Ärzte-Hopping: Zwischen verzweifelter Suche und tödlicher Sucht

Ärzte-Hopping: Zwischen verzweifelter Suche und tödlicher Sucht

Hey Du,

kennst du das? Der Arzt nimmt sich keine Zeit, du fühlst dich nicht ernst genommen, die Diagnose überzeugt dich nicht. Der nächste Arzt ist nur einen Klick auf dem Bewertungsportal entfernt. In unserem Gesundheitssystem den Arzt zu wechseln, ist einfach.

Aber was passiert, wenn die Suche nach dem „richtigen“ Arzt zum Dauerzustand wird? Wenn aus dem Wunsch nach einer Zweitmeinung ein System wird, um an Medikamente zu kommen? Dann reden wir über Ärzte-Hopping – ein Teufelskreis, der für Suchtkranke zur tödlichen Falle werden kann.

Was ist „Ärzte-Hopping“? Mehr als nur eine Zweitmeinung 👨‍⚕️

Ärzte-Hopping bezeichnet den häufigen, unkoordinierten Wechsel von Ärzten der gleichen Fachrichtung, ohne dass diese voneinander wissen. Es ist nicht die legitime und oft sinnvolle Einholung einer Zweitmeinung. Es ist ein systematisches „Abklappern“ von Praxen.

Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Mangelndes Vertrauen: Patienten fühlen sich nicht ernst genommen oder schlecht behandelt.
  • Psychische Gründe: Krankheitsängste (Hypochondrie) können Betroffene von Arzt zu Arzt treiben, in der Hoffnung, endlich eine Bestätigung für ihre gefühlte Krankheit zu finden.
  • Die „Flatrate-Mentalität“: Manche sehen das Gesundheitssystem als unbegrenzte Ressource und nutzen es exzessiv.
  • Und der dunkelste Grund: Medikamentensucht.

Eine stilisierte Grafik einer Person, die auf einem Karussell aus verschiedenen Arztpraxis-Schildern im Kreis fährt. Der Gesichtsausdruck ist verzweifelt und erschöpft. Symbolisiert die endlose, unbefriedigende Suche. "Ärzte-Hopping erklärt", "Arzt wechseln", "Gesundheitssystem"

Die Sucht-Falle: Wie Ärzte-Hopping zum Werkzeug der Abhängigkeit wird 💊

Für Menschen mit einer Abhängigkeit von verschreibungspflichtigen Medikamenten ist Ärzte-Hopping die zentrale Überlebensstrategie. Das Ziel ist, durch Täuschung an mehrere Rezepte zu kommen.

  • Die Methode: Man geht zu verschiedenen Ärzten, klagt über (oft erfundene) Schmerzen, Angst oder Schlafstörungen und verschweigt die bereits erhaltenen Verschreibungen von anderen Ärzten.
  • Die Beute: Meist geht es um hochpotente Substanzen mit Suchtpotenzial wie Opioide (Tilidin, Oxycodon), Benzodiazepine (Tavor, Valium) oder Stimulanzien (Ritalin).

WARNUNG: DER UNKONTROLLIERTE MEDIKAMENTEN-COCKTAIL ☠️

Das ist die größte und tödlichste Gefahr des Ärzte-Hoppings bei Sucht. Es entsteht eine unkontrollierte Polypharmazie.

  • Arzt A verschreibt Opioide gegen Schmerzen.
  • Arzt B verschreibt Benzodiazepine gegen Angst.
  • Arzt C verschreibt ein Z-Drug zum Schlafen.

Keiner der Ärzte weiß vom anderen. Der Patient nimmt einen potenziell tödlichen Cocktail aus Substanzen ein, die sich gegenseitig in ihrer dämpfenden Wirkung auf die Atmung verstärken. Das Risiko eines Atemstillstands im Schlaf ist massiv.

Die Folgen: Ein Scherbenhaufen für Patient & System 💔

  • Für den Patienten:
    • Lebensgefahr durch Wechselwirkungen und Überdosierungen.
    • Keine echte Behandlung: Das eigentliche Problem (die Sucht) wird nicht behandelt, sondern nur mit immer mehr Stoff befeuert.
    • Chronifizierung: Die Sucht verfestigt sich, eine echte Heilung rückt in weite Ferne.
  • Für das System:
    • Unnötige Kosten durch Doppeluntersuchungen und Mehrfach-Verschreibungen.
    • Überlastung der Praxen und längere Wartezeiten für alle anderen.
    • Frustration bei den Ärzten, deren Behandlungsversuche untergraben werden.

Ein Foto eines Apothekertisches. Darauf liegen mehrere Rezepte von verschiedenen Ärzten für den gleichen Patienten und daneben mehrere Pillenschachteln (z.B. Opioide, Benzos). Darüber ist ein großes, rotes Warnsymbol.  "Medikamentensucht", "Rezeptmissbrauch", "Polypharmazie Gefahr"

Der Ausweg: Wie du einen echten medizinischen Anker findest ⚓

  • Radikale Ehrlichkeit: Der einzige Weg aus der Falle ist, ehrlich zu sein. Suche dir einen Arzt, dem du vertraust (oft der Hausarzt), und lege deine komplette Geschichte auf den Tisch – inklusive der Sucht.
  • Patienten-Beratungsstellen: Nutze unabhängige Beratungsstellen, die dir helfen, das System zu verstehen und deine Rechte und Pflichten zu kennen.
  • Der Hausarzt als Lotse: Ein gutes Hausarztmodell, bei dem dein Hausarzt alle Fäden in der Hand hält und Überweisungen koordiniert, ist der beste Schutz vor unkontrollierter Vielverschreibung.
  • Elektronische Patientenakte (ePA): Sie ist ein wichtiges Werkzeug der Zukunft, um Ärzte-Hopping zu erschweren, da alle behandelnden Ärzte (mit deiner Zustimmung) sehen können, was bereits verordnet wurde.

Fazit

Ärzte-Hopping ist ein komplexes Problem. Manchmal ist es Ausdruck von echter Not und Verzweiflung. Im Kontext der Sucht ist es jedoch fast immer ein Symptom der Krankheit und eine hochriskante Strategie, die dringend durchbrochen werden muss.

Der Weg zur Heilung beginnt nicht beim zehnten Arzt, sondern bei der ehrlichen Entscheidung, mit einem Arzt zusammenzuarbeiten.


Häufige Fragen (FAQ) zum Thema Ärzte-Hopping


Ist es legal, in Deutschland mehrere Ärzte der gleichen Fachrichtung zu besuchen?

Ja, prinzipiell garantiert dir das Gesetz die freie Arztwahl. Du darfst dir also eine Zweitmeinung einholen oder den Arzt wechseln. Strafbar wird es aber, wenn du Ärzte gezielt täuschst, indem du zum Beispiel verschweigst, dass du das gleiche Medikament bereits von einem anderen Arzt bekommen hast, um dir so Betäubungsmittel zu erschleichen. Das kann als Betrug gewertet werden.

Was ist der Unterschied zwischen einer Zweitmeinung und Ärzte-Hopping?

Eine Zweitmeinung ist ein legitimer, meist einmaliger Prozess. Du informierst den zweiten Arzt (und idealerweise auch deinen ersten Arzt) darüber, dass du eine zweite Einschätzung zu einer schweren Diagnose oder einer wichtigen Behandlung einholen möchtest. Ärzte-Hopping ist ein wiederholtes, unkoordiniertes und oft heimliches Aufsuchen vieler verschiedener Ärzte ohne einen klaren Plan, was oft zu Chaos statt Klarheit führt.

Mein Arzt verschreibt mir mein Suchtmittel nicht mehr. Ist es okay, zu einem anderen zu gehen?

Das ist ein klares Zeichen, dass du an einem kritischen Punkt bist. Zu einem anderen Arzt zu gehen, um einfach nur weiter an den Stoff zu kommen, ist die Definition von Ärzte-Hopping aus Suchtperspektive. Es löst dein Problem nicht, sondern verschlimmert es. Der richtige und mutige Schritt wäre, zu deinem Arzt (oder einer Suchtberatungsstelle) zu gehen und zu sagen: „Sie haben recht, mir das nicht mehr zu verschreiben. Ich glaube, ich habe ein Suchtproblem und brauche jetzt echte Hilfe für einen Entzug.“


Über Gabriel Maetz

NeelixberliN teilt hier seine persönliche und ungefilterte Erfahrung auf dem Weg aus der Sucht. Nach Jahren der Abhängigkeit, unter anderem von Polamidon, kämpft er sich Tag für Tag zurück ins Leben. Dieser Blog ist sein persönliches Logbuch, eine Hilfe für sich selbst und hoffentlich auch eine stütze für andere, die einen ähnlichen Kampf führen.

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