Hallo Berlin, hallo an den Rest der Welt!
Endlich ist es wieder so weit. Ein Eintrag im Tagebuch. Eigentlich das ursprüngliche Herzstück dieser Webseite. Nur gab es in den letzten Tagen so viele Termine und Ereignisse, die ebenfalls Priorität hatten, dass ich erst jetzt dazu komme. Ich bin gerade endlich beim Buchstaben Z im Drogenlexikon angekommen und auch das SEO der Webseite braucht viel Zeit. Aber besser, ich investiere mein weniges Geld in Lizenzen als es zu verstoffen. 🙂
Ein großes Danke für eure Zeit und die wachsenden Besucherzahlen!
Der größte Schmerz: Wenn deine neue Ehrlichkeit zur Belastung für andere wird 💔
Kommen wir zu den wichtigsten Punkten der letzten Woche. Wie geht es mir? EIGENTLICH gut, doch ich habe an ein, zwei Situationen deutlich zu knacken.
Die größte, die eine negative Emotion verursacht, ist tatsächlich die Ex-Beziehung, mit der es wieder so gut lief. Doch meine neue Art hat bei ihr nicht nur Vorteile. Dadurch, dass ich hier so offen und ehrlich mit allem umgehe, wurde sie beim Lesen immer geschockter von meiner Vergangenheit. Zuerst wirkte es, als könne sie verstehen, dass dies mein altes Ich war und die Halbwahrheiten früher nur ein falscher Schutzmechanismus waren.
Nur hat sie eben auch ihre eigenen Probleme. Es ging ihr wegen einer Arbeitssituation immer schlechter und ihr Verhalten mir gegenüber wurde distanzierter – plötzlich kalt, obwohl fünf Minuten zuvor noch alles schön war. Ich habe wirklich alles versucht, es anders und besser zu machen. Habe angeboten, nur vorbeizukommen, ohne Körperkontakt, ohne zu sprechen. Es ging mir nur darum, dass es ihr besser geht. Gut, ein wenig auch um meine Emotionen. Ich hatte sie vermisst. Und all diese neuen, cleanen Emotionen lösen schnell Suchtdruck aus.
Irgendwann hörte ich tagelang nichts. Nach einem erneuten Kampf um ihre Nähe hatten wir endlich ein Gassi-Date ausgemacht. Doch kurz davor kam die Absage. Aufgrund meiner Arbeit hier. Sie hatte wieder im Tagebuch gelesen und kam mit vielen Dingen nicht zurecht. Auch mit der Textpassage, in der ich erwähnte, aus dem Medikamentenhandel raus zu sein. Sie wollte über diese Themen nicht sprechen, aber konnte sie hier lesen – eine Zwickmühle.
Ich versuchte ihr noch zu sagen, wie enttäuscht ich bin und dass sie vielleicht auch mal meine Situation reflektieren sollte. Das Merkwürdige: Andere reflektieren habe ich von ihr gelernt. Nun habe ich das Gefühl, bei ihr waren es nur theoretische Worte. Seit letztem Samstag habe ich nichts mehr von ihr gehört. Sie sieht mein Verhalten als Egoismus. Dabei habe ich nur noch für sie gehandelt, was rückblickend auch nicht richtig war.
Nun ja, ich kann es nicht ändern. Aber diese Enttäuschung ohne Suchtdruck zu verarbeiten, ist eine der schwersten Aufgaben seit meinem Entzug.

Der Alltag als Minenfeld: Wenn Rückfälle anderer dich triggern
Die Wut auf meinen Nachbarn, der weiter Rufmord betreibt, ist mir mittlerweile fast egal. Eine klare Ansage an seine Komplizin am Fenster hat gereicht, seitdem ist Ruhe.
Schlimmer sind die Rückfälle anderer. Wenn du einen Bekannten aus der Klinik triffst, der 12 Wochen clean war, und sein Einkaufskorb ist voller Desperados, er erzählt stolz von Lyrica und Benzos – dann ist das nicht nur enttäuschend. Es löst ein starkes, ungewolltes Verlangen in mir aus. Mein Hyde kriecht aus seinem Loch und flüstert: „Siehst Du, man hat darauf jede Menge Spaß.“
Das Wissen, dass dieser Rausch nur eine kurzfristige Lüge ist, hält mich Gott sei Dank davon ab. Die Webseite und die Community, die sich gebildet hat, geben mir enorm viel Kraft. Zu wissen, dass Leute an mich glauben und ich für sie ein Vorbild bin, überwiegt bisher alles.
Der Kampf mit dem „Hyde“ & kleine Fortschritte
Aber ich würde lügen, wenn ich behaupte, es sei nach zwei Monaten einfacher geworden. Der Suchtdruck kann plötzlich wieder so stark sein wie am Anfang. Dann fängt das „Zerdenken“ an. Man redet sich die Substanzen wieder schön. Ich erwische mich bei Kleinigkeiten, wie an Gasflaschen vorbeizulaufen oder Snackautomaten auf Lachgas zu checken. Aber ich hebe die Blister auf der Straße nicht mehr auf. Das ist ein Fortschritt.
Ich habe sogar mit dem Rauchen aufgehört (und dampfe jetzt), weil die Nikotinfinger nicht mehr zu meinem Nagellack passten. 😉 Ich mache regelmäßig kleine Workouts zu Hause.
Meine Struktur behalte ich bei. Jeden Morgen zwischen 4 und 5 aufstehen. Gestern war es schwer, als eine Freundin übernachtete. Rücksicht nehmen (leisere Musik, Tür zu), das stört meine Abläufe und meine soziale Distanzstörung kommt hoch. Aber wir haben es beide überlebt.

Blick nach vorn: Zahnarzt, Anonymität & der Sinn des Ganzen
Und jetzt? Es ist Samstag, Partyzeit. Ich habe das Gefühl, ich müsste mal wieder tanzen, aber das Rückfallrisiko ist zu hoch. Ich hoffe auf spontane, gute Momente.
Morgen geht es zum Zahnarzt. Als vertrauensbildende Maßnahme will er zwei Zähne ziehen. Der Anfang einer langen Story. Aber ich habe ein gutes Gefühl, weil ich auch dort völlig ehrlich mit meiner Sucht sein kann.
Eine weitere wichtige Entscheidung steht an: meine Anonymität. Um mit anderen Projekten zusammenzuarbeiten, muss ich diesen Schritt vielleicht früher gehen als geplant. Ich habe meinem Hund geschworen, alles zu tun, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Wenn ich nur einen von euch schütze oder helfe, dann hatte alles einen Sinn. Mein Leben einen Sinn.
Aus allem Schlechten etwas Gutes machen. Das ist es, was ich hier tue. Danke für Deine Zeit in diesem Artikel!
Häufige Fragen (FAQ) zur fortgeschrittenen Recovery
Ich dachte, nach ein paar Monaten wird der Suchtdruck weniger. Warum kommt er plötzlich so stark zurück?
Das ist der tückische Charakter der Sucht. Die erste „rosa Wolke“ (Pink Cloud) der Nüchternheit verzieht sich oft nach einigen Wochen oder Monaten. Wenn dann das echte Leben mit all seinen Enttäuschungen und Schmerzen (wie Liebeskummer) zuschlägt, greift das Gehirn auf alte, „bewährte“ Lösungsstrategien zurück: den Griff zur Droge. Diese Phasen sind normal, aber extrem gefährlich.
Mein Partner/meine Partnerin kommt mit meiner ehrlichen Suchtgeschichte nicht klar. Was soll ich tun?
Das ist eine sehr schmerzhafte, aber häufige Erfahrung. Deine Ehrlichkeit ist richtig und wichtig für deine Genesung. Du kannst die Reaktion deines Partners nicht kontrollieren. Gib ihm oder ihr Zeit, die Informationen zu verarbeiten. Aber wenn die Person deine Vergangenheit nicht akzeptieren kann, musst du dich fragen, ob die Beziehung auf dieser neuen, ehrlichen Grundlage eine Zukunft hat. Manchmal muss man Menschen loslassen, um selbst gesund zu werden.
Ist es eine gute Idee, in der frühen Recovery öffentlich über seine Sucht zu sprechen?
Das ist eine sehr persönliche Entscheidung mit Vor- und Nachteilen. Vorteile: Es schafft Verbindlichkeit, man kann anderen helfen und findet eine neue Identität. Nachteile: Man setzt sich Kritik und Stigmatisierung aus und verliert die schützende Anonymität. Wie im Artikel beschrieben, kann es auch Kollaborationen erschweren. Es ist wichtig, diesen Schritt gut zu überlegen und nur zu gehen, wenn man sich stabil genug fühlt, mit den Konsequenzen umzugehen.
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