1 Monat & 1 Tag clean: Wenn nach der Euphorie der Absturz kommt. Podcast und Artikel Titelbild

1 Monat & 1 Tag clean: Wenn nach der Euphorie der Absturz kommt



23:36 Uhr – Guten Abend Berlin, guten Abend an den Rest der Welt.

Unglaublich, da stürzt mein Kali Linux das erste Mal mitten im Beitrag ab. Aber es passt perfekt zu meiner momentanen Weltauffassung. Noch vor 24 Stunden habe ich stolz geschrieben, wie gut alles läuft und den ersten Monat clean gefeiert. Heute hat mich mein „Hyde“ schon fast wieder unter Kontrolle und schafft es, alles Positive schlecht darzustellen.

Ich weiß, es ist nicht so. Ich weiß, in ein paar Stunden kann alles wieder besser sein. Aber es fühlt sich verdammt nochmal nicht so an. Da ich seit Stunden Skills probiere, die aber nicht mehr greifen, versuche ich es mit meinem größten Skill: Ich schreibe meine Gedanken nieder und ihr dürft euch durch meine langen Texte quälen.

Der perfekte Start – und die ersten Risse 🐾

Wie der Tag gelaufen ist? Eigentlich wirklich gut.

(Ja, eine gewisse Person wird jetzt murmeln: „eigentlich“ ist keine Aussage ;P)

Ich habe spontan eine ehemalige Beziehung kontaktiert und gefragt, ob ich ihren Hund ausführen kann. Eine Win-Win-Win-Situation: Der Hund kommt lange raus, sie hat Zeit für sich und ich habe eine sinnvolle Aufgabe. Das klappte super. Selbst als mir ihre beste Freundin an der Tür ein schockiertes „Was machst Du denn hier?“ entgegenwürgte, konnte ich gut damit umgehen. Ich verstand ihre Sorge, die aus alten Zeiten rührte.

Danach lief ich meine Runde zur Entzugsstation, um Leute zu besuchen. Aber mein erster Kontakt hatte Ausgang bekommen (was super für ihn ist!), der zweite war eingeschlafen (was super wichtig für ihn ist!) und der dritte war in sein PlayStation-Spiel vertieft. Alles okay, niemand ist für mich verantwortlich. Aber die geplanten positiven Momente fielen weg.


Ein einzelner Jenga-Turm, der sehr wackelig steht und bei dem ein Stein nach dem anderen herausgezogen wurde. Er droht zu kippen. Symbolisiert die Trigger-Kaskade und wie die Stabilität verloren geht. "Trigger Kaskade", "schlechter Tag Recovery", "Umgang mit Rückschlägen"

Die Trigger-Kaskade: Wie aus Kleinigkeiten ein Drama wird 💧

Ich lief also weiter durch die Stadt, aber meine Hacke schmerzte von einer fiesen Blase – die vielen Suchtdruck-Kilometer der letzten Wochen forderten ihren Tribut. Zu Hause schmeckte der Auflauf, den ich mir machte, total KACKA. Nächster Dämpfer.

Und dann kam der Haupt-Trigger. Meine Ex-Beziehung, die mich gestern noch gefragt hatte, ob ich abends auf ihren Hund aufpasse, machte einen Rückzieher. Sie war sich plötzlich unsicher, wollte mich wegen meines jetzigen Clean-Stands nicht allein in ihrer Wohnung lassen. Ihre ganzen Medikamente könne sie ja schlecht mitnehmen.

Ich verstand sie natürlich völlig. Ich weiß, wie unzuverlässig ich war. Aber die Absage hat mich härter getroffen, als ich dachte.

Der Kern des Schmerzes: Wenn die Trauer durchbricht 💔

Kurz bevor ich anfing zu schreiben, war eine andere Freundin spontan mit ihrem Hund zu Besuch. Es war nur kurz. Aber ihr Hund hat an all den Ecken geschnüffelt, an denen mein Hund immer lag. Und sie sagte den Satz: „Er riecht ihn bestimmt noch.“

Und da war es. Die Trauer um meinen Hund, die ich seit seinem Tod vor drei Wochen erstaunlich gut unterdrücken konnte, brach voll durch. Plötzlich hatte ich die Bilder seines Todes wieder im Kopf, die letzten Atemzüge in meinen Armen. Und die Tränen kullerten.

Mir wurde klar: Es ist nicht Aggression, es ist Trauer. Die schwerste Emotion meines Lebens. Die, die ich mir früher mit Methadon-Überdosen abtrainiert hatte. Nur jetzt ist sie da. Und sie ist unerträglich.


Eine stilisierte Grafik einer Person im Regen. Die Regentropfen sind aber nicht nur Wasser, sondern enthalten kleine, traurige Erinnerungsbilder. Symbolisiert die durchbrechende Trauer. "Trauer als Trigger", "Umgang mit Trauer Sucht", "schmerzhafte Emotionen"

Der Kampf mit dem ‚Hyde‘: Wenn kein Skill zu helfen scheint 👹

In diesem Moment begann der Kampf. Mein Sucht-Ich, mein Hyde, wurde aktiv und ging alle Optionen durch, um einen Rückfall zu rechtfertigen.

  • Die Ex-Beziehung fragen, ob sie schon zurück ist? -> Nein, sie ist auf einem Geburtstag, hat vielleicht was getrunken, das triggert dich.
  • Andere Freundinnen anrufen? -> Nee, die kiffen, den Geruch schaffst du jetzt nicht. Die anderen müssen morgen früh raus.
  • Hilferuf im WhatsApp-Kanal? -> Nee, zu viel Schwäche zeigen vor Leuten, die du nicht gut kennst.
  • Den Kumpel anrufen, der auch im Entzug ist? -> Nee, der hatte gestern erst angeboten, dass er genug Stoff zu Hause hat. Zu gefährlich.

Ich merke, wie mein Hyde nach Gründen sucht, einen Rückfall zu bauen. Ich weiß, ich muss durchhalten, so wie ich es euch predige. Aber ich weiß eben auch, wie unerträglich es sein kann.

Mein letzter Anker: Schreiben, um zu überleben ✍️

Der letzte Skill für diesen Abend bringt mich zumindest etwas runter, auch wenn die Traurigkeit nicht verschwinden will. Und dann, wie ein ironischer Witz des Schicksals, spielt mir Spotify, nachdem ich zum ersten Mal einen T-Low Song gehört hatte, das Lied „Geh Allein“ von ihm vor. Ha.

Ich beende den Artikel jetzt, bevor ich in Selbstmitleid versinke. Ich hoffe, Du überstehst diesen Abend gut, versuchst wie ich nicht aufzugeben & einfach weiter durchzuhalten.


Häufige Fragen (FAQ) zu schlechten Tagen in der Recovery


Ist es normal, nach einem großen Erfolg oder Meilenstein plötzlich einen schlechten Tag zu haben?

Ja, das ist sehr normal und eine tückische Falle der Sucht. Nach der Euphorie eines Meilensteins (wie „1 Monat clean“) kann eine Art Leere oder ein „Was jetzt?“-Gefühl eintreten. Dein Gehirn sucht nach dem nächsten „Kick“, und die Suchtpersönlichkeit („Hyde“) nutzt diese verletzliche Phase oft für einen massiven Angriff.

Warum fühlen sich Trigger manchmal wie eine Kette von unglücklichen Zufällen an?

Das wird oft als „Trigger-Stapeln“ oder Trigger-Kaskade bezeichnet. Eine kleine negative Sache macht dich anfälliger für die nächste, und so weiter. Dein emotionales Schutzschild wird mit jedem kleinen „Schlag“ dünner, bis eine eigentlich managebare Situation (wie eine Absage) das Fass zum Überlaufen bringt und eine heftige emotionale Reaktion auslöst.

Was kann ich tun, wenn ich das Gefühl habe, dass keiner meiner Skills gerade funktioniert?

Das ist ein furchtbares Gefühl der Hilflosigkeit, das jeder in der Recovery kennt. Wie in meinem Beispiel ist manchmal der wichtigste Skill, diesen Zustand einfach nur wahrzunehmen und zu dokumentieren (z.B. durch Schreiben, wie hier im Blog). Es geht darum, den Moment zu überleben, ohne zu konsumieren. Anstatt den „perfekten“ Skill zu suchen, geht es darum, die Zeit verstreichen zu lassen, weil man aus Erfahrung weiß, dass das Gefühl nicht für immer bleibt, auch wenn es sich so anfühlt.


Über den Autor: NeelixberliN

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