Hallo! 👋
Heute gehe ich einen Punkt an, der für Abhängige super wichtig ist: die ehrliche Rückfall-Aufarbeitung. Dafür muss man gut reflektieren können. Denn wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, fing mein Rückfall viel früher an, als mir bewusst war.
Der Start – Clean und voller Hoffnung ✨
Bevor es losging, war ich 13 Wochen clean in der Entgiftung. Seit dem 1. März 2022 war ich das erste Mal nach 13 Jahren auf Null! 🎉 Danach war ich weitere zwei Monate zu Hause fast clean, nutzte Selbsthilfegruppen und wartete auf meinen Reha-Platz, der für sechs Monate geplant war.
In der Reha wurde wegen meiner PTBS (Trauma etc.) das EMDR-Verfahren angewandt. Schnell wurde aber klar, dass man weitere Traumata nicht behandeln könne, da mein Suchtproblem dadurch noch größer werden könnte. Rückblickend war es da schon fast zu spät.
Ein Anruf bei meiner Ex-Frau war dann der Wendepunkt. Es war ein gutes Gespräch, aber mir wurde klar, was für eine unzuverlässige Person ich für meine Kinder war. Der Hals schnürte sich zu, ich fühlte Trauer, aber ich konnte nicht weinen – eine Schwäche, die ich mir jahrelang mit Überdosen abtrainiert hatte.

Der erste Konsum: Vom Baumarkt zur Deo-Dose
Genau da muss der Trigger gewesen sein. Die Klinik hatte strenge Regeln, aber der Baumarkt war nicht aufgeführt. Also hin, Zutaten besorgt und die Mischung in einer Hundetüte inhaliert. Es brachte nicht den erwarteten Effekt.
Dann kam ein Mitpatient auf mein Zimmer. „Dein ganzes Zimmer stinkt, das fällt auf! Ich kenne da was Besseres.“ Von ihm lernte ich den Missbrauch von Deo, Haarspray und anderen Dosen. Ein Kick von 30 Sekunden bis mehreren Minuten. Aus meiner damaligen Sicht „völlig in die Therapie integrierbar“. Sobald mir etwas zu viel wurde, ging ich „offiziell“ auf Toilette und war in Wirklichkeit völlig weggetreten. Nicht nachweisbar ohne Bluttest.
Ich schmuggelte täglich neue Dosen an den Kontrollen vorbei in meinen Ärmeln. Auf die Frage, was ich mit so viel Deo mache, reichte die Ausrede „Schweißprobleme“. Irgendwann hatte ich 30-50 leere Dosen im Schrank. Niemand hat es gemerkt.
Die Eskalation: Lyrica & Ketamin
Das Dosenproblem musste gelöst werden. Irgendwie kam ich an einen Typen mit Nasenring und das Thema Lyrica (Pregabalin) kam auf. Er schenkte mir ein paar 300er, und die wurden sofort konsumiert. Die Wirkung war auch ohne den üblichen Mischkonsum mit Energy Drinks oder Alkohol stark. Ich wurde zum Stammkunden.
Dann bot er mir Ketamin an. Nach meiner ersten Erfahrung hätte ich sofort aufhören sollen. Ich nahm eine viel zu hohe Dosis und erlebte einen Horrortrip. Ich sah den Türrahmen durch mein Zimmer „fahren“, krabbelte ins Bett und hatte das Gefühl, von außen auf mich selbst zu schauen. Ich dachte, ich sterbe und war okay damit. Ich habe gemerkt, wie mein Körper immer wieder nach Luft schnappte, weil ich das Atmen vergaß. Ich war im gefährlichen „K-Hole“.
Aber wie es so ist: Hat es mich einmal angefixt, mache ich weiter. Das Ketamin konsumierte ich heimlich, denn der Mitpatient, mit dem ich Deo konsumierte, hatte selbst ein Keta-Problem. Ihm das zu sagen, wäre gewesen, als hätte er mir Heroin unter die Nase gehalten.

Systemfehler: Lücken bei Tests & kriminelle Kontakte
Ich habe im Gruppenraum offen gesagt, dass Diazepam, Pola und Lyrica meine größten Trigger sind. Man hätte also wissen können, worauf man mich testen muss. Bei Lyrica hätte ich keinen Trick gekannt. Aber es wurde nie darauf getestet. Ein anderer opiatabhängiger Patient bemerkte sogar mal, wie ich wegnickte und schrie: „Alter, du siehst aus wie auf Pola!“ Er hat es gut gemeint, aber von da an war er für mich „unten durch“. Sorry dafür, falls du das liest.
⚠️ Wichtiger Hinweis: Ich verrate diese Dinge, damit Kliniken darauf aufmerksam werden – nicht, um Anleitungen zu geben!
Ich war in der Klinik bereits in diverse digitale, kriminelle Geschäfte verstrickt und wurde so zu einem kleinen „Helden“. Durch diese Kontakte bekam ich Einblick in das System der Drogentests. Ein nahegelegenes Adaptionshaus, wo 90% schon wieder drauf waren, bekam immer zuerst die neuen Tests. Es gab sogar Leute mit Zentralschlüsseln, die paketeweise Tests aus dem Medizinzimmer klauten. Das System war perfekt für uns.
Die letzten Monate & die harte Erkenntnis 😔
Irgendwann konsumierte ich mein Lyrica nicht mehr allein. Ein Kontakt besorgte uns täglich neue Streifen. Und dann kam der Tag, an dem es keine gab. Und da merkte ich wieder: „Fuck G@be, du hast ja genau so Entzug wie auf Pola, und dir geht es richtig scheiße.“ Das erste Mal merkten auch andere, wie schlecht es mir ging.
Und so kam es, dass ich die restlichen Monate meiner achtmonatigen Therapie völlig „drauf“ in der Klinik lebte – und niemand von der Leitung es wusste. Über 80 Patienten, zehn Therapeuten, unzählige Mitarbeiter. Nichts. Wenn es jemand gemerkt hat, dann der einzige männliche Pfleger dort. Er sagte mal den Satz: „Die Rückfälle müssen dann leider gehen, weil sie jemandem, der es ernst meint, den Platz wegnehmen.“ Er hatte so Recht.
Reflexion & die aktuelle Situation 🙏
Vom Abschlussgespräch mit dem Chefarzt habe ich ja schon berichtet. Dass er nichts gemerkt hat und mir einen riesen Vortrag hielt, wie gut er Süchtige erkennt, ist rückblickend ein Witz.
Aber ich mache der Klinik keinen Vorwurf für meinen Rückfall. Ich bin selbst dafür verantwortlich. Ein Suchtkranker meiner Kategorie findet immer einen Weg.
Wichtig ist, ihn zu dem Punkt zu bringen, an dem ich es nun allein geschafft habe: So zu reflektieren, dass er von Anfang an ehrlich kommuniziert. Das konnte ich damals nicht, wegen der Regel „Der Rückfall muss sofort nach Konsum gesagt werden, sonst fliegst du raus!“. Mein Rückfall begann aber schon mit dem Kauf im Baumarkt. Da hätte ich es melden müssen – und wäre geflogen. Und ich wollte es ja unbedingt „schaffen“.
Wie es dann nach der Therapie weiterging und wie ich vom Downer plötzlich zum Upper wurde, was bis zu diesen Zeilen geführt hat, erzähle ich im nächsten Teil.
Häufige Fragen (FAQ) zum Thema Rückfall in der Therapie
Warum werden Drogen wie Deo-Spray oder andere „Schnüffelstoffe“ missbraucht?
Hauptgründe sind die extrem leichte Verfügbarkeit (in jedem Haushalt/Supermarkt), der niedrige Preis und die Tatsache, dass sie bei vielen gängigen Drogentests nicht nachweisbar sind. Der Rausch ist zwar kurz und die Risiken sind enorm (bis hin zum plötzlichen Herztod), aber für jemanden in einer kontrollierten Umgebung wie einer Klinik scheint es oft der einzige erreichbare „Ausweg“ zu sein.
Was ist ein „K-Hole“ bei Ketamin-Konsum?
Ein „K-Hole“ (Ketamin-Loch) beschreibt eine Erfahrung bei einer hohen Dosis Ketamin, die einer Nahtoderfahrung ähneln kann. Es ist ein Zustand starker Dissoziation, bei dem man das Gefühl hat, den eigenen Körper zu verlassen, die Wahrnehmung von Zeit und Raum komplett verloren geht und man sich nicht mehr bewegen oder kommunizieren kann. Dies kann extrem beängstigend sein und birgt die Gefahr, dass man z.B. das Atmen „vergisst“.
Ist es wirklich die Schuld des Patienten, wenn das Kliniksystem so viele Lücken hat?
Das ist eine komplexe Frage. Wie im Text steht: Die Verantwortung für den eigenen Konsum liegt immer bei einem selbst. Ein motivierter Süchtiger findet immer Wege. Gleichzeitig haben Kliniken eine Fürsorgepflicht und sollten sich der Tricks und Methoden bewusst sein, um ein möglichst sicheres Umfeld („Safe Space“) zu schaffen. Wenn bekannte Lücken (wie bei den Drogentests) nicht geschlossen werden, trägt das System eine Mitverantwortung, da es den Rückfall erleichtert.