Hey Du,
fühlst du dich hilflos? Redest du gegen eine Wand? Bist du wütend, verzweifelt und erschöpft, weil ein Mensch, den du liebst, in der Sucht gefangen ist?
Vergiss die alten Ratschläge wie „Lass ihn fallen“ oder „Du musst ihn nur zur Rede stellen“. Es gibt einen wissenschaftlich fundierten Ansatz, der nachweislich besser funktioniert. Eine Methode, die dich vom hilflosen Zuschauer zum aktiven, positiven Einflussfaktor macht: Die CRAFT-Methode.
Was ist die CRAFT-Methode? Dein Game-Changer als Angehörige/r 💡
CRAFT steht für Community Reinforcement and Family Training. Im Gegensatz zu konfrontativen Interventionen setzt CRAFT auf positive Verstärkung, kluge Kommunikation und radikale Selbstfürsorge.
Die Grundidee ist genial einfach: Du hörst auf, gegen die Sucht zu kämpfen, und fängst an, für die Nüchternheit zu werben. Du wirst vom Manager der Krankheit zum liebevollen Marketing-Manager für ein besseres Leben.
Schlüssel-Erkenntnis zum Mitnehmen 🔑
Bei CRAFT geht es nicht darum, deinen Angehörigen zu ändern. Es geht darum, dein eigenes Verhalten so zu ändern, dass es für ihn oder sie wahrscheinlicher und attraktiver wird, sich selbst ändern zu wollen.

Die Werkzeuge von CRAFT: Dein praktischer Guide 🛠️
CRAFT gibt dir einen ganzen Koffer voller Werkzeuge an die Hand. Hier sind die wichtigsten:
1. Die funktionale Analyse: Werde zum Detektiv
Der erste Schritt ist, das Suchtverhalten zu verstehen. Du analysierst wie ein Detektiv:
- Auslöser: Was passiert direkt bevor konsumiert wird? (z.B. Stressiger Anruf, Langeweile, Streit)
- Verhalten: Der Konsum selbst.
- Konsequenz/Belohnung: Was ist der (kurzfristige) „Gewinn“? (z.B. Entspannung, Flucht vor Gefühlen)
Wenn du das Muster verstehst, weißt du, wo du ansetzen kannst.
2. Positive Verstärkung: Belohne, was du sehen willst
Das ist das Herzstück. Dein Lob und deine positive Aufmerksamkeit sind die stärkste Währung, die du hast.
- Suche aktiv nach nüchternem Verhalten, egal wie klein es ist.
- Verstärke es sofort mit echter, warmer Aufmerksamkeit: „Es war heute Morgen richtig schön, in Ruhe mit dir Kaffee zu trinken.“ Ein Lächeln, eine Umarmung.
- Ignoriere negatives Verhalten (solange es nicht gefährlich ist) und entziehe ihm deine Energie.
3. Kommunikationstraining: Sprich eine neue Sprache
Hör auf mit „Du“-Vorwürfen („Du bist immer…“). Lerne, in „Ich“-Botschaften zu sprechen und deine Grenzen klar zu kommunizieren.
- Formel: „Ich fühle mich [DEIN GEFÜHL], wenn du [SEIN/IHR VERHALTEN] zeigst. Deshalb werde ich in Zukunft [DEINE KLARE HANDLUNG/KONSEQUENZ].“
- Beispiel: „Ich fühle mich verletzt, wenn du im Rausch beleidigend wirst. Deshalb werde ich das Gespräch beenden und den Raum verlassen, wenn das passiert.“
4. Natürliche Konsequenzen zulassen: Hör auf, der Airbag zu sein
Wenn dein Angehöriger wegen des Konsums einen Termin verpennt, rufst du nicht für ihn an, um ihn zu entschuldigen. Wenn er sein Geld versäuft, leihst du ihm keins mehr. Es tut weh, das mit anzusehen, aber nur wer die negativen Konsequenzen seines Handelns selbst spürt, entwickelt den Wunsch, etwas zu ändern.

Warum CRAFT oft besser wirkt als Al-Anon oder Konfrontation 📊
Studien zeigen, dass Angehörige, die in CRAFT geschult wurden, in 64-74% der Fälle ihre suchtkranken Liebsten dazu bewegen konnten, eine Behandlung zu beginnen. Das ist eine extrem hohe Erfolgsquote.
Im Gegensatz zu Ansätzen wie Al-Anon, die oft auf emotionale Distanzierung und Loslassen setzen, nutzt CRAFT die Beziehung aktiv als Ressource und Hebel zur Veränderung.
Die Vor- und Nachteile im klaren Check
Vorteile ✅ | Nachteile ❌ |
Hohe Erfolgsquote bei der Therapie-Motivation | Kann zeitaufwendig sein, die Skills zu lernen |
Stärkt DICH als Angehörigen massiv | Erfordert viel Engagement und Konsequenz von dir |
Positive und konstruktive Herangehensweise | Ist leider nicht in allen Regionen verfügbar |
Reduziert Konflikte und verbessert die Kommunikation | |
Fördert deine eigene, überlebenswichtige Selbstfürsorge |
Fazit: Werde vom Opfer zum aktiven Mitspieler
Die CRAFT-Methode ist ein unglaublich ermächtigender Ansatz. Sie holt dich aus der passiven, leidenden Opferrolle heraus und gibt dir konkrete, effektive Werkzeuge an die Hand, um die Situation aktiv und positiv zu beeinflussen. Du lernst, für dich selbst zu sorgen und gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass dein geliebter Mensch den Weg in die Hilfe findet.
Häufige Fragen (FAQ) zur CRAFT-Methode
Ist CRAFT nicht einfach nur eine Form von Manipulation?
Das ist eine häufige Sorge. Der entscheidende Unterschied liegt in deiner Haltung und Absicht. Es geht nicht darum, den anderen wie einen Hund zu trainieren oder hinterhältig zu manipulieren. Es geht darum, deine eigene positive Energie und Aufmerksamkeit bewusst auf die gesunden Momente zu lenken. Du entziehst der Krankheit die Aufmerksamkeit und gibst sie dem gesunden Teil der Person zurück. Das ist eine Form von liebevoller, strategischer Unterstützung.
CRAFT klingt gut, aber ich bin so wütend und erschöpft. Wie soll ich das schaffen?
Das ist der Kern des Problems und der Grund, warum Selbstfürsorge ein zentraler Teil von CRAFT ist. Die Methode funktioniert nur, wenn du selbst wieder zu Kräften kommst. Es wird dringend empfohlen, CRAFT mit eigener Unterstützung (eigene Therapie, Angehörigengruppen) zu kombinieren, damit du die nötige Kraft und den emotionalen Abstand für die Anwendung der Strategien hast.
Was ist der Unterschied zwischen CRAFT und einer „Intervention“?
Eine klassische „Intervention“, wie man sie aus Filmen kennt, ist eine einmalige, hochkonfrontative Aktion, bei der der Süchtige von Familie und Freunden mit den Konsequenzen seines Handelns überfallen wird. CRAFT ist das genaue Gegenteil: Es ist ein langfristiger, sanfter und nicht-konfrontativer Prozess, der auf alltäglichen Interaktionen und positiver Verstärkung aufbaut, um die Motivation zur Veränderung von innen heraus wachsen zu lassen.
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