TAG 4 der Recovery-Beziehungs-Serie von Gabriel (NeelixberliN)
🎧 Podcast-Version
„Sie fragte mich beim dritten Date: ‚Was ist das Schlimmste, was du je getan hast?‘ Ich hätte ihr von den digitalen kriminellen Aktivitäten, dem Drogenhandel, den 15.000 Euro Schulden erzählen können. Stattdessen sagte ich: ‚Ich habe mal eine Rechnung zu spät bezahlt.‘ Feige? Ja. Verständlich? Auch ja.“ – Gabriel
Die wahrscheinlich härteste Frage in Recovery-Dating: Wie viel von deiner dunklen Vergangenheit erzählst du dem neuen Partner? Zu wenig = Lügen durch Weglassen. Zu viel = Überforderung und Flucht.
Nach 28 Jahren Sucht mit krimineller Vergangenheit habe ich jeden Fehler gemacht: Komplettes Verheimlichen, Oversharing beim ersten Date, strategisches Dosieren. Lass mich dir zeigen, was ich gelernt habe.
🤐 Das große Dilemma: Ehrlichkeit vs. Selbstschutz
Recovery-Dating ist wie Minenfeld-Navigation. Jede Entscheidung kann explodieren:
Zu ehrlich zu früh: „Hi, ich bin Gabriel. Ich war 28 Jahre süchtig und habe mal als Hacker und Krimineller gearbeitet.“ → Date beendet nach 5 Minuten
Zu wenig ehrlich: Du baust eine Beziehung auf Lügen auf → Wenn die Wahrheit rauskommt (und sie kommt immer raus), bricht alles zusammen
Das perfekte Timing: Existiert nicht. Es gibt nur „weniger schlecht“ und „noch schlechter“.

┌─────────────────────────────────────────────────────────┐ │ 🧠 PSYCHOLOGISCHE EXPERTISE: SELBSTOFFENBARUNG IN BEZIEHUNGEN │ ├─────────────────────────────────────────────────────────┤ │ Wissenschaftlich heißt das „Self-Disclosure“ – eine der │ │ wichtigsten Komponenten für Beziehungsaufbau. │ │ │ │ SOZIALPSYCHOLOGISCHE FORSCHUNG: │ │ • Optimale Selbstoffenbarung ist graduell und │ │ wechselseitig (Reis & Shaver, 1988) │ │ • Zu frühe intime Enthüllungen schrecken ab │ │ • Zu späte/keine Enthüllungen verhindern Bindung │ │ • „Intimacy Process Model“: Vertrauen entsteht durch │ │ schrittweise, geteilte Verletzlichkeit │ │ │ │ BEI SUCHT-HINTERGRUND: │ │ • Scham verstärkt Selbstoffenbarungs-Angst um 340% │ │ • Authentizitäts-Paradox: Verstecken verhindert │ │ echte Intimität, Offenlegen kann sie zerstören │ │ │ │ TIMING-REGEL: Schwere Inhalte erst nach │ │ emotionaler Grundbasis (meist 3-6 Monate). │ └─────────────────────────────────────────────────────────┘
🕰️ Die Timing-Strategie: Wann was erzählen?
Hier ist mein System nach Jahren von Trial-and-Error:
PHASE 1: ERSTES KENNENLERNEN (Dates 1-5)
Was erzählen: Grundfakten ohne Details
- „Ich hatte früher Probleme mit Substanzen, bin aber jetzt X Jahre clean“
- „Recovery ist ein wichtiger Teil meines Lebens“
- „Ich gehe regelmäßig zu Selbsthilfegruppen“
Was NICHT erzählen: Kriminalität, Traumata, Details der Vergangenheit Warum: Menschen brauchen Zeit, dich als Person kennenzulernen, bevor sie mit deinen Dämonen umgehen können
PHASE 2: INTERESSE VERTIEFT SICH (1-3 Monate)
Was erzählen: Mehr Context, aber dosiert
- „Meine Sucht hat X Jahre gedauert“
- „Ich habe viel Mist gebaut damals“
- „Recovery war/ist nicht einfach, aber es lohnt sich“
Was erzählen wenn gefragt: Ehrliche Antworten, aber nicht alles auf einmal Red Flag: Wenn sie/er KEINE Fragen stellt oder abwiegelt
PHASE 3: ERNSTE BEZIEHUNG (3+ Monate)
Was erzählen: Die schweren Geschichten, step by step
- Kriminalität (wenn vorhanden)
- Finanzielle Schäden
- Beziehungsschäden aus der Vergangenheit
- Trauma-Hintergründe
Wie erzählen: In einer sicheren Umgebung, mit Zeit für Fragen und Verarbeitung
🚩 Red Flags beim Erzählen: Was du vermeiden solltest
Date-Killer-Verhalten:
- Die komplette Lebensgeschichte beim ersten Date ausschütten
- Recovery als einziges Gesprächsthema haben
- Mit Schock-Stories „testen“ ob sie/er dich „wirklich liebt“
- Dramatisieren für Aufmerksamkeit: „Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe“
- Vergangenheit romantisieren: „Ich war ein Bad Boy/Girl“
Gabriel’s Cringe-Memory: „Ich habe mal beim ersten Date eine Stunde lang über meinen Entzug erzählt. Sie ist aufs Klo gegangen und nie wiedergekommen. Ich dachte noch: ‚Vielleicht hat sie Verstopfung.'“

💔 Was wenn die Wahrheit zu heftig ist?
Manche Geschichten sind wirklich heavy. Gewalt, schwere Kriminalität, Prostitution, Traumata. Hier ist die unbequeme Wahrheit: Nicht jeder kann damit umgehen. Und das ist ok.
Gabriel’s Heavy Story: „Ich habe Drogen verkauft, Leute bestohlen, war im Knast. Als ich meiner Ex-Freundin nach 6 Monaten die ganze Wahrheit erzählt habe, hat sie drei Tage lang geweint und mich dann verlassen. Es hat weh getan, aber sie hatte das Recht dazu.“
┌─────────────────────────────────────────────────────────┐ │ 🧠 NEUROBIOLOGIE: SCHAM UND SELBSTOFFENBARUNG │ ├─────────────────────────────────────────────────────────┤ │ Scham aktiviert das Stresssystem anders als Schuld: │ │ │ │ SCHAM-RESPONSE (Neurobiologie): │ │ • Amygdala-Überaktivierung → Kampf/Flucht-Modus │ │ • Prefrontaler Cortex teilweise offline → schlechte │ │ Entscheidungen beim Erzählen │ │ • Cortisol-Dauerstress → Überwältigungs-Gefühl │ │ │ │ WARUM SCHAM-BASIERTES ERZÄHLEN MISSLINGT: │ │ • Zu schnell (Flucht-Impuls) │ │ • Zu dramatisch (Kampf-Impuls) │ │ • Zu selbstverurteilend (Freeze-Impuls) │ │ │ │ GESUNDE SELBSTOFFENBARUNG erfordert: │ │ • Emotionale Regulation (PAWS muss abgeklungen sein) │ │ • Selbstmitgefühl statt Scham │ │ • Klare Intention: Nähe schaffen, nicht Entlastung │ └─────────────────────────────────────────────────────────┘
🎭 Verschiedene Erzähl-Stile: Welcher Typ bist du?
Der Oversharer: Erzählt alles beim ersten Date
- Vorteil: Total ehrlich
- Nachteil: Überforderung, schreckt ab
- Warum: Braucht Entlastung, testet Akzeptanz
Der Vault: Erzählt gar nichts
- Vorteil: Keine Ablehnung wegen Vergangenheit
- Nachteil: Keine echte Intimität möglich
- Warum: Scham, Angst vor Ablehnung
Der Minimalist: Erzählt nur das Nötigste
- Vorteil: Ehrlich aber nicht überfordernd
- Nachteil: Partner könnte sich hintergangen fühlen
- Warum: Schutz vor Verletzung
Der Strategische Erzähler: Dosiert nach Timing und Vertrauen
- Vorteil: Balanciert Ehrlichkeit mit Beziehungsaufbau
- Nachteil: Kann manipulativ wirken wenn zu kalkuliert
- Warum: Gelernt durch Erfahrung
Gabriel’s Entwicklung: „Erst Vault, dann Oversharer, jetzt strategischer Erzähler. Jeder Stil hatte seine Zeit und seine Lessons.“
💬 Wie erzählst du schwere Geschichten richtig?
SETTING VORBEREITEN:
- Ruhige, private Umgebung
- Genug Zeit (keine Termine danach)
- Beide emotional stabil (nicht nach Streit/Stress)
- Frag vorher: „Ich möchte dir etwas Wichtiges erzählen. Hast du Raum dafür?“
DAS GESPRÄCH STRUKTURIEREN:
- Context setzen: „Das ist nicht leicht für mich zu erzählen“
- Rahmen geben: „Es ist Teil meiner Vergangenheit, nicht wer ich heute bin“
- Langsam erzählen: Eine Geschichte nach der anderen
- Raum für Reaktionen: Pausen machen, Fragen zulassen
- Reassurance geben: „Ich verstehe, wenn du Zeit zum Verarbeiten brauchst“
GABRIEL’S SCRIPT BEISPIEL: „Hey, ich möchte dir etwas über meine Vergangenheit erzählen. Es ist nicht leicht für mich, aber ich vertraue dir und möchte ehrlich sein. Du weißt, dass ich süchtig war. Was du noch nicht weißt: Ich habe damals auch Straftaten begangen. Ich habe gehackt und Drogen verkauft. Das ist nicht wer ich heute bin, aber es ist Teil meiner Geschichte. Wie fühlst du dich damit?“
🛡️ Selbstschutz: Du schuldest niemandem deine Trauma-Story
Wichtige Klarstellung: Du musst nicht alles erzählen. Recovery bedeutet nicht, dein ganzes Leben zum offenen Buch zu machen.
Du schuldest NIEMANDEM:
- Details über Traumata
- Genaue Zahlen (Schulden, Anzahl Straftaten, etc.)
- Namen von anderen Beteiligten
- Stories, die andere Menschen verletzen könnten
Was du schuldig bist in einer ernsthaften Beziehung:
- Die großen Linien deiner Vergangenheit
- Aktuelle Recovery-Status
- Alles was sie/ihn direkt betreffen könnte
- Ehrlichkeit über deine Trigger und Grenzen

🎬 Partner-Reaktionen: Mit allem rechnen
MÖGLICHE POSITIVE REAKTIONEN:
- „Danke, dass du mir vertraust“
- „Das muss schwer gewesen sein“
- „Ich sehe, wie weit du gekommen bist“
- Fragen stellen ohne zu urteilen
MÖGLICHE NEGATIVE REAKTIONEN:
- Schock und Rückzug
- „Warum hast du mir das nicht früher gesagt?“
- „Ich weiß nicht, ob ich damit umgehen kann“
- Kompletter Kontaktabbruch
PROBLEMATISCHE REAKTIONEN:
- Deine Vergangenheit gegen dich verwenden
- Ständig nachbohren oder Details fordern
- Dich „retten“ oder „therapieren“ wollen
- Drama daraus machen oder anderen erzählen
Gabriel’s Reality Check: „Ich habe alles erlebt. Von Frauen, die weggerannt sind, bis zu solchen, die mich retten wollten. Beides ist problematisch. Die richtige Reaktion ist: Zuhören, verarbeiten, entscheiden können sie damit leben oder nicht.“
┌─────────────────────────────────────────────────────────┐ │ 🧠 PSYCHOLOGIE: WARUM MENSCHEN UNTERSCHIEDLICH REAGIEREN │ ├─────────────────────────────────────────────────────────┤ │ Partner-Reaktionen auf Sucht-Vergangenheit sind │ │ vorhersagbar basierend auf psychologischen Faktoren: │ │ │ │ ATTACHMENT-STYLE EINFLUSS: │ │ • Secure Attachment: Unterstützung, Fragen stellen │ │ • Anxious Attachment: Panik, Klammern, Retten-wollen │ │ • Avoidant Attachment: Rückzug, Emotional shutdown │ │ • Disorganized: Unberechenbare Reaktionen │ │ │ │ FAMILIEN-HISTORIE: │ │ • Sucht in Familie: Entweder Verständnis oder Trauma │ │ • Keine Sucht-Erfahrung: Oft Überforderung │ │ • Co-Abhängigkeits-Hintergrund: Retter-Komplex │ │ │ │ PERSÖNLICHKEITS-TRAITS: │ │ • Hohe Empathie: Mitgefühl aber evt. Überforderung │ │ • Perfektionismus: Schwierigkeiten mit „Makeln“ │ │ • Kontrollbedürfnis: Wollen „überwachen“ oder „heilen“ │ └─────────────────────────────────────────────────────────┘
⚖️ Der Ehrlichkeits-Kompass: Wann was erzählen
IMMER EHRLICH SEIN BEI:
- Recovery-Status (clean seit wann)
- Aktuellen Herausforderungen
- Dingen die sie/ihn direkt betreffen
- Grenzen und Bedürfnissen
DOSIERT EHRLICH SEIN BEI:
- Schweren Vergangenheits-Geschichten
- Details von Straftaten
- Trauma-Hintergründen
- Ex-Beziehungs-Dramen
PRIVAT BLEIBEN BEI:
- Anderen Personen schädigende Details
- Specifics die niemanden etwas angehen
- Therapeutischen Inhalten
- Dingen die dich retraumatisieren
NIE LÜGEN BEI:
- Direkten Fragen (lieber „Das möchte ich noch nicht besprechen“)
- Recovery-relevanten Themen
- Aktuellen Situationen
🆘 Notfall-Strategien: Wenn es schiefgeht
WENN SIE/ER ÜBERFORDERT IST:
- Raum geben ohne Druck
- „Ich verstehe, das ist viel. Lass es sacken.“
- Nicht nachbohren oder rechtfertigen
- Zeit für Verarbeitung einräumen
WENN SIE/ER DICH VERURTEILT:
- Grenzen ziehen: „Ich akzeptiere keine Verurteilung“
- Nicht verteidigen oder rechtfertigen
- Klarstellen: „Das war damals, das bin ich heute“
- Notfalls Beziehung beenden
WENN DU BEREUST ERZÄHLT ZU HABEN:
- Normal! Vulnerability Hangover ist real
- Nicht sofort zurückrudern
- Mit Recovery-Support reden
- Aus Erfahrung lernen für nächstes Mal
GABRIEL’S NOTFALL-MANTRA: „Ich bereue nicht meine Ehrlichkeit. Ich bereue nur mein Timing oder meine Art des Erzählens. Die richtige Person kann mit meiner Vergangenheit umgehen.“
🤔 FAQ: Die häufigsten Ehrlichkeits-Fragen
Muss ich beim ersten Date sagen, dass ich süchtig war? Nein, aber spätestens bei ernsterem Interesse. Ein einfaches „Ich hatte früher Probleme mit [Substanz], bin aber X Jahre clean“ reicht erstmal.
Was wenn sie/er direkt nach Details fragt? Du kannst abstuften: „Das ist eine längere Geschichte. Können wir uns erstmal besser kennenlernen?“ Oder dosiert antworten ohne alles zu erzählen.
Soll ich über Kriminalität erzählen? In einer ernsthaften Beziehung: Ja, aber timing matters. Nicht beim dritten Date, aber auch nicht erst nach 2 Jahren. Sweet spot: 3-6 Monate wenn Vertrauen da ist.
Was wenn meine Vergangenheit sie/ihn abschreckt? Das tut weh, aber dann war sie/er nicht die richtige Person. Du brauchst jemanden, der mit deiner kompletten Geschichte umgehen kann.
Wie mit der Scham umgehen? Scham ist normal, aber lass sie nicht deine Ehrlichkeit vergiften. Arbeite in Therapie/Selbsthilfegruppen daran. Du bist mehr als deine Vergangenheit.
Was wenn sie/er es anderen erzählt? Klarstellen dass es privat ist. Wenn sie/er es trotzdem weitererzählt, ist das ein Red Flag für ihre/seine Vertrauenswürdigkeit.
💭 NeelixberliN Fazit: Ehrlichkeit ist ein Prozess, kein Event
Nach 28 Jahren Sucht und unzähligen Dating-Experimenten habe ich verstanden: Ehrlichkeit ist nicht schwarz oder weiß. Es ist ein komplexer Tanz zwischen Authentizität und Timing.
Meine größten Erkenntnisse:
Früher war Ehrlichkeit für mich binär: Alles erzählen oder alles verheimlichen. Beides ist falsch. Echte Ehrlichkeit ist strategisch, dosiert und respektiert sowohl deine als auch die Grenzen des Partners.
Die Oversharing-Phase: Ich dachte, wenn ich sofort alles erzähle, teste ich ob sie mich „wirklich liebt“. Das war Bullshit. Ich habe Menschen überfordert und Beziehungen zerstört, bevor sie eine Chance hatten zu entstehen.
Die Vault-Phase: Dann habe ich jahrelang fast nichts erzählt. Das war genauso schädlich. Du kannst keine echte Intimität aufbauen, wenn du die Hälfte von dir versteckst.
Was ich heute anders machen würde:
Timing is everything: Die schwersten Geschichten erzähle ich erst, wenn eine emotionale Basis da ist. Meist nach 3-6 Monaten, wenn wir uns als Menschen kennengelernt haben.
Intention checken: Erzähle ich das, um Nähe zu schaffen oder um mich zu entlasten? Echte Ehrlichkeit dient der Beziehung, nicht nur mir.
Grenzen respektieren: Meine eigenen und die der anderen Person. Nicht jeder kann mit schwerer Kriminalität umgehen – und das ist ok.
Recovery first: Wenn Ehrlichkeit die Beziehung zerstört aber meine Recovery intact lässt, war es die richtige Entscheidung. Recovery ist nicht verhandelbar.
Die härteste Lektion: Manchmal ist die ehrlichste Antwort „Das möchte ich noch nicht erzählen“ statt einer Lüge oder einer zu frühen Wahrheit.
Was ich gelernt habe über Partner-Auswahl: Die richtige Person wird nicht fliehen, wenn sie meine Geschichte kennt. Aber sie wird auch nicht versuchen, mich zu „retten“. Sie wird einfach mit mir sein – mit allem was dazu gehört.
Mein Ehrlichkeits-Kompass heute: Sei so ehrlich wie möglich und so privat wie nötig. Recovery-relevante Dinge sind nicht verhandelbar. Alles andere ist Timing und Vertrauen.
👥 Für Angehörige: Wie geht man mit Recovery-Vergangenheit um?
✅ Hilfreiche Reaktionen:
Wenn schwere Geschichten erzählt werden:
- Ruhig bleiben, auch wenn es schockiert
- „Danke, dass du mir vertraust“ statt sofortiger Bewertung
- Fragen stellen um zu verstehen, nicht um zu verurteilen
- Zeit nehmen zum Verarbeiten statt Sofort-Reaktionen
Bei eigener Überforderung:
- Ehrlich sagen: „Das ist viel für mich. Ich brauche Zeit zum Nachdenken“
- Professionelle Unterstützung suchen (Angehörigen-Gruppen)
- Grenzen kommunizieren: „Ich kann noch nicht über Details reden“
- Nicht sofort die Beziehung beenden – erst verarbeiten
Langfristig unterstützend:
- Die Person heute sehen, nicht nur die Vergangenheit
- Recovery-Bemühungen würdigen
- Gesunde Grenzen respektieren (keine Therapie-Versuche)
- Bei Rückfall-Ängsten: Fakten ansprechen, nicht kontrollieren
❌ Problematische Reaktionen:
Verurteilend:
- „Wie konntest du nur…?“ – verurteilt statt verstehen
- Vergangenheit bei Streit als Waffe benutzen
- Ständig Misstrauen zeigen trotz aktueller Stabilität
- Mit „normalen Menschen“ vergleichen
Überfürsorglich:
- „Ich muss dich retten/heilen“ – Co-Abhängigkeits-Gefahr
- Andere vor der Person „warnen“
- Recovery kontrollieren oder überwachen wollen
- Finanzielle oder andere Autonomie einschränken
Dramatisierend:
- Die Geschichte anderen ohne Erlaubnis erzählen
- Sich selbst als Opfer der Partner-Vergangenheit sehen
- Ständig über Recovery/Vergangenheit reden wollen
- Die Person auf ihre Sucht reduzieren
💡 Praktische Unterstützung:
Bei schweren Enthüllungen:
- „Das muss schwer gewesen sein zu erleben und zu erzählen“
- „Ich sehe, wie weit du gekommen bist“
- „Was brauchst du jetzt von mir?“
- Bei Überforderung: „Können wir morgen weiterreden? Ich brauche Zeit“
Vertrauen aufbauen:
- Auf aktuelle Handlungen fokussieren, nicht Vergangenheit
- Recovery-Fortschritte anerkennen
- Keine „Tests“ oder Fallen stellen
- Offene Kommunikation über eigene Ängste
Grenzen für sich selbst:
- „Ich kann mit Details von [spezifischer Bereich] noch nicht umgehen“
- „Bei Rückfall-Situationen hole ich mir Hilfe“
- „Ich unterstütze deine Recovery, aber therapiere nicht“
Red Flags erkennen:
- Lügen über aktuelle Situation (nicht Vergangenheit)
- Verheimlichen von akutem Rückfall-Risiko
- Manipulation durch Recovery-Geschichte
- Keine Bereitschaft zu professioneller Hilfe
Wichtiger Hinweis für Angehörige: Die Recovery-Vergangenheit ist nicht deine Geschichte zu tragen oder zu verarbeiten. Du darfst überfordert sein, Zeit brauchen oder entscheiden, dass es nicht für dich passt. Das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen.
Aber: Wenn du dich für die Beziehung entscheidest, gehört die Vergangenheit zur Person dazu. Du kannst nicht nur die „cleane“ Version lieben und die Geschichte ablehnen.
Bei akuten Beziehungskrisen durch Vergangenheits-Enthüllungen: Paarberatung oder Recovery-spezialisierte Therapeuten können helfen.
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