
Kinder, die in einem Haushalt mit alkoholbedingter Gewalt aufwachsen, sind die Hauptleidtragenden. Sie leben in einem ständigen Klima der Angst und Unsicherheit. Die Folgen sind verheerend:
- Gestörte emotionale Entwicklung: Sie haben später oft selbst Probleme, gesunde Beziehungen zu führen und ihre Gefühle zu regulieren.
- Verhaltensauffälligkeiten: Ängste, Aggressionen, Schlafstörungen und psychosomatische Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen sind häufig.
- Schulprobleme: Konzentrationsschwierigkeiten und Lernprobleme.
- Erhöhtes Suchtrisiko: Kinder aus Suchtfamilien haben ein bis zu sechsmal höheres Risiko, später selbst eine Sucht zu entwickeln.
Es ist daher deine absolute Priorität, die Kinder aus diesen Situationen herauszuholen und zu schützen.
Dein Schutzplan: Konkrete Strategien für den Umgang
Du bist nicht verantwortlich für sein Verhalten, aber du bist verantwortlich für deine Sicherheit und die deiner Kinder.
- Rede nur im nüchternen Zustand: Spreche deine Sorgen und Gefühle an, wenn er nüchtern ist. Nutze Ich-Botschaften („Ich habe Angst, wenn du trinkst und laut wirst.“) statt Vorwürfe („Du bist immer so ein Arschloch!“).
- Setze glasklare Grenzen: Mache deutlich, was du nicht mehr tolerierst. „Wenn du heute trinkst, schlafe ich mit den Kindern bei meiner Freundin.“ Sei bei diesen Konsequenzen absolut konsequent.
- Erstelle einen Sicherheitsplan: Richte einen sicheren Rückzugsort ein (z.B. ein abschließbares Zimmer). Plane, wohin du und die Kinder im Notfall flüchten könnt. Zusatzinfo: Die NotfalltaschePacke eine Tasche mit dem Nötigsten (wichtige Dokumente in Kopie, Kleidung, Medikamente, etwas Bargeld) und deponiere sie bei einer vertrauenswürdigen Person. So kannst du jederzeit schnell gehen, ohne erst packen zu müssen.
- Hör auf, die Sucht zu unterstützen („Enabling“): Übernimm keine Verantwortung mehr für ihn. Rufe nicht bei seinem Chef an, lüge nicht für ihn, entschuldige sein Verhalten nicht. Lass ihn die vollen Konsequenzen seines Handelns spüren.
Wenn Reden nicht mehr reicht: Deine rechtlichen Möglichkeiten ⚖️
Du musst das nicht dulden. Das Gewaltschutzgesetz gibt dir starke Werkzeuge an die Hand. Du kannst beim Familiengericht Schutzanordnungen beantragen:
- Wohnungsüberlassung: Du darfst allein in der Wohnung bleiben, auch wenn sie ihm gehört.
- Betretungsverbot: Er darf die Wohnung nicht mehr betreten.
- Näherungsverbot: Er muss einen bestimmten Abstand zu dir und den Kindern halten.
- Kontaktverbot: Er darf dich nicht anrufen, keine Nachrichten schreiben etc.
Im akuten Notfall gilt immer: Ruf die Polizei unter 110! Die Polizei kann ihn für bis zu 14 Tage der Wohnung verweisen.

Du bist nicht allein: Anlaufstellen, die dir SOFORT helfen 🙏
Du musst diesen Weg nicht allein gehen. Hol dir Unterstützung für DICH!
- Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 116 016 – Rund um die Uhr, kostenlos, anonym und mehrsprachig.
- Frauenhäuser: Bieten dir und deinen Kindern Schutz und Unterkunft. Finde ein Frauenhaus über
www.frauenhauskoordinierung.de
. - Weißer Ring: Unterstützt Kriminalitätsopfer. Opfer-Telefon: 116 006.
- Selbsthilfegruppen für Angehörige:
- Al-Anon: Speziell für Angehörige von Alkoholikern. Hier lernst du, dich abzugrenzen und für dich zu sorgen.
- Nar-Anon: Für Angehörige von Drogenabhängigen.
- Lokale Sucht- oder Familienberatungsstellen: Sie beraten auch Angehörige kostenlos und vertraulich.
Fazit: Deine Sicherheit zuerst!
Alkoholbedingte Aggression ist häusliche Gewalt. Punkt. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Deine Aufgabe ist nicht, ihn zu heilen, sondern dich und deine Kinder zu schützen. Nutze die Hilfsangebote, setze klare Grenzen und sei dir bewusst: Du bist nicht allein. Hilfe zu suchen, ist das Stärkste, was du tun kannst.
Häufige Fragen (FAQ) für Angehörige
Er liebt mich doch eigentlich, er ist nur so, wenn er trinkt. Ändert er sich wieder?
Das ist der klassische Teufelskreis aus Gewalt und Reue. Im nüchternen Zustand bereut er sein Verhalten vielleicht aufrichtig. Aber der Alkohol verändert seine Persönlichkeit und senkt die Hemmschwelle immer wieder. Ohne eine professionelle Suchttherapie und eine Aufarbeitung seines Aggressionsproblems ist es extrem unwahrscheinlich, dass sich dieses Muster von allein ändert.
Ich habe Angst, die Polizei zu rufen, weil ich ihn nicht ins Gefängnis bringen will. Was soll ich tun?
Deine Sicherheit und die deiner Kinder haben absolute Priorität. Ein Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt führt nicht automatisch zu einer Haftstrafe. Die Polizei kann eine Wegweisung aus der Wohnung für bis zu 14 Tage aussprechen. Das gibt dir Zeit und Raum, dich in Sicherheit zu bringen und weitere Schritte (z.B. beim Familiengericht) zu planen. Es ist ein Akt des Selbstschutzes, kein Verrat.
Was sind die „Drei K’s“ der Co-Abhängigkeit, von denen man oft hört?
Das ist eine wichtige Eselsbrücke aus Selbsthilfegruppen für Angehörige. Sie steht für: 1. Krankheit: Du hast die Sucht nicht verursacht (you didn’t cause it). 2. Kontrolle: Du kannst die Sucht nicht kontrollieren (you can’t control it). 3. Kurieren: Du kannst die Sucht nicht heilen (you can’t cure it). Dies hilft, die eigene Machtlosigkeit über die Sucht des anderen zu akzeptieren und sich auf das zu konzentrieren, was man kontrollieren kann: das eigene Verhalten und die eigene Sicherheit.
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