Frauen & Sucht in den Wechseljahren: Die übersehene Krise

Frauen & Sucht in den Wechseljahren: Die übersehene Krise

Ein Artikel aus der „Frauen & Sucht“-Serie von NeelixberliN

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Trigger-Warnung: Dieser Artikel behandelt die Themen Sucht im mittleren Lebensalter, Wechseljahre (Menopause), Depression, Angst und hormonelle Veränderungen.


Nach 28 Sucht & Jahren Recovery habe ich ein Muster immer wieder gesehen: Frauen, die jahrzehntelang als Fels in der Brandung galten. Die ihre Kinder großgezogen, ihre Karrieren gemeistert und ihre Familien zusammengehalten hatten. Stabile, starke Frauen. Plötzlich, mit Ende 40, Anfang 50, saßen sie in Meetings, zitternd, am Ende ihrer Kräfte, mit einer frischen Alkohol- oder Tablettenabhängigkeit. Ihre Frage war immer dieselbe: „Ich habe doch mein ganzes Leben im Griff gehabt. Was zur Hölle ist mit mir passiert?“

Die Antwort lag oft in einem Wort, über das in unserer Gesellschaft kaum ehrlich gesprochen wird: Wechseljahre. Wir reden über Hitzewallungen und Schlafstörungen. Aber wir schweigen über das brutale psychische Chaos, das diese Lebensphase auslösen kann. Die unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen, die plötzlich auftretenden Ängste, die tiefen, existenziellen Krisen.

Für viele Frauen wird der „verdiente“ Wein am Abend in dieser Zeit vom Genussmittel zur täglichen Notfall-Medizin. Die vom Arzt leichtfertig verschriebene Schlaftablette wird zur unverzichtbaren Krücke. Dies ist die Geschichte der übersehenen Krise, der unsichtbaren Sucht-Epidemie bei Frauen im mittleren Lebensalter.

Die Wechseljahre sind für viele Frauen ein ‚Perfect Storm‘ für die Sucht: Biologisches Chaos trifft auf existenzielle Lebenskrisen und gesellschaftliche Unsichtbarkeit. Die Sucht ist dabei nicht das Problem, sondern der verzweifelte Versuch, die Kontrolle in einer Zeit des totalen Kontrollverlusts zu behalten.


🎯 Die harten Fakten: Die Krise der Lebensmitte in Zahlen

📊 Die harten Fakten in Zahlen: Die übersehene Sucht-Krise 45+

Die Wechseljahre sind eine anerkannte Hochrisiko-Phase für die Entwicklung von Suchterkrankungen bei Frauen:

  • Anstieg des „Late-Onset“-Alkoholismus: Studien, u.a. im „Journal of Women’s Health“, zeigen einen signifikanten Anstieg von problematischem Alkoholkonsum und Alkoholabhängigkeit bei Frauen im Alter von 45-60 Jahren, die zuvor unauffällig waren.
  • Hormone & Gehirnchemie: Der Abfall von Östrogen in der Perimenopause führt zu einer Verringerung der Serotonin- und Dopamin-Aktivität im Gehirn. Dies macht Frauen anfälliger für Depressionen, Angst und das Verlangen nach Substanzen, die dieses Defizit kurzfristig ausgleichen (Quelle: „Nature Reviews Endocrinology“).
  • Leeres-Nest-Syndrom als Trigger: Das „Empty Nest Syndrome“ wird in der psychologischen Forschung als signifikanter Lebens-Stressor eingestuft, der bei Frauen das Risiko für Depressionen und Alkoholmissbrauch erhöht.
  • Höchste Verschreibungsrate für Benzos: Die Altersgruppe der Frauen über 50 erhält eine der höchsten Verschreibungsraten für Benzodiazepine und Z-Substanzen (Schlafmittel), oft zur Behandlung von Wechseljahres-Symptomen wie Schlafstörungen und Angst, was das Risiko einer Medikamentenabhängigkeit massiv erhöht.

🔬 Wissenschaft: Was in den Wechseljahren wirklich passiert

Die Wechseljahre sind nicht nur Hitzewallungen. Es ist ein „Perfect Storm“ aus biologischen und psychologischen Umbrüchen:

Das biologische Chaos:

  • Hormon-Absturz: Der sinkende Östrogenspiegel wirkt sich direkt auf deine „Wohlfühl-Chemie“ im Gehirn aus. Weniger Östrogen bedeutet oft weniger Serotonin (Stimmung, Schlaf) und eine geringere Dopamin-Sensitivität (Freude, Motivation). Das Gehirn wird biologisch anfälliger für Depression und Sucht.

Die psychologischen Krisen:

  • Das Leere-Nest-Syndrom: Die Kinder ziehen aus, die Haupt-Lebensaufgabe der „Kümmerin“ bricht weg. Das kann zu einer tiefen Sinnkrise und einem Gefühl der Nutzlosigkeit führen.
  • Die „Sandwich“-Generation: Gleichzeitig werden oft die eigenen Eltern pflegebedürftig. Die Frau ist eingeklemmt zwischen der Sorge für die alte und der (abnehmenden) Sorge für die junge Generation.
  • Konfrontation mit der Endlichkeit: Die Wechseljahre markieren unweigerlich den Übergang in die zweite Lebenshälfte. Die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden, dem Verlust von Jugend und der eigenen Sterblichkeit ist eine massive psychische Belastung.

🎭 Warum es gerade DICH trifft: Die Falle der starken Frau

Eine Frau, deren Spiegelbild einen emotionalen Sturm zeigt, als Symbol für die unsichtbare psychische Belastung der Wechseljahre hinter einer gefassten Fassade.
Nach außen hin alles im Griff, aber innen tobt ein Sturm. Die Wechseljahre sind eine Zeit des psychischen Umbruchs, der von der Gesellschaft oft ignoriert wird.

Besonders Frauen, die ihr Leben lang „funktioniert“ und sich um andere gekümmert haben, sind in dieser Phase extrem gefährdet. Die alten Rollen und Bewältigungsstrategien brechen weg, und es entsteht ein gefährliches Vakuum.

⚠️ Die Falle der starken Frau: Warum gerade die „Funktioniererinnen“ gefährdet sind

Paradoxerweise sind oft gerade die Frauen am stärksten gefährdet, die ihr Leben lang alles „im Griff“ hatten:

  • Die „Ich-muss-funktionieren“-Falle: Du hast jahrzehntelang gelernt, deine eigenen Bedürfnisse für andere zurückzustellen. Du hast nie gelernt, dich um dich selbst zu kümmern. Wenn die äußeren Aufgaben (Kinder) wegfallen, stürzt du in ein tiefes Loch, weil du keine Strategien für ein selbstbestimmtes Leben hast.
  • Ärztliche Fehldiagnosen: Du gehst zum Arzt wegen Schlafstörungen und Angst. Statt einer Aufklärung über die Perimenopause bekommst du schnell ein Rezept für Benzodiazepine (z.B. Tavor) oder Z-Substanzen (z.B. Zopiclon). Der Arzt meint es gut, aber verschreibt dir unwissentlich den Einstieg in eine schwere Abhängigkeit.
  • Die gesellschaftliche Unsichtbarkeit: Niemand redet über die psychische Hölle der Wechseljahre. Es gibt kaum Vorbilder oder offene Gespräche. Du denkst, du bist die Einzige, der es so geht. Diese Isolation und Scham sind der perfekte Nährboden für eine stille Sucht.

🛡️ Safer Use: Gestärkt durch die Veränderung navigieren

Ein leeres Vogelnest, neben dem ein neuer, blühender Trieb wächst, als Symbol für die Chance auf einen Neuanfang nach dem "Leere-Nest-Syndrom" in den Wechseljahren.
Das leere Nest ist nicht nur ein Ort des Verlusts, sondern auch der Raum, in dem etwas völlig Neues und Eigenes wachsen kann.

Diese Lebensphase ist kein Ende. Sie ist eine radikale Einladung, dich neu zu erfinden. Aber dafür brauchst du die richtigen Werkzeuge und das richtige Wissen.

🛡️ Safer Use: Dein Kompass für die zweite Lebenshälfte

Diese Phase ist eine Herausforderung, aber auch eine riesige Chance. So navigierst du sicher:

  1. Wissen ist Macht: Informiere dich radikal über die Perimenopause und die Menopause. Lies Bücher, höre Podcasts. Wenn du verstehst, was biologisch in deinem Körper passiert, verlierst du die Angst vor dem Kontrollverlust.
  2. Suche die richtigen Ärzte: Du brauchst eine Gynäkologin, die das Thema Hormone ernst nimmt und ganzheitlich denkt. Oft ist auch ein Endokrinologe (Hormonspezialist) eine gute Anlaufstelle. Bestehe auf eine umfassende Aufklärung.
  3. Baue dein „Zweites Nest“: Wenn das erste Nest leer ist, ist es Zeit, ein neues zu bauen – nur für dich. Was wolltest du schon immer tun? Finde neue Hobbys, engagiere dich ehrenamtlich, lerne eine neue Fähigkeit. Fülle die Leere aktiv mit neuem Sinn.
  4. Finde deine Peer Group: Suche den Kontakt zu anderen Frauen in der gleichen Lebensphase. In speziellen Frauengruppen (online oder offline) wirst du die erleichternde Erfahrung machen: „Ich bin nicht allein. Es geht allen so.“

🤔 Ausführliche FAQ

🤔 Ich hatte nie ein Suchtproblem. Kann ich wirklich mit 50 noch süchtig werden?

✅ Ja. Das nennt man „Late-Onset“-Abhängigkeit und es ist ein bekanntes Phänomen, besonders bei Frauen in den Wechseljahren. Die Kombination aus biologischem Stress (Hormonabfall) und psychologischem Stress (Sinnkrise, leeres Nest) schafft eine völlig neue Risikosituation, auch wenn du dein Leben lang „stabil“ warst.

❤️ Sind Hormonersatztherapien (HRT) eine Lösung oder ein weiteres Risiko?

✅ Das ist eine sehr individuelle medizinische Entscheidung. Für viele Frauen kann eine moderne, bioidentische Hormonersatztherapie die psychischen und physischen Symptome der Wechseljahre massiv lindern und damit das Bedürfnis nach Selbstmedikation mit Alkohol oder Tabletten reduzieren. Es ist aber entscheidend, dies mit einer spezialisierten Ärztin abzuwägen und es nicht als alleiniges Allheilmittel zu sehen.

🧠 Mein Arzt sagt, meine Schlafstörungen und Ängste seien „nur Stress“. Wie überzeuge ich ihn?

✅ Führe ein Symptom-Tagebuch über mehrere Wochen. Notiere nicht nur die Schlafstörungen, sondern auch Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Zyklusunregelmäßigkeiten etc. Gehe mit dieser Liste zum Arzt. Wenn er dich immer noch nicht ernst nimmt, hol dir eine zweite Meinung bei einer Gynäkologin, die auf Wechseljahre spezialisiert ist. Du hast ein Recht auf eine korrekte Diagnose.

💪 Alle meine Freundinnen trinken abends ihren Wein. Wie merke ich, ob es bei mir zu viel ist?

✅ Die entscheidenden Fragen sind: Trinkst du, um ein unangenehmes Gefühl (Einsamkeit, Angst, innere Leere) zu betäuben? Wirst du unruhig, wenn du es mal nicht tust? Hat die Menge zugenommen? Verheimlichst du, wie viel du wirklich trinkst? Wenn du eine dieser Fragen mit „Ja“ beantwortest, ist das ein starkes Warnsignal, unabhängig davon, was deine Freundinnen tun.

😔 Wie unterscheide ich Symptome der Menopause von Entzugserscheinungen?

✅ Das ist extrem schwierig, weil sie sich stark ähneln können (Schlafstörungen, Schwitzen, Herzrasen, Angst). Genau deshalb ist absolute Ehrlichkeit mit deinem Arzt so wichtig. Nur wenn er das Gesamtbild kennt – deine hormonelle Situation UND deinen Konsum – kann er eine korrekte Diagnose stellen und dir die richtige Hilfe anbieten.

🎬 NeelixberliN Fazit

Ein Baum, der Herbstblätter verliert und gleichzeitig neue, bunte Blüten treibt, als Symbol für die Transformation und den kraftvollen Neuanfang in und nach den Wechseljahren.
Die Wechseljahre sind nicht der Herbst des Lebens. Sie können der Beginn deines zweiten, wilderen und authentischeren Frühlings sein.

Diese Serie über Frauen und Sucht endet mit dem vielleicht wichtigsten Thema, weil es eine Zukunft betrifft, die auf so viele von uns wartet. Die Gesellschaft verkauft uns die Wechseljahre als ein Defizit, ein Ende der Jugend, einen Verlust. Das ist Bullshit.

Ja, es ist eine Krise. Es ist ein Abschied. Von alten Rollen, von biologischen Gewissheiten, von einer bestimmten Art von Kraft. Aber jede Krise ist auch eine Chance. Nach 28 Jahren Recovery kann ich sagen: Die größten Wachstumsschübe meines Lebens kamen immer aus den tiefsten Krisen.

Die Wechseljahre sind nicht das Ende deiner Geschichte als Frau. Sie sind eine brutale, aber auch befreiende Einladung, dich zum ersten Mal in deinem Leben zu fragen: „Wer bin ICH, wenn ich nicht mehr für alle anderen funktionieren muss? Was will ICH jetzt wirklich?“ Deine Antwort darauf kann der Beginn deines authentischsten, freiesten und kraftvollsten Lebensabschnitts sein. Die Sucht ist der Versuch, diese wichtige, beängstigende Frage zu betäuben. Die Recovery ist der Mut, sie zu stellen und deine eigene Antwort zu leben.


📚 Quellen & Referenzen

  • Journal of Women’s Health: Diverse Studien zum Thema „late-onset“ Alkoholmissbrauch bei Frauen im mittleren Lebensalter.
  • The North American Menopause Society (NAMS): Position-Statements und Faktenblätter zu den psychischen Symptomen der Menopause wie Angst und Depression.
  • Nature Reviews Endocrinology: Fachartikel zur Rolle von Östrogen bei der Regulierung von Serotonin und Dopamin im Gehirn.
  • Deutsche Menopause Gesellschaft e.V.: Leitlinien und Informationen zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden in Deutschland.

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Über Gabriel Maetz

NeelixberliN teilt hier seine persönliche und ungefilterte Erfahrung auf dem Weg aus der Sucht. Nach Jahren der Abhängigkeit, unter anderem von Polamidon, kämpft er sich Tag für Tag zurück ins Leben. Dieser Blog ist sein persönliches Logbuch, eine Hilfe für sich selbst und hoffentlich auch eine stütze für andere, die einen ähnlichen Kampf führen.

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