Quetiapin (Seroquel®): Der „Comedown-Killer“ mit brutalen Nebenwirkungen

Quetiapin (Seroquel®): Der „Comedown-Killer“ mit brutalen Nebenwirkungen

Umfassendes Drogenlexikon von NeelixberliN – Wissenschaftlich fundiert, ehrlich und aktuell

🎬 Video-Version

🎧 Podcast-Version


Hey Du, heute reden wir über eine Pille, die in der Psychiatrie zur Behandlung von Schizophrenie und bipolaren Störungen eingesetzt wird, aber in der Drogenszene einen ganz anderen Ruf hat: Quetiapin, besser bekannt unter dem Markennamen Seroquel®.

In der Szene wird es als „Quell“, „Koma-Keule“ oder zynisch als „Baby-Heroin“ gehandelt. Es ist das Mittel der Wahl, um nach einem Speed-, Koks- oder MDMA-Trip „runterzukommen“, die Paranoia auszuschalten und endlich schlafen zu können. Aber dieses vermeintlich harmlose Schlafmittel ist ein potentes Antipsychotikum mit einem heftigen und oft unterschätzten Risikoprofil.

🧠 Was ist Quetiapin? Antipsychotikum, kein Schlafmittel

Quetiapin ist ein atypisches Antipsychotikum (Neuroleptikum) der zweiten Generation. Seine Hauptaufgabe ist es, die Aktivität der Neurotransmitter Dopamin (am D2-Rezeptor) und Serotonin (am 5-HT2A-Rezeptor) im Gehirn zu blockieren. Das hilft, die „Positivsymptome“ einer Psychose (Wahn, Halluzinationen) oder einer Manie zu kontrollieren.

Seine extrem stark sedierende (beruhigende und schlaffördernde) Wirkung, für die es missbraucht wird, kommt aber von einer anderen Eigenschaft: Es ist ein extrem potenter Histamin-H1-Rezeptor-Antagonist. Einfach gesagt: Es wirkt wie eine extrem starke Allergie- oder Schlaftablette, die dich zuverlässig ausschaltet.

🧠 Neurobiologie: Eine „schmutzige Droge“ mit Breitenwirkung

In der Pharmakologie nennt man Substanzen wie Quetiapin eine „dirty drug“ (schmutzige Droge). Das ist nicht wertend gemeint, sondern beschreibt, dass es nicht an einen einzigen, sauberen Rezeptor bindet, sondern an eine Vielzahl von Andockstellen im Gehirn – mit entsprechend breiten und teils unerwünschten Wirkungen.

  • Antipsychotische Wirkung: Blockade von Dopamin-D2- und Serotonin-5-HT2A-Rezeptoren. Das dämpft Wahn und Halluzinationen.
  • Antidepressive Wirkung: Blockade von Serotonin-5-HT2C-Rezeptoren und Wirkung als Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (durch seinen Metaboliten Norquetiapin).
  • Sedierende Wirkung (der „Knock-out“): Extrem starke und langanhaltende Blockade der Histamin-H1-Rezeptoren. Dies ist derselbe Mechanismus wie bei alten Allergiemitteln (z.B. Diphenhydramin), nur um ein Vielfaches stärker. Das macht dich müde.
  • Nebenwirkungen (u.a.): Blockade von adrenergen α1-Rezeptoren (führt zu Schwindel und Blutdruckabfall) und muskarinischen M1-Rezeptoren (führt zu Mundtrockenheit und Verstopfung).
Künstlerische Darstellung der sedierenden Wirkung von Quetiapin (Seroquel), das die Überstimulation nach dem Drogenkonsum "ausschaltet".
Quetiapin wirkt wie ein Hauptschalter im Gehirn. Es blockiert mehrere Rezeptoren gleichzeitig und beendet so den „Lärm“ eines Stimulanzien-Comedowns abrupt und effektiv.

💊 Missbrauch in der Szene: Warum „Quell“ so beliebt ist

Quetiapin macht nicht „high“ im klassischen Sinne. Es erzeugt keine Euphorie. Sein Missbrauch hat andere, pragmatische Gründe:

  • Der „Comedown-Killer“: Das ist der Hauptgrund. Der Absturz nach dem Konsum von Uppern (Koks, Speed, MDMA) ist oft von quälender Schlaflosigkeit, Paranoia, Angst und Unruhe geprägt. Quetiapin beendet diesen Zustand zuverlässig und schnell.
  • Der „Benzo-Ersatz“ & Schlafgarant: Da Benzodiazepine immer schwerer zu bekommen sind, weichen viele auf das leichter erhältliche Quetiapin aus. Ich selbst bekam es damals während meiner Substitution gegen die Depressionen viel zu einfach verschrieben – ich musste dem Arzt nur sagen, dass es mir hilft. Gerade die unretardierten Tabletten, am besten in Kombination mit Alkohol oder Gras, waren für mich immer der garantierte „Hammer auf den Kopf“. Nach 20 Minuten war das Licht aus und ich konnte schlafen wie ein Baby – ein Effekt, der für viele Süchtige unbezahlbar scheint, aber irgendwann durch Toleranz nachlässt.
  • Der „Opioid-Verstärker“: Manche User nutzen die sedierende Wirkung, um den Rausch von Opioiden wie Heroin oder Methadon zu verstärken, was extrem gefährlich ist.

metabolic Das Metabolische Syndrom: Die Zeitbombe für deinen Körper

Die gefährlichste Langzeitfolge vieler atypischer Antipsychotika, und insbesondere von Quetiapin, ist die Entwicklung eines Metabolischen Syndroms. Das ist keine einzelne Krankheit, sondern ein Cluster von lebensgefährlichen Risikofaktoren.

  • Massive Gewichtszunahme: Quetiapin steigert durch die H1- und 5-HT2C-Blockade den Appetit, insbesondere auf Kohlenhydrate, und verlangsamt gleichzeitig den Stoffwechsel.
  • Aus der Praxis: Der Effekt ist kein Mythos. Ich habe durch die nächtlichen Fressattacken unter Quetiapin selbst innerhalb von nur 3 Monaten 30 Kilo zugenommen. Das löste die nächsten Depressionen aus, weil ich unter der Dusche meinen ‚Piephahn‘ nicht mehr sehen konnte. Genauso schnell, wie ich zugenommen hatte, habe ich die 30 Kilo nach dem Absetzen wieder abgenommen. Für mich wurde dieses schnelle Zu- und Abnehmen zeitweise zur perversen Lösung, um nicht zu dünn zu wirken.
  • Insulinresistenz & Diabetes: Der Wirkstoff stört direkt die Fähigkeit der Körperzellen, auf Insulin zu reagieren. Der Blutzuckerspiegel steigt an, was zur Entwicklung eines manifesten Typ-2-Diabetes führen kann.
  • Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung): Quetiapin erhöht die Werte von schädlichem LDL-Cholesterin und Triglyceriden im Blut.
  • Die Folge: Diese drei Faktoren zusammen erhöhen das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Fettleber massiv. Bei unkontrolliertem Gebrauch ohne ärztliche Blutwert-Überwachung ist dies ein Spiel mit dem Leben.

⚠️ Die brutalen Nebenwirkungen – Von Diabetes bis zum „Zombie-Modus“

Nur weil es kein klassisches Rauschmittel ist, ist es nicht harmlos. Die Nebenwirkungen, besonders bei regelmäßigem, unkontrolliertem Konsum, sind gravierend und zerstören den Körper schleichend.

Symbolische Darstellung des metabolischen Syndroms durch Quetiapin, bei dem der Stoffwechsel für Zucker und Fett aus dem Gleichgewicht gerät.
Die größte Langzeitgefahr von Quetiapin: Es greift massiv in den Stoffwechsel ein und kann zu extremer Gewichtszunahme und Typ-2-Diabetes führen.
  • Der „Seroquel-Hangover“: Extreme Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel und ein Gefühl wie im Nebel („Brain Fog“) am Tag nach der Einnahme. Die Leistungsfähigkeit ist massiv eingeschränkt.
  • Herz-Kreislauf-Probleme: Schwindel durch orthostatische Hypotonie (Blutdruckabfall beim Aufstehen), Herzrasen und – in seltenen Fällen, aber lebensgefährlich – Herzrhythmusstörungen durch eine Verlängerung der QT-Zeit. Das Risiko steigt bei Mischkonsum.
  • Tardive Dyskinesien (Spätdyskinesien): Seltene, aber potenziell irreversible Bewegungsstörungen mit unwillkürlichen Zuckungen und Bewegungen, besonders im Gesichts- und Mundbereich (Schmatzen, Zungenbewegungen).
  • Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS): Eine sehr seltene, aber lebensgefährliche Reaktion auf Antipsychotika mit Fieber, Muskelstarre und Bewusstseinsstörungen. Ein absoluter Notfall!

🌅 „Der Tag Danach“: Der Seroquel-Hangover

Die sedierende Wirkung, die am Abend so erwünscht ist, wird am nächsten Morgen oft zum Fluch. Dieser „Hangover“ ist eine der häufigsten Nebenwirkungen.

  • Extreme Sedierung: Quetiapin hat eine Halbwertszeit von ca. 6-7 Stunden, sein aktiver Metabolit Norquetiapin sogar 12 Stunden. Die Substanz wirkt also auch nach dem Aufwachen noch stark im Gehirn.
  • „Brain Fog“: Die starke Blockade von Histamin- und anderen Rezeptoren führt zu Benommenheit, Konzentrationsstörungen und dem Gefühl, nicht klar denken zu können.
  • Antriebslosigkeit: Die Dopamin-Blockade kann zu einer starken Antriebs- und Motivationslosigkeit führen. Alles fühlt sich anstrengend an.
  • Gefahr im Alltag: In diesem Zustand Auto zu fahren, Maschinen zu bedienen oder zur Arbeit/Uni zu gehen ist nicht nur unproduktiv, sondern auch gefährlich. Die Unfallgefahr ist stark erhöht.

❤️ „Für Angehörige“: Do’s & Don’ts

Wenn du merkst, dass ein Freund oder Partner Quetiapin missbraucht, um „runterzukommen“, ist das verwirrend, weil es keine klassische „High“-Droge ist.

  • Do’s (Das hilft wirklich):
    • Das Muster ansprechen: Sprich nicht über die Pille, sondern über das Verhalten: „Mir fällt auf, dass du nach jeder Party-Nacht am nächsten Tag komplett weggetreten bist. Ich mache mir Sorgen.“
    • Risiken aufzeigen: Informiere die Person (ohne Vorwurf) über die spezifischen Risiken wie Diabetes und Gewichtszunahme. Viele kennen diese nicht.
    • Alternativen thematisieren: Frage, warum die Person das Mittel braucht. „Was macht dir am Runterkommen so zu schaffen? Lass uns mal überlegen, was sonst noch helfen könnte.“
  • Don’ts (Das macht es schlimmer):
    • Verharmlosen: „Ist ja nur eine Schlaftablette.“ Das bestärkt die falsche Annahme. Es ist ein potentes Antipsychotikum.
    • Den Konsum ermöglichen: Leihe kein Geld, wenn du vermutest, es wird für Drogen (egal ob Upper oder die „Downer“ danach) ausgegeben.
    • Die Ursache ignorieren: Der Quetiapin-Missbrauch ist nur ein Symptom. Das eigentliche Problem ist der unkontrollierte Konsum von Stimulanzien.

💡 Gesündere Alternativen & Strategien

Der „Comedown“ nach Stimulanzien-Konsum ist die Hölle. Aber es gibt gesündere Wege, damit umzugehen, als die chemische Keule auszupacken.

  • Zur Beruhigung und gegen Angst/Paranoia:
    • Atemübungen: Langes, tiefes Ausatmen (z.B. 4-7-8 Technik) aktiviert den Parasympathikus und beruhigt das Nervensystem.
    • Sichere Umgebung (Setting): Ein ruhiger Raum, gedimmtes Licht, beruhigende Musik oder ein Film können helfen, die Reizüberflutung zu beenden.
    • CBD (Cannabidiol): Wirkt im Gegensatz zu THC nicht psychoaktiv, hat aber nachweislich angstlösende und antipsychotische Eigenschaften und kann beim Runterkommen helfen.
  • Zum Schlafen:
    • Akzeptanz: Manchmal ist es besser zu akzeptieren, dass der Schlaf erst in ein paar Stunden kommt, anstatt in Panik zu verfallen.
    • Pflanzliche Mittel: Baldrian, Melisse oder Passionsblume können eine sanfte Unterstützung sein.
    • Melatonin: Das körpereigene Schlafhormon als Supplement kann helfen, den Schlaf-Wach-Rhythmus wiederzufinden.

Wichtig: Das beste Mittel gegen einen harten Comedown ist, vorher weniger zu konsumieren und Konsumpausen einzulegen.

Ausführliche FAQ

😵 Kann man von Quetiapin „high“ werden?

Nicht im klassischen Sinne. Quetiapin erzeugt keine Euphorie wie Kokain oder MDMA. Die missbräuchliche Nutzung zielt auf die extrem stark sedierende, beruhigende und angstlösende Wirkung ab. Das Gefühl ist eher ein „Ausgeschaltet-Sein“ oder ein „Watte-Gefühl“, kein Rausch. Viele empfinden den Zustand als unangenehm („Zombie-Modus“).

🤔 Ist Quetiapin eine sichere Alternative zu Benzodiazepinen zum Schlafen?

Nein. Obwohl es nicht das gleiche klassische Abhängigkeitspotenzial wie Benzodiazepine hat, ist es aufgrund seines massiven Nebenwirkungsprofils (Gewichtszunahme, Diabetes-Risiko, Herzprobleme) keine geeignete oder „sichere“ Schlaftablette für den Off-Label-Use. Es sollte nur für seine zugelassenen Indikationen unter strenger ärztlicher Aufsicht verwendet werden.

⛓️ Macht Quetiapin süchtig?

✅ Es macht nicht süchtig im Sinne eines Dopamin-getriebenen Cravings wie bei Stimulanzien oder Opioiden. Es kann aber zu einer starken psychischen Abhängigkeit führen, wenn man lernt, es als einzige „Krücke“ zum Schlafen oder zum Umgang mit Angst und „Comedowns“ zu benutzen. Der Körper gewöhnt sich ebenfalls an die Substanz, und ein abruptes Absetzen kann zu unangenehmen Absetzerscheinungen (wie Schlafstörungen und Unruhe) führen.

Retard vs. unretardiert – Was ist der Unterschied?

Unretardierte Tabletten (IR – Immediate Release) setzen den Wirkstoff sofort frei und fluten schnell an. Sie werden in der Szene bevorzugt, um einen schnellen sedierenden Effekt zu erzielen. Retardtabletten (XR – Extended Release) geben den Wirkstoff über viele Stunden langsam und gleichmäßig ab. Sie sind für die psychiatrische Dauerbehandlung gedacht und haben einen weniger ausgeprägten „Knock-out“-Effekt.

Symbolische Darstellung des "Seroquel-Hangovers", bei dem sich der Kopf am nächsten Tag wie in einem dichten Nebel anfühlt.
Der „Seroquel-Hangover“ ist real. Die starke sedierende Wirkung hält oft bis weit in den nächsten Tag an und führt zu extremer Müdigkeit und Benommenheit.

📚 Wissenschaftliche Quellen & Referenzen

  • Arzneimittel-Fachinformationen:
    • Fachinformation zu Seroquel®, Gelbe Liste / Rote Liste.
  • Studien zum metabolischen Syndrom:
    • Hasnain, M., et al. (2014). Weight gain and glucose dysregulation with second-generation antipsychotics and antidepressants. Journal of psychopharmacology.
  • Leitlinien zur Behandlung:
    • S3-Leitlinie „Schizophrenie“ und „Bipolare Störungen“ der DGPPN.
  • Hilfsangebote & Informationen:
    • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS)
    • Drugcom.de (BZgA)

NeelixberliN Fazit: Die Pausentaste mit dem hohen Preis

Quetiapin ist in der Szene der unangefochtene König der Comedown-Killer. Ich habe es selbst jahrelang genau so missbraucht: perfekt, um nach tagelangem Wachsein auf Amphetamin für ein paar Stunden das Licht auszumachen, nur um direkt danach mit dem Speed weiterzumachen.

Was man dabei vergisst: Das Zeug ist ja noch nicht aus dem Körper raus. Man erzeugt einen brandgefährlichen „Cocktail-Effekt“ – ähnlich wie bei Heroin und Kokain zusammen, nur eben nicht so krass euphorisierend. Der Körper wird gleichzeitig massiv gedämpft und aufgeputscht, ein absoluter Schock für das Herz-Kreislauf-System.

Die kurzfristige Ruhe, der „Hammer auf den Kopf“, wird mit langfristigen, schweren gesundheitlichen Risiken bezahlt. Es ist ein mächtiges psychiatrisches Werkzeug, aber als Lifestyle-Pille für den Drogenalltag eine tickende Zeitbombe.


Buy Me A Coffee Widget
✨ Gabriel finanziert und erstellt NeelixberliN ganz allein • Um das Projekt weiter auszubauen und die Kosten zu decken, freut er sich über jede Unterstützung • Jeder Euro hilft dabei, noch coolere Inhalte zu erstellen! 💪

Kauf mir einen Kaffee!

Unterstütze meine Arbeit und hilf mir dabei, weiterhin großartige Inhalte zu erstellen.

Oder per Kryptowährung:
💸 Keine Kohle? Macht nichts!
Du kannst mich auch mit teilen, liken und folgen auf Social Media unterstützen:

Überweisungsdetails

Empfänger:

IBAN:

BIC:

Bank:

Betrag:

Verwendungszweck:

Bitte sende nur die entsprechende Kryptowährung an diese Adresse.

Über Gabriel Maetz

NeelixberliN teilt hier seine persönliche und ungefilterte Erfahrung auf dem Weg aus der Sucht. Nach Jahren der Abhängigkeit, unter anderem von Polamidon, kämpft er sich Tag für Tag zurück ins Leben. Dieser Blog ist sein persönliches Logbuch, eine Hilfe für sich selbst und hoffentlich auch eine stütze für andere, die einen ähnlichen Kampf führen.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Navigation