Guten Morgen Berlin, guten Morgen an den Rest der Welt!
Gestern gab es keinen Tagebucheintrag. Ich war mehr mit sozialen Kontakten und fremden Betten beschäftigt. 😉 Mein Schlafrhythmus ist der alte, um 4 Uhr war ich wach. Aber die letzte Nacht hat mir gezeigt, wie sehr sich manche unter euch für mich interessieren. Eine Leserin hat mir nachts per WhatsApp geschrieben und mir ein Angebot gemacht, das mich sprachlos gemacht hat. Danke dafür!
Heute muss ich über gestern berichten, denn da hat es mich nach langer Zeit mal wieder richtig erwischt: Suchtdruck!
Wenn der Entzug zuschlägt: Kein Kaffee, kein Tabak, kein Geld ☕
Mir war klar, dass ich noch nicht über den Berg bin. Aber es ist faszinierend, wie banal die Auslöser sein können. Durch meine aktuelle finanzielle Situation kam gestern quasi das Ende meines Monats. Das Ergebnis: Kein Kaffee und kein Tabak mehr. Und als dann auch noch die Pepsi Zero fehlte, war Amok in meinem Kopf.
Ich war hibbelig wie auf einem Elvanse-Entzug und konnte mich kaum auf die Arbeit hier konzentrieren. Ausgelöst hat es, denke ich, der simple Nikotin-Entzug. Dieser hat sich dann Stück für Stück aufgebaut, und plötzlich hatte ich Lust auf ganz andere Dinge.

Der Kampf mit dem Hyde: Die Versuchung am Kotti 👹
Und da kommt mein Wissen mir leider in die Quere. Ich habe dummerweise noch Medikamente hier, die ich für andere organisiert hatte. Mein Hyde schrie: „Fahr zum Kotti, mach schnelles Geld!“ Oh Mann, ich musste so mit meinem Gewissen kämpfen.
Der erste Skill, den ich genutzt habe: eine Freundin kontaktieren und von meiner Situation berichten. Eine andere habe ich um Infos gebeten, ob man irgendwo ein Darlehen beantragen kann.
Kurz darauf rief eine von beiden an. „Pass auf, ich komme gerade vom Einkaufen, halte kurz bei Dir, reiche Dir ne Cola & später kommst Du zu mir und bekommst etwas Kaffee und Tabak. Du fährst auf keinen Fall zum Kotti!“
Sie hatte so recht. Ich hätte es vielleicht nicht für den Konsum gemacht. Aber dort zu sein, die alte Szene zu treffen, Tauschgeschäfte… das Risiko für einen Rückfall wäre riesig gewesen. Mein Hyde hätte die Kontrolle übernommen.
Ehrlichkeit, auch bei Rückschritten: Mein Fazit des Tages
Ich bin dann am Abend zu dieser Freundin. Auf sie bin ich übrigens total stolz, da sie nun auch seit über 2 Wochen clean ist, unter anderem motiviert durch diese Webseite. Sie hat mich mit Kaffee und Tabak versorgt und mich damit nervlich über Wasser gehalten.
Aber ich muss ehrlich sein: Der Tag endete trotzdem mit einem Verhaltensrückfall. Um meinen Kühlschrank zu füllen und neuen Tabak zu kaufen, habe ich noch eine kleine Medikamenten-Organisation durchgezogen und ein paar Euro gemacht.
Früher (vor 1 Monat und 9 Tagen) wäre dieses Geld sofort in Stoff umgewandelt worden. Kippen hätte ich von der Straße gesammelt, Essen wäre egal gewesen. Heute habe ich mir eine gesunde Mischung aus Kohlenhydraten und Eiweiß geholt. Das soll nichts entschuldigen, ich hasse mich selbst dafür, dass ich noch solche Wege gehen muss. Aber es ist ein Fortschritt. Ein riesiger sogar. Sobald meine finanzielle Situation wieder normal ist, ist Schluss damit.
Danach konnte ich sogar ein paar Stunden schlafen. Ein Wunder bei meinem Opiat-Affen! Mitten im Schlaf klingelte eine Freundin an, die Ablenkung brauchte. „Hop Hop“, 5 Minuten später stand sie vor der Tür und wir sind spontan in den Wald gefahren.
Und dieser Spaziergang war so schön. Ich glaube, ich habe es das erste Mal geschafft, nicht nur über Drogen und Kriminalität zu sprechen. Ich werde wieder ruhiger, mein Entzugs-Gequassel wie ein Wasserfall lässt nach.
Jetzt arbeite ich weiter am Drogenlexikon und freue mich auf morgen. Da wurde ich spontan zu einem Hunde-Treffen in meinem Geburtsort eingeladen. Ich bin schon ziemlich aufgeregt und gespannt.
Ihr seht, die Abstände zu schlechten Momenten werden größer. Und wenn sie kommen, schaffe ich es schneller wieder heraus. Weil ich nicht aufgebe. Und das könnt ihr auch.
Danke für Deine Zeit in diesem Artikel!

Häufige Fragen (FAQ) zum Thema Suchtdruck & Recovery
Ist Nikotinentzug wirklich ein starker Trigger für andere Drogen?
Ja, absolut. Nikotin ist ein starkes Stimulans. Der Entzug davon verursacht erhebliche Reizbarkeit, innere Unruhe und starkes Craving. Dieser unangenehme körperliche und psychische Zustand kann das Verlangen auslösen, ihn mit einer anderen, „stärkeren“ Substanz zu „behandeln“ oder zu betäuben. Viele unterschätzen die Macht der Nikotinsucht als Trigger für ihre Hauptsucht.
Was ist ein „Verhaltensrückfall“ und warum ist er gefährlich?
Ein Verhaltensrückfall bedeutet, dass man zwar nicht die primäre Droge konsumiert, aber in alte, sucht-assoziierte Verhaltensmuster zurückfällt. Wie in meinem Beispiel kann das das „Organisieren“ oder Handeln mit Substanzen sein, auch wenn man sie nicht selbst nimmt. Es ist ein gefährlicher Schritt zurück in die alte Welt und ein Warnsignal, da er die Tür für einen echten Konsumrückfall weit aufstößt.
Was bedeutet der HALT-Grundsatz, von dem oft die Rede ist?
HALT ist eine Eselsbrücke für die vier häufigsten und banalsten Auslöser für Suchtdruck: Hungrig, Angry (wütend), Lonely (einsam), Tired (müde). Bevor man einem Craving nachgibt, sollte man immer prüfen, ob eines dieser Grundbedürfnisse nicht erfüllt ist. Oft kann eine Mahlzeit, ein klärendes Gespräch, ein Anruf bei einem Freund oder ein kurzes Nickerchen den Suchtdruck schon massiv reduzieren.
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