Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen erleben oft eine Achterbahn der Gefühle. Sie fühlen sich hilflos, überfordert und allein. Oftmals wissen sie nicht, an wen sie sich wenden sollen oder wie sie mit der Situation umgehen können. Eine Selbsthilfegruppe kann hier eine wertvolle Unterstützung sein. Doch ist eine Selbsthilfegruppe auch für Angehörige geeignet? In diesem Artikel wollen wir diese Frage genauer beleuchten.
Was ist eine Selbsthilfegruppe und wie funktioniert sie?
Selbsthilfegruppen sind Zusammenschlüsse von Menschen, die ein gemeinsames Problem oder Anliegen haben . In erster Linie sind Selbsthilfegruppen für Menschen gedacht, die selbst von gesundheitlichen Problemen betroffen sind. Sie finden in der Gruppe Hilfe, Rat und Kraft. Daneben gibt es aber auch Gruppen für Angehörige, die nicht selbst von einer Krankheit oder Behinderung betroffen sind, jedoch einem betroffenen Menschen nahe stehen .
In einer Selbsthilfegruppe treffen sich Menschen regelmäßig, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam Lösungen zu finden. Die Gruppen werden in der Regel von den Teilnehmern selbst organisiert und moderiert. Es gibt keine festgeschriebenen Kriterien zur Teilnahme und Aufnahme in eine Gruppe. Wichtig ist lediglich, dass die Teilnehmer die Prinzipien der Gruppe respektieren und achten .
Arten von Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen gibt es in vielfältigen Formen und Ausrichtungen. Neben den Gruppen für Menschen, die selbst betroffen sind, gibt es auch spezielle Gruppen für Angehörige. Besonders gängig sind unter anderem Selbsthilfegruppen für:
- Eltern von Betroffenen
- Partner*innen von Betroffenen
- Geschwister(kinder) von Betroffenen
Diese altersspezifischen Gruppen ermöglichen es den Angehörigen, sich mit Menschen in ähnlichen Lebenssituationen auszutauschen und gezielt auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Welche Vorteile bieten Selbsthilfegruppen für Angehörige?
Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann für Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen viele Vorteile haben:
- Austausch mit Menschen in ähnlichen Situationen: In der Selbsthilfegruppe treffen Angehörige auf Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Sie merken, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind und können sich offen über ihre Sorgen und Ängste austauschen .
- Emotionale Unterstützung: Angehörige erfahren in der Gruppe Verständnis und emotionale Unterstützung. Sie können sich aussprechen, ohne Angst haben zu müssen, verurteilt oder stigmatisiert zu werden .
- Praktische Tipps und Informationen: In der Gruppe können Angehörige praktische Tipps und Informationen zum Umgang mit der Erkrankung erhalten. Sie lernen beispielsweise, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen oder wo sie professionelle Hilfe finden können .
- Entlastung und neue Perspektiven: Der Austausch mit anderen Angehörigen kann eine große Entlastung sein. Die Teilnehmer lernen neue Perspektiven kennen und können sich gegenseitig motivieren und stärken . Durch Gespräche mit anderen pflegenden Angehörigen lernen sie, dass nicht der Pflegebedürftige selbst, sondern die Pflegesituation der Grund für die Belastung ist . Dies hilft, die Situation neu zu bewerten und sich selbst nicht die Schuld an der Belastung zu geben.
- Reduzierung von sozialer Isolation: Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen fühlen sich oft isoliert. Die Selbsthilfegruppe bietet die Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen Menschen zu vernetzen .
- Emotionale und psychische Bewältigung: Gerade bei Suchterkrankungen sind Angehörige oft unsicher und überfordert. Gespräche und gemeinsame Aktivitäten in der Selbsthilfegruppe unterstützen bei der emotionalen und psychischen Bewältigung der Situation . In der Selbsthilfegruppe können Angehörige von Suchtkranken offen über ihre Probleme sprechen, ohne Angst vor Verurteilung oder Stigmatisierung haben zu müssen . Sie erfahren, dass sie nicht allein sind und dass es keine Schande ist, einen suchtkranken Menschen in der Familie zu haben . Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft ihnen, die Situation besser zu verstehen und neue Perspektiven zu gewinnen . Sie lernen, wie sie sich aus der Co-Abhängigkeit lösen und für sich selbst sorgen können . Die Gruppe gibt ihnen Halt und hilft ihnen, die Herausforderungen im Alltag besser zu bewältigen . Darüber hinaus können Angehörige in der Selbsthilfegruppe lernen, die Krankheit besser zu verstehen und die Verhaltensweisen des Suchtkranken einzuordnen .
Welche Herausforderungen gibt es?
Neben den vielen Vorteilen gibt es auch einige Herausforderungen, die die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe für Angehörige mit sich bringen kann:
- Zeitaufwand: Die regelmäßige Teilnahme an den Gruppentreffen erfordert Zeit. Dies kann für Angehörige, die berufstätig sind oder sich um Kinder kümmern, eine Herausforderung darstellen.
- Emotionale Belastung: Der Austausch über die Erkrankung und die damit verbundenen Probleme kann emotional belastend sein und die eigenen Gefühle und Ängste wieder hervorrufen.
- Schwierigkeiten, sich zu öffnen: Manche Angehörige haben Schwierigkeiten, sich vor anderen Menschen zu öffnen und über ihre Gefühle zu sprechen, besonders wenn es um sehr persönliche oder sensible Themen geht.
- Angst vor Stigmatisierung: Einige Angehörige haben Angst, dass sie stigmatisiert werden, wenn sie sich einer Selbsthilfegruppe anschließen, oder dass Informationen über die Erkrankung ihres Angehörigen nach außen dringen könnten.
Tipps für Angehörige, die überlegen, einer Selbsthilfegruppe beizutreten
Wenn Du Angehöriger eines Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder Suchterkrankung bist und überlegst, einer Selbsthilfegruppe beizutreten, solltest Du folgende Tipps beachten:
- Informiere Dich über verschiedene Gruppen: Es gibt viele verschiedene Selbsthilfegruppen. Informieren Dich über die verschiedenen Angebote und suche Dir eine Gruppe aus, die zu Dir passt. Achte dabei auf die Gruppengröße, die Themenschwerpunkte und die Altersstruktur der Teilnehmer.
- Nehme unverbindlich an einem Treffen teil: Die meisten Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, unverbindlich an einem Treffen teilzunehmen. So kannst Du Dir ein Bild von der Gruppe machen und entscheiden, ob sie das Richtige für Dich ist. Beobachte die Gruppendynamik, die Gesprächskultur und ob Du Dich in der Gruppe wohlfühlen kannst.
- Sei Sie offen und ehrlich: In der Selbsthilfegruppe ist es wichtig, offen und ehrlich über Deine Gefühle und Erfahrungen zu sprechen. Nur so kannst Du von der Unterstützung der Gruppe profitieren und selbst anderen helfen.
- Gebe Dir Zeit: Es braucht Zeit, sich in einer Selbsthilfegruppe einzuleben und Vertrauen zu den anderen Teilnehmern aufzubauen. Sei geduldig mit Dir selbst und erwarte nicht, dass Du sofort alle Probleme lösen kannst.
- Habe keine Angst, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen: Die Selbsthilfegruppe kann eine wertvolle Unterstützung sein, ersetzt aber keine professionelle Hilfe. Wenn Du das Gefühl hast, dass Du zusätzliche Unterstützung benötigst wende Dich an einen Arzt, Psychotherapeuten oder eine Beratungsstelle.
Beispiele für Selbsthilfegruppen für Angehörige
Es gibt eine Vielzahl von Selbsthilfegruppen, die speziell für Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen angeboten werden. Hier einige Beispiele:
- Angehörige von Menschen mit Depressionen
- Angehörige von Menschen mit Angststörungen
- Angehörige von Menschen mit Suchterkrankungen
- Angehörige von Menschen mit Demenz
- Angehörige von Menschen mit Essstörungen
Fazit
Eine Selbsthilfegruppe kann für Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen eine wertvolle Unterstützung sein. Sie bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, emotionale Unterstützung zu erhalten und praktische Tipps zum Umgang mit der Erkrankung zu bekommen. In der Gruppe erfahren Angehörige, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind und lernen neue Perspektiven kennen. Gerade für pflegende Angehörige kann die Erkenntnis wichtig sein, dass nicht der Pflegebedürftige an sich, sondern die Pflegesituation die Belastung auslöst.
Wenn Du Angehöriger bist und überlegst, einer Selbsthilfegruppe beizutreten, solltest Du Dich über die verschiedenen Angebote informieren und unverbindlich an einem Treffen teilnehmen.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Selbsthilfegruppe keine professionelle Hilfe ersetzt. Bei Bedarf solltest Du Dich an einen Arzt, Psychotherapeuten oder eine Beratungsstelle wenden.
Letztendlich bieten Selbsthilfegruppen Angehörigen eine wichtige Stütze, fördern ihre Widerstandsfähigkeit und befähigen sie, die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, mit mehr Selbstvertrauen und Unterstützung zu bewältigen.
Leave a Comment