Der Lotse im Sturm: Wie ehrenamtliche Peers dich sicher in den Hafen der Hilfe führen

Der Lotse im Sturm: Wie ehrenamtliche Peers dich sicher in den Hafen der Hilfe führen


Hey Du,

kennst du das Gefühl, mitten im Sturm auf offener See zu treiben? Die Sucht ist der Orkan, du hast die Orientierung verloren und am Horizont siehst du zwar Land, aber es ist eine zerklüftete Küste voller Felsen und Nebelbänke. Das ist das deutsche Hilfesystem für Suchtkranke: voller Angebote, aber oft unübersichtlich.

Genau hier kommt eine unglaublich wichtige und hilfreiche Idee ins Spiel: der Suchtlotse. Dein persönlicher Navigator, der an Bord kommt und dich sicher in den Hafen der Genesung führt.

Was ist ein „Suchtlotse“ genau? Dein Navigator im Hilfe-Dschungel 🧭

Ein Suchtlotse ist kein Therapeut oder Arzt. Er ist ein Peer – ein Experte aus Erfahrung. Oft sind es Menschen, die selbst eine Suchtgeschichte haben und den Weg bereits gegangen sind. Sie wissen genau, wie du dich fühlst.

Ihre Aufgabe ist es, eine Brücke zu bauen:

  • Sie motivieren dich, wenn du aufgeben willst.
  • Sie begleiten dich zu Terminen bei Ämtern oder Beratungsstellen.
  • Sie übersetzen das Fachchinesisch von Ärzten und Therapeuten.
  • Sie sind ein offenes Ohr, das nicht wertet, sondern versteht.

Ein starkes, symbolisches Foto. Ein riesiges, fast verlorenes Schiff (die Sucht) treibt in stürmischer See. Ein kleines, wendiges Lotsenboot fährt längsseits und scheint den Weg zu weisen. Symbolisiert die Funktion des Lotsen. "Suchtlotse als Hilfe", "Weg aus der Sucht", "Hilfe im System navigieren"

Spotlight: Das Lotsennetzwerk Brandenburg

Ein hervorragendes Beispiel für dieses Konzept ist das Lotsennetzwerk Brandenburg.

  • Wer steckt dahinter? Das Projekt wird von der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (BLS) koordiniert.
  • Was bieten sie? Ein Netz aus geschulten, ehrenamtlichen Suchtlotsen in ganz Brandenburg. Die Hilfe ist kostenlos und absolut vertraulich.
  • Kontakt: Die zentrale Vermittlung läuft über die BLS. Du erreichst die Ansprechpartnerin Frau Gröninger unter 0331 – 581 380 26 oder per E-Mail an lotsennetzwerk@blsev.de.

Meine persönliche Erfahrung: Warum ein Lotse den Unterschied macht ✍️

Ein Lotse macht für mich einen großen Unterschied und hat mir schon öfter meinen hübschen Popo gerettet. An dieser Stelle kann ich meine persönliche Lotsin Ute Redepennig hervorheben. Aber auch ihre Tochter, die zwar nicht wie ihre Mutter für mich zuständig ist, aber auch als Lotsin arbeitet und in der Not genauso für mich da war. Zudem leiten beide ebenfalls ehrenamtlich zum einen eine Gruppe für Angehörige und Betroffene in Brandenburg (DRK Hennigsdorf bei Berlin) und Berlin (Balanx Neukölln).

Bei Ute muss ich vor allem eines hervorheben: Im Normalfall sind Lotsen selbst suchtkrank, wenn auch schon mehrere Jahre abstinent und stabil. Bei Ute ist das anders, denn sie ist Angehörige. Sie ist ursprünglich wegen ihrer Tochter in die ganze Sache mit der Selbsthilfe geraten. Sie war eine verzweifelte Mutter, die gemerkt hat, wo es fehlt und was es braucht.

Es gibt Stimmen, die meinen, wenn jemand nicht am eigenen Leib betroffen war, könne die Person nicht so gut helfen oder den Suchtkranken nachvollziehen. Das kann ich zu 100 % widerlegen. Sie kann es aus meiner Sicht zu 99 Prozent durch ihre spezielle Situation sogar noch besser. Denn ich kenne kaum jemanden, der sich trotz Arbeit und Alltagsleben immer noch so sehr mit dem Thema Sucht auseinandersetzt, unzählige Bücher liest und sich ständig weiterbildet. Wenn ich mir eine Mutter wünschen könnte, oder wenigstens nur 1 % Verständnis für mich und meine Sucht, dann so eine Mutter wie Ute Redepennig.

Da gibt es noch ein weiteres Thema, das mir speziell an ihrer Arbeit aufgefallen ist. Ich habe mir mal vor vielen Jahren einen freiwilligen Betreuer gesucht, da ich in Suchtrückfällen unter Prokrastination leide und mich um nichts kümmere, schon gar nicht um Post. Nun ist es aber so, dass dieser Betreuer laut seinen Worten „keinen Bock hat“, mit mir zu arbeiten, wenn ich drauf bin – obwohl er genau dafür bewilligt wurde und sein Geld bekommt.

Und wer hat in genau diesen Momenten alles glattgebügelt, mich unterstützt und mir geholfen, da rauszukommen? Genau, Ute Redepennig vom Lotsennetzwerk. Und das ehrenamtlich, ohne irgendeinen Cent dafür zu sehen.

Das Lotsennetzwerk sollte daher viel mehr Aufmerksamkeit, Unterstützung und Zuwendungen erhalten, denn sie sind ein riesen Anker in der Not. Oft leisten sie die Arbeit, für die andere, die dafür unglaublich viel Geld erhalten, nur auf dem Papier zuständig sind.


Ein Bild von zwei Personen (von hinten oder unscharf, um Anonymität zu wahren), die auf einer Parkbank sitzen und sich unterhalten. Die Szene wirkt vertraut und unterstützend, wie ein Gespräch auf Augenhöhe. "Peer-Beratung Sucht", "Gespräch mit Sucht-Lotsen", "Erfahrungsaustausch"

Gibt es das auch in anderen Bundesländern? So findest du Hilfe 🗺️

Ja! Das Konzept der ehrenamtlichen Peer-Begleitung setzt sich in ganz Deutschland durch, auch wenn die Projekte oft anders heißen.

Am besten findest du ein passendes Angebot, indem du online nach folgenden Begriffen suchst:

Eine weitere super Anlaufstelle ist immer die lokale Suchtberatungsstelle. Die Mitarbeiter dort kennen die regionalen Netzwerke am besten und können dich direkt an die richtigen Projekte vermitteln.

Fazit: Ein Leuchtturm der Hoffnung

Das Konzept des Suchtlotsen ist ein Leuchtturm im oft stürmischen Meer des Hilfesystems. Es zeigt, dass die wertvollste Ressource im Kampf gegen die Sucht oft die Menschen sind, die den Weg selbst schon gegangen sind – oder ihn als Angehörige hautnah miterlebt haben.

Wenn du dich verloren fühlst und nicht weißt, wo du anfangen sollst: Trau dich und suche nach einem Lotsen in deiner Nähe. Es kann der entscheidende erste Schritt in deinen sicheren Hafen sein.


Häufige Fragen (FAQ) zum Thema Suchtlotsen


Ist ein „Lotse“ das Gleiche wie ein Therapeut?

Nein, und das ist ein sehr wichtiger Unterschied. Ein Therapeut hat eine professionelle, akademische Ausbildung und führt eine anerkannte Therapie durch. Ein Suchtlotse ist ein „Peer“ – ein Begleiter auf Augenhöhe, dessen Qualifikation seine eigene, gelebte Erfahrung und eine Basisschulung ist. Er therapiert nicht, sondern motiviert, begleitet und hilft bei der Orientierung im Hilfesystem.

Kostet die Hilfe vom Lotsennetzwerk etwas?

Nein. Die Hilfe durch die ehrenamtlichen Lotsen ist für die Hilfesuchenden in der Regel komplett kostenlos und vertraulich.

Wie finde ich einen Sucht-Lotsen oder ein ähnliches Angebot in meinem Bundesland?

Der beste Weg ist eine Online-Suche mit den Begriffen „Suchtlotse“, „Peer-Beratung Sucht“ oder „Genesungsbegleiter“ plus dem Namen deiner Stadt oder deines Bundeslandes. Eine weitere sehr gute Anlaufstelle ist die nächste Suchtberatungsstelle (z.B. von Caritas, Diakonie). Die Mitarbeiter dort kennen die lokalen Netzwerke am besten.


Über den Autor: NeelixberliN

Über Gabriel Maetz

NeelixberliN teilt hier seine persönliche und ungefilterte Erfahrung auf dem Weg aus der Sucht. Nach Jahren der Abhängigkeit, unter anderem von Polamidon, kämpft er sich Tag für Tag zurück ins Leben. Dieser Blog ist sein persönliches Logbuch, eine Hilfe für sich selbst und hoffentlich auch eine stütze für andere, die einen ähnlichen Kampf führen.

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