Tagebuch eines Rückfalls: Der Kampf um einen neuen Tag 1

Tagebuch eines Rückfalls: Der Kampf um einen neuen Tag 1


Ca. 3 Uhr nachts. Guten Abend Berlin, guten Abend an den Rest der Welt.

Ich schreibe jetzt, mitten in der Nacht, weil ich wieder und weiterhin offen über meinen Verlauf schreiben möchte, um Euch quasi live teilhaben zu lassen. Vor ca. 6 Stunden ging es mir noch richtig schlecht.

Ich hatte den ganzen Rest, den ich an Genussmitteln da hatte, in diesem Fall Pregabalin und den letzten Joint, auf einmal konsumiert. Völlig krank und irre, aber wegwerfen ging nicht. Ich brauchte das Ritual. Das Ergebnis: Innerhalb von ca. 24 Stunden insgesamt über 30 x 300er Pregabalin, also Lyrica, Alkohol und Cannabis.

Ich glaube, ich hatte meinen Körper noch nie so wenig unter Kontrolle. Ich habe gezittert und gewackelt wie ein 90 Jahre alter Mann mit Parkinson. Ich spüre es jetzt auch noch ein wenig, aber schon wesentlich besser.

Ich bin wieder ganz am Anfang, aber habe die Motivation, diesmal aus den Fehlern zu lernen und es anders anzugehen.

Der Kampf im Kopf: Zwischen Zwang, Rückfall & Selbstmedikation

Die Nacht war die Hölle.

Der Such-Zwang: Ich wusste, irgendwo lag noch eine kleine 1-mg-Rohypnol-Tablette vom Kotti. Obwohl mein Körper kraftlos zitterte, habe ich stundenlang alles abgesucht. Ich wollte nicht mehr suchen, aber mein innerlicher Hyde hat mich immer wieder dazu gezwungen.

Der Verhaltens-Rückfall: Eine alte, ebenfalls suchtkranke Freundin schrieb mir immer wieder. Ich hatte ihr gesagt, dass ich im Entzug bin. Aber sie ignorierte es und bot mir Quetiapin an. Kurz bevor sie kam, was finde ich am Boden? Meine kleine grüne Rohypnol. Dann kam die Tasche durchs Fenster geflogen, voll mit Quetiapin, Dominal und Paroxetin.

Die Entscheidung des Süchtigen: Ich musste mich entscheiden. Die „harmlose“ 50mg Quetiapin oder die 1mg Rohypnol? Ich bin ein Süchtiger durch und durch. Ich habe natürlich die Rupi gewählt. Mein Hyde wollte sie. Und ja, sie hat mich weggehauen.


Ein Foto eines chaotischen Zimmers bei Nacht. Ein Laptop leuchtet, daneben liegen leere Blister-Packungen, ein Aschenbecher, eine leere Flasche. Die Szene ist düster und ungeschönt. "nach dem Rückfall", "chaotisches Leben Sucht", "Tiefpunkt"

Die Arbeit als Rettungsanker & die Realität der Suchthilfe

Um ca. 2 Uhr war ich wieder wach. Und dann juckte mich meine nächste Verhaltenssucht: die Arbeit. Aber sie ist anders. Sie schadet mir nicht, im Gegenteil, sie hilft mir und auch anderen. Ohne sie würde mir die Decke auf den Kopf fallen. Die Arbeit an NeelixberliN.de ist nicht nur eine Arbeitssucht, sie ist mein größter Skill.

In diesem Zustand habe ich noch die Anfrage einer verzweifelten Mutter bearbeitet. Ihre erste Reaktion? Nichts. Kein Danke. So ist das oft in der Suchthilfe. Ehrenamtliche Hilfe wird gern genommen, aber ein Danke kommt selten. Gerade digital ist es extrem. Oft schämen sich Betroffene oder Angehörige und wollen nicht zeigen, dass sie sich mit den Themen beschäftigen. Daher auch kein Like, Teilen oder Sonstiges.

Aber auch Neid oder Missgunst von anderen aus der Suchthilfe kommen hinzu. Obwohl sie fast alle ehrenamtlich arbeiten, haben sie oft ein Kampfgefühl in sich. Nur ihre Arbeit ist gut und unterstützenswert. Dabei könnte man zusammen viel mehr erreichen. Viele sollten sich fragen: Worum geht es mir hier eigentlich? Um Fame und Follower, oder darum, andere zu erreichen, die Hilfe benötigen? Viele wehren sich auch gegen meine neue SEO-AI-Strategie und wollen sie nicht unterstützen. Sie wehren sich gegen diese neue Technik wie damals andere bei der E-Mail. Dachten alle, das braucht man nicht, aber heute ist sie nicht mehr wegzudenken. Genauso wird es mit AI passieren.

Aber für mich ist es im Grunde nicht wichtig. Meine Arbeit mache ich hauptsächlich für mich, und die Community schreibt mir ja privat. Das gibt mir Kraft.

Nachtrag, 3:30 Uhr: Die Mutter hat mir gerade geschrieben und sich bedankt. Es gibt also doch noch Anerkennung. Und Dankbarkeit ist eines der wichtigsten Themen.

Die harte Realität: Warum ich nicht in die Notaufnahme gehe

Und zuletzt dann der Fehler mit der Selbstmedikation. Mein Zustand mit der Überdosis von über 30 x 300er Lyrica und anderen Dingen war aber sicher ein Fall für die Notaufnahme. Ich wackel ja jetzt noch wie ein Irrer.

Aber ich laufe auf keinen Fall dorthin, weil ich weiß, dass ich von dort direkt wieder auf der Entzugsstation lande, die für mich nach meinen letzten negativen Erfahrungen keine Option mehr ist. Ich bin gespannt, wie es mir in 24 Stunden geht und ob schlimme Entzugserscheinungen auf mich warten.


Ein einzelner, grüner Setzling, der durch einen dunklen, rissigen Betonboden bricht. Symbolisiert Hoffnung und den Willen, selbst unter den härtesten Bedingungen neu anzufangen. "Neuanfang nach Rückfall", "Hoffnung in der Recovery", "wieder aufstehen"

Der Plan für den Neuanfang: Tag 1, Version X

So, wie geht es jetzt weiter? Ich fühle mich langsam besser. Der letzte Rest ist aufgebraucht. Der Schlussstrich ist gezogen. Ich starte jetzt wieder richtig neu, clean, ohne Drogen und illegale Stoffe wie Lyrica oder Rohypnol.

Es wird sicher hart die ersten Tage, aber ich kenne das ja schon und werde das schaffen. Ich werde mir gleich einen Plan aufschreiben. 3 Punkte, die ich erledigen muss. Wohnung aufräumen wird definitiv draufstehen. Es ist unglaublich, was für ein Ferkel ich im Konsum bin.

Ich lasse Dich als Leser also wieder wie von früher gewohnt, täglich an meiner Arbeit zum Clean-Bleiben teilhaben. Meinen Hürden, Rückschlägen und Erfolgen.

Danke für Deine Zeit in diesem Artikel. Das gibt mir Motivation und Kraft.


Häufige Fragen (FAQ) zum Thema Rückfall & Neuanfang


Warum ist es so schwer, Drogen einfach wegzuwerfen, auch wenn man aufhören will?

Das ist ein klassisches Symptom der Sucht. Das „Sucht-Gehirn“ hat eine irrationale Angst vor dem Mangel und dem kommenden Entzug. Der Gedanke, die Substanz zu „verschwenden“, ist für den süchtigen Teil des Gehirns unerträglich. Viele Betroffene brauchen diesen rituellen „letzten Konsum“, um sich mental auf den schweren Weg des Entzugs vorzubereiten und einen klaren Schlusspunkt zu setzen.

Ist ein Rückfall ein Zeichen, dass ich es nie schaffen werde?

Nein, absolut nicht. Sucht ist eine chronische Krankheit mit Rückfällen. Ein Rückfall ist kein moralisches Versagen, sondern ein Teil der Krankheit und eine harte, aber wichtige Lektion. Das Wichtigste ist nicht, dass du gefallen bist, sondern dass du wieder aufstehst und analysierst, was zum Rückfall geführt hat, um es beim nächsten Mal besser zu machen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Substanz-Rückfall und einem Verhaltens-Rückfall?

Ein Substanz-Rückfall ist der tatsächliche Konsum der Droge. Ein Verhaltens-Rückfall bedeutet, dass man zwar (noch) nicht konsumiert, aber in alte, sucht-assoziierte Verhaltensweisen zurückfällt. Das kann das Kontaktieren von Dealern, das Horten von Substanzen für andere oder das zwanghafte Suchen sein, wie im Artikel beschrieben. Es ist ein extrem gefährliches Warnsignal, weil es die Tür für den Substanz-Rückfall weit aufstößt.


Über Gabriel Maetz

NeelixberliN teilt hier seine persönliche und ungefilterte Erfahrung auf dem Weg aus der Sucht. Nach Jahren der Abhängigkeit, unter anderem von Polamidon, kämpft er sich Tag für Tag zurück ins Leben. Dieser Blog ist sein persönliches Logbuch, eine Hilfe für sich selbst und hoffentlich auch eine stütze für andere, die einen ähnlichen Kampf führen.

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