2 Monate & 10 Tage clean: Die Achterbahnfahrt der Gefühle. Podcast und Tagebuch Artikel Titelbild

2 Monate & 10 Tage clean: Die Achterbahnfahrt der Gefühle



Guten Abend Berlin, guten Abend an den Rest der Welt!

Endlich ist es wieder so weit. Ein Eintrag im Tagebuch. Es ist in den letzten Wochen eher ein Wochenbuch geworden, aber es gab auch genug an der Webseite auszubauen. Um ehrlich zu sein, habe ich mich teilweise sogar davor gedrückt, weil private Situationen meine Einträge eher in negative Schwingungen brachten.

Aber ich habe mich entschieden, nichts an meiner Art zu schreiben zu ändern. Denn das bin ich. Wer mich kennt, weiß, welche Werte wirklich hinter mir stehen.

Der aktuelle Kampf: Emotionen & die Ex-Beziehung

Kommen wir zu den wichtigsten Punkten. Suchtdruck kann auch nach fast 2,5 Monaten noch sehr stark sein. Mir wird gerade bewusst, warum eine Therapie nach der Entgiftung so verdammt wichtig ist. Wie ich im Artikel zum Suchtgedächtnis geschrieben habe, verarscht uns unser Gehirn schnell, wenn wir denken, wir hätten es geschafft.

Bei mir sind Emotionen die größte Gefahr. Ich erlerne sie wie ein kleines Kind neu. Gerade am Valentinstag hatte ich extrem zu kämpfen. Ich hätte mir so gern eine Deo-Dose in die Lunge geknallt, um die schlechten Emotionen einfach abzulenken. Auslöser war eine wunderschöne Valentinskarte von einer wichtigen Person. Die Geste war toll, aber der Text darin brachte meine Emotionen völlig durcheinander, weil ich mich immer noch unverstanden fühlte.

Ich brauchte Stunden, um zu reagieren, was für die Person auch nicht richtig war. Ihre Antworten in endlosen Sprachnachrichten waren wie ein Spiegel. Aber ich konnte und wollte nicht mehr darauf reagieren, denn wir hätten uns im Kreis gedreht. Es fiel mir sehr schwer, aber ich musste meine Krankheit in den Vordergrund stellen und den Kontakt abbrechen, bevor ich vor Überemotionalisierung rückfällig werde.

In solchen Momenten willst du dich einfach kurz wie mit einem Schalter gut fühlen. Der Tod wäre teilweise sogar besser, als mit diesen Emotionen umgehen zu müssen. Aber ich habe es nicht getan. Ich weiß mittlerweile, ich muss es aushalten. Diese Arbeit hier, die Erfolge bei anderen zu sehen, die mir schreiben – das ist es wert, weiterzumachen.


Eine stilisierte Grafik einer riesigen, furchteinflößenden Achterbahnstrecke, die durch dunkle Wolken und helle Sonnenstrahlen führt. Symbolisiert die extremen Hochs und Tiefs der Recovery. "Achterbahn der Gefühle", "Recovery ist ein Prozess", "Umgang mit Emotionen"

Die Metapher der Recovery-Achterbahn 🎢

Ich habe dabei ein Bild im Kopf: Ich sitze in einer Achterbahn. Obwohl ich wusste, dass sie gefährlich und ungemütlich wird, bin ich mutig eingestiegen.

Während der wilden Fahrt sehe ich an den langsamen Bergauf-Momenten die tollen Dinge: Menschen, die mir wichtig sind, Erlebnisse, die ich sofort greifen möchte. Sie bewegen mich dazu, auszusteigen, zu denken, ich bräuchte die Fahrt nicht mehr. Aber ich weiß: Würde ich es tun, würde ich tief fallen und sterben. Den nächsten Rückfall überlebe ich vermutlich nicht. Deswegen steigt man während einer Achterbahnfahrt nicht aus.

Und dann kommt der Moment, wo die Gondel schnell nach unten schnellt. Jedes Mal mit einer Geschwindigkeit, die einem den Atem nimmt. Doch dann, wie in den Momenten, wo ich den Suchtdruck überstehen muss, kommt die Erleichterung nach dem tiefen Fallen. Ich habe es ausgehalten. Zur Not habe ich geschrien oder die Augen zugehalten. Völlig egal, ich habe es überstanden. Und wenn ich es nur oft genug mache, kann ich irgendwann aussteigen und bin für jede neue Achterbahnfahrt gewappnet.

Kleine Siege & neue Herausforderungen

Der Zahnarzt war dran, zwei Zähne wurden gezogen, morgen kommen nochmal zwei dran. Ohne Novalmin würde ich wohl wieder abnehmen, aber ich stehe das durch. Ich bin stolz, diese Hürde endlich anzugehen.

Dann die Entscheidung zur Anonymität: Ich werde sie aufgeben. In der nächsten Woche werde ich meine Arbeit anpassen, damit die Webseite eine größere Reichweite bekommt. Es ist wichtig, um die Menschen zu erreichen, die Hilfe brauchen. Das bin ich meinem Hund und meinem Versprechen schuldig.

Ich habe auch eine positive Erfahrung mit einer Nachbarin gemacht. Ich wusste, der „ekelige Nachbar“ verbreitet seine Lügen. Aber sie und ihr Partner haben mir gezeigt, dass es ihnen nicht um seine Meinung geht, sondern darum, wie es mir geht und dass ich wieder aufgestanden bin. Einfach positive Menschen, keine Energie-Vampire. Ich wünschte, die Welt wäre voll mit solchen Menschen.

Die kommende Woche ist voll mit Terminen: Zahnarzt, Psychologe und eine Maßnahme vom Jobcenter. Lust habe ich darauf nicht, ich fühle mich unterfordert. Aber es ist Struktur und die Chance zu zeigen: „Ich bin wieder zuverlässig.“

Wie ihr merkt, passiert hier täglich unglaublich viel. Ich danke Dir für Deine Zeit in diesem Artikel!


Häufige Fragen (FAQ) zur fortgeschrittenen Recovery


Warum ist es so schwer, eine Beziehung zu führen, wenn man gerade clean wird?

Weil man, wie im Artikel beschrieben, die eigenen Emotionen komplett neu kennenlernt. Die eigene Stabilität ist noch sehr fragil. Die Gefühle und Probleme des Partners können schnell zu einer Überforderung und einem massiven Trigger werden, der die eigene Genesung gefährdet. Es erfordert extreme Ehrlichkeit, Geduld und das Setzen von harten, oft schmerzhaften Grenzen.

Wie geht man mit dem Gefühl um, dass man anderen helfen will, aber sich selbst schützen muss?

Das ist einer der schwierigsten Balanceakte in der Recovery. Die Erkenntnis, dass die eigene Nüchternheit und Stabilität absolute Priorität haben muss, ist entscheidend. Es ist keine Selbstsucht, sondern überlebenswichtig. Man muss lernen zu akzeptieren, dass man nicht jeden retten kann. Manchmal ist der größte Akt der Selbstfürsorge, sich aus einer schädlichen Dynamik zurückzuziehen, auch wenn es wehtut.

Ist es normal, dass der Suchtdruck auch nach über zwei Monaten noch so stark sein kann?

Ja, absolut. Die Vorstellung, dass es nach ein paar Wochen „einfach“ wird, ist ein gefährlicher Mythos. Das Suchtgedächtnis ist tief im Gehirn verankert. Besonders emotionale Trigger (wie Liebeskummer, Enttäuschung oder großer Stress) können auch nach langer Zeit noch intensive Cravings auslösen, die sich so stark anfühlen wie ganz am Anfang. Der Unterschied ist, dass man mit der Zeit mehr Werkzeuge und Erfahrungen hat, um damit umzugehen.


Über den Autor: NeelixberliN

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