Sucht & Prokrastination: Warum du alles aufschiebst (und es nicht nur Faulheit ist)

Sucht & Prokrastination: Warum du alles aufschiebst (und es nicht nur Faulheit ist)


Hey Du,

der Brief vom Amt liegt seit Wochen ungeöffnet auf dem Tisch. Der Anruf bei der Beratungsstelle? „Mache ich morgen.“ Die Wäsche? Stapelt sich. Du weißt, du müsstest es tun, aber es geht einfach nicht. Stattdessen scrollst du stundenlang durchs Handy.

Wenn dir das bekannt vorkommt, bist du nicht allein. Prokrastination – das chronische Aufschieben – ist der heimliche, quälende Begleiter vieler Suchterkrankungen. Aber es ist keine Faulheit. Es ist ein Symptom.

Was ist Prokrastination? Mehr als nur „keinen Bock haben“ 🥱

Faulheit bedeutet, keine Lust zu haben und nichts zu tun. Prokrastination ist ein aktiver Prozess: Du entscheidest dich, eine wichtige, aber unangenehme Aufgabe zu meiden und stattdessen eine andere, oft sinnlose Tätigkeit zu tun, um dem negativen Gefühl zu entkommen.

Es geht nicht um die Aufgabe selbst, sondern um die Gefühle, die sie auslöst – Angst, Überforderung, Langeweile, Selbstzweifel.


Eine stilisierte Grafik einer Person, die vor einem großen, bedrohlichen Berg aus Papieren und Aufgaben ("To-Do Berg") steht. Statt den Berg zu erklimmen, dreht sich die Person um und beschäftigt sich mit einem kleinen, leuchtenden Smartphone. "Prokrastination erklärt", "Aufschieben von Aufgaben", "Vermeidungsverhalten"

Das Gehirn auf Aufschub: Die Dopamin-Falle & der schwache „Chef“ 🧠

Der Zusammenhang zwischen Sucht und Prokrastination ist tief in unserer Gehirnchemie verankert.

  • Die Dopamin-Falle: Dein Gehirn ist auf schnelle Belohnung getrimmt. Eine schwierige Aufgabe verspricht eine Belohnung erst in ferner Zukunft. Eine schnelle Ablenkung (zocken, Social Media) gibt dir sofort einen kleinen Dopamin-Kick. Dein süchtiges Gehirn wählt immer den einfacheren Weg.
  • Der schwache „Chef“: Die Sucht beeinträchtigt den präfrontalen Kortex – den „CEO“ deines Gehirns, der für Planung und Impulskontrolle zuständig ist. Wenn der Chef geschwächt ist, übernimmt das impulsive Belohnungssystem das Steuer.

Den Kreislauf durchbrechen: 4 konkrete Anti-Aufschub-Hacks 💪

Du bist dem nicht hilflos ausgeliefert.

  1. Die 2-Minuten-Regel: Nimm dir vor, eine Aufgabe nur für zwei Minuten zu beginnen. Den Brief nur öffnen. Die erste Zeile der E-Mail schreiben. Der schwerste Schritt ist immer der Anfang.
  2. Aufgaben zerlegen: Ein riesiger Aufgabenberg lähmt. Zerlege ihn in winzige, konkrete Schritte. Nicht „Wohnung aufräumen“, sondern „Müll aus dem Wohnzimmer in den Müllsack packen“.
  3. Temptation Bundling (Versuchungs-Kopplung): Verbinde eine unangenehme Aufgabe mit etwas, das du gerne tust. „Ich darf meinen Lieblingspodcast nur hören, während ich die Wäsche aufhänge.“
  4. Selbstmitgefühl statt Selbsthass: Du hast es heute nicht geschafft? Okay. Kein Grund, dich selbst fertig zu machen. Morgen ist ein neuer Tag.

Eine Grafik, die ein Gehirn als Firma zeigt. Der "Chef" (Präfrontaler Kortex) sitzt in seinem Büro, ist aber gefesselt oder schläft. Im Großraumbüro darunter feiert das "Belohnungssystem" eine wilde Party. "Dopamin und Prokrastination", "präfrontaler Kortex", "Impulskontrolle"

Fazit: Sei nachsichtig, aber fang an.

Prokrastination in der Sucht ist keine Faulheit, sondern ein tief verankertes Symptom. Der Weg hinaus ist, diesen Mechanismus zu verstehen, nachsichtig mit dir zu sein, aber trotzdem den allerersten, winzig kleinen Schritt zu tun. Du musst nicht heute den ganzen Berg erklimmen. Es reicht, den ersten Stein aus dem Weg zu räumen.


Weiterführende Buchtipps

Wenn Du tiefer in dieses Thema eintauchen möchtest, kann ich Dir diese beiden Bücher wärmstens empfehlen:

Das Prokrastinator Handbuch von Sven O. Barthel**

17 sichere und einfache Methoden gegen Prokrastination und chronisches Aufschieben

Dopamin und Produktivität von Duke Hardy**

Wie du Motivation steigerst, Fokus gewinnst und Aufschieberitis überwindest

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Häufige Fragen (FAQ) zum Thema Sucht & Prokrastination

Ist Prokrastination eine Form von Faulheit?

Nein. Faulheit ist, wenn man keine Motivation hat und sich damit abfindet. Prokrastination ist ein aktiver Vermeidungs-Prozess. Du weißt, dass du etwas tun solltest, aber es fühlt sich so unangenehm an (aus Angst, Überforderung etc.), dass du dich aktiv für eine andere, leichtere Tätigkeit entscheidest. Das ist oft mit massivem Stress und Schuldgefühlen verbunden.

Wie hängt Prokrastination mit meinem Suchtmittel zusammen?

Sie werden vom gleichen System im Gehirn angetrieben: dem Wunsch nach schneller, sofortiger Belohnung und der Vermeidung von Unangenehmem. Dein auf schnelle Dopamin-Kicks trainiertes Gehirn hat „verlernt“, auf die spätere, größere Belohnung einer erledigten Aufgabe zu warten. Es wählt immer den einfachsten Weg – sei es die Droge oder die Ablenkung durch Social Media.

Was ist der kleinste erste Schritt, den ich heute tun kann, um mit dem Aufschieben aufzuhören?

Wende die 2-Minuten-Regel an. Suche dir die eine, am längsten aufgeschobene Aufgabe (z.B. der Brief vom Amt). Stelle einen Timer auf zwei Minuten und verpflichte dich, nur diese zwei Minuten daran zu arbeiten. Du musst den Brief nicht beantworten. Nur öffnen und lesen. Mehr nicht. Dieser winzige erste Schritt durchbricht die Lähmung.


Über den Autor: NeelixberliN

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