Nitazen, eine Klasse synthetischer Opioide, hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und stellt eine ernste Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Diese Drogen sind extrem potent – einige hundertmal stärker als Morphin – und bergen ein hohes Risiko für Überdosierungen und Todesfälle. In diesem Blog-Beitrag werden wir uns eingehend mit Nitazen befassen, ihre Geschichte, Wirkungsweise, Missbrauchspotenzial und die damit verbundenen Risiken beleuchten. Zudem werden wir auf die Herausforderungen bei der Erkennung und Behandlung von Nitazen-Missbrauch eingehen und die Rolle von Online-Händlern und dem Darknet bei der Verbreitung dieser Substanzen analysieren.
Was ist Nitazen?
Nitazene sind synthetische Opioide, die in den 1950er Jahren von Forschern in der Schweiz als Alternative zu Morphin entwickelt wurden. Sie wurden jedoch nie für den medizinischen Gebrauch zugelassen, da sie ein hohes Suchtpotenzial und eine geringe therapeutische Breite aufweisen, d.h. die Dosis, die eine therapeutische Wirkung erzielt, liegt sehr nah an der Dosis, die zu einer Überdosierung führt. Lange Zeit waren Nitazene nicht Teil des illegalen Drogenmarktes und hauptsächlich nur Forschern bekannt, die sich mit Opioid-Pharmakologie beschäftigten. Erst in den letzten Jahren sind sie vermehrt im Drogenmilieu aufgetaucht.
Nitazene wirken, indem sie an Opioidrezeptoren im Gehirn binden und so Schmerzsignale blockieren. Sie erzeugen ähnliche Effekte wie andere Opioide, wie Euphorie, Entspannung, Schläfrigkeit und Schmerzreduktion.
Es gibt mindestens 13 verschiedene Arten von Nitazenen. Einige der häufigsten sind:
Nitazen-Art | Potenz im Vergleich zu Morphin | Potenz im Vergleich zu Fentanyl |
Etonitazen | 1.000x stärker | 10x stärker |
Isotonitazen | 500x stärker | 5x stärker |
Protonitazen | 200x stärker | 2x stärker |
Metonitazen | ||
Butonitazen | ||
Etodesnitazen | ||
Flunitazene |
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Nitazene sind in verschiedenen Formen erhältlich, darunter Pillen, Pulver und Sprays. Sie können intravenös, intranasal, oral, sublingual oder durch Inhalation (Vaping) konsumiert werden.
Wirkungsweise von Nitazen
Nitazene wirken auf das zentrale Nervensystem, indem sie an die Opioidrezeptoren im Gehirn und im Rückenmark binden. Dies führt zu einer Freisetzung von Endorphinen, körpereigenen Stoffen, die schmerzlindernd und euphorisierend wirken. Nitazene interagieren mit verschiedenen Opioidrezeptoren, darunter auch einem Rezeptor, der eine wichtige Rolle bei der Schmerzreduktion und dem Belohnungssystem des Gehirns spielt. Die hohe Potenz von Nitazenen im Vergleich zu anderen Opioiden wie Heroin oder Fentanyl macht sie besonders gefährlich. Schon geringe Mengen können zu einer Überdosierung führen, die sich in Atemdepression, Bewusstlosigkeit und Tod äußern kann.
Missbrauch von Nitazen
Nitazene werden missbräuchlich verwendet, um einen Rauschzustand zu erreichen. Konsumenten berichten von Euphorie, Entspannung und einem Gefühl der Losgelöstheit. Aufgrund ihrer hohen Potenz und der damit verbundenen Gefahr einer Überdosierung ist der Missbrauch von Nitazenen jedoch besonders riskant. Nitazene werden oft als Heroinersatz oder in Kombination mit anderen Drogen konsumiert. Sie werden auch häufig als Streckmittel in anderen Drogen wie Kokain oder Heroin verwendet, ohne dass die Konsumenten dies wissen. Besonders besorgniserregend ist, dass Nitazene anderen Substanzen wie Heroin, Fentanyl und sogar Cannabis beigemischt werden, um die Herstellungskosten zu senken oder die Wirkung zu verstärken. Dies erhöht das Risiko einer ungewollten Überdosierung, da Konsumenten die tatsächliche Zusammensetzung und Potenz der Droge nicht kennen.
Der Online-Handel spielt eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von Nitazenen. Eine Untersuchung des Recherchenetzwerks Bellingcat und der estnischen Tageszeitung Postimees ergab, dass der Online-Handel mit Nitazenen in Europa vor allem von China aus gesteuert wird. Chinesische Händler werben auf Online-Marktplätzen und Social-Media-Plattformen für Nitazene und bieten weltweite Lieferungen an. Oft verstecken sich die Verkäufer hinter undurchsichtigen Geschäftsstrukturen, um die Strafverfolgung zu erschweren.
Erkennung von Nitazen-Missbrauch
Die Erkennung von Nitazen-Missbrauch kann schwierig sein, da die Symptome denen anderer Opioid-Intoxikationen ähneln. Anzeichen für einen Nitazen-Missbrauch können sein:
- Verengte Pupillen
- Schläfrigkeit
- Verwirrtheit
- Übelkeit und Erbrechen
- Langsame Atmung
- Bewusstlosigkeit
- Bläuliche Verfärbung der Lippen und der Haut
Risiken des Nitazen-Missbrauchs
Der Missbrauch von Nitazenen birgt zahlreiche Risiken. Diese lassen sich in drei Kategorien einteilen:
Körperliche Risiken:
- Überdosierung: Nitazene sind extrem potent und können schon in geringen Dosen zu einer Überdosierung führen. Eine Überdosierung kann zu Atemdepression, Bewusstlosigkeit und Tod führen. Da Nitazene oft unwissentlich konsumiert werden, ist das Risiko einer Überdosierung besonders hoch.
- Sucht: Nitazene haben ein hohes Suchtpotenzial. Regelmäßiger Konsum kann zu einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit führen.
- Entzugssymptome: Der Entzug von Nitazenen kann mit schweren Symptomen wie starkem Schwitzen, Unruhe, Fieber, Schwindel, grippeähnlichen Symptomen, Angstzuständen und Panikattacken einhergehen.
- Wechselwirkungen mit anderen Drogen: Die Kombination von Nitazenen mit anderen Drogen, insbesondere Alkohol oder Benzodiazepinen, kann die Risiken einer Atemdepression und Überdosierung erheblich erhöhen.
- Gesundheitsschäden: Langfristiger Nitazen-Missbrauch kann zu Schäden an Organen wie Lunge, Gehirn und Herz führen.
Psychische Risiken:
- Psychische Probleme: Nitazen-Missbrauch kann psychische Probleme wie Depressionen, Angstzustände und Psychosen verstärken oder auslösen.
- Verändertes Verhalten: Nitazene können zu Veränderungen im Verhalten führen, wie z.B. erhöhte Risikobereitschaft, Impulsivität und Aggressivität.
Soziale Risiken:
- Soziale Isolation: Nitazen-Missbrauch kann zu sozialer Isolation und dem Verlust von Freunden und Familie führen.
- Probleme am Arbeitsplatz oder in der Schule: Sucht und Entzugssymptome können zu Problemen am Arbeitsplatz oder in der Schule führen.
- Finanzielle Probleme: Die Beschaffung von Drogen kann zu finanziellen Schwierigkeiten führen.
- Strafrechtliche Folgen: Der Besitz und Handel von Nitazenen ist illegal und kann zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.
Prävention von Nitazen-Missbrauch
Die Prävention von Nitazen-Missbrauch ist eine wichtige Aufgabe, um die Verbreitung dieser gefährlichen Drogen einzudämmen. Dazu gehören:
- Aufklärung über die Risiken des Nitazen-Konsums: Information und Aufklärungskampagnen, die über die Gefahren von Nitazenen aufklären, sind essentiell. Besonders wichtig ist es, junge Menschen über die Risiken des Drogenkonsums zu informieren.
- Stärkung der Drogenpräventionsprogramme: Drogenpräventionsprogramme in Schulen und Gemeinden sollten gestärkt werden, um Jugendliche vor Drogenkonsum zu schützen.
- Beschränkung der Verfügbarkeit von Nitazenen: Strafverfolgungsbehörden müssen den illegalen Handel mit Nitazenen bekämpfen und die Verfügbarkeit dieser Drogen einschränken. Kontrollen im Online-Handel und an den Grenzen sind notwendig, um den Schmuggel von Nitazenen zu unterbinden.
- Verbesserung der Suchthilfeangebote: Ein niedrigschwelliges und gut zugängliches Suchthilfeangebot ist wichtig, um Menschen mit Suchtproblemen frühzeitig zu erreichen und zu unterstützen. Dazu gehören Beratungsstellen, Entgiftungseinrichtungen und Therapieangebote.
- Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Suchtproblemen: Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von Suchtproblemen ist entscheidend, um schwerwiegende gesundheitliche und soziale Folgen zu vermeiden. Ärzte, Lehrer und Sozialarbeiter sollten für die Anzeichen von Drogenmissbrauch sensibilisiert werden.
- Drug Checking: Drug Checking ermöglicht es Konsumenten, die Zusammensetzung ihrer Drogen testen zu lassen und so mögliche Risiken zu erkennen. Drug-Checking-Angebote sollten ausgebaut und bekannter gemacht werden.
- Massnahmen auf regionaler Ebene: Regionale Behörden können Massnahmen ergreifen, um die Verbreitung von synthetischen Opioiden einzudämmen. So plant beispielsweise der Kanton Basel-Stadt in der Schweiz, Massnahmen gegen die Verbreitung von Fentanyl und anderen synthetischen Opioiden zu ergreifen. Dazu gehören die Zusammenarbeit mit Süchtigen, der Polizei und Drug-Checking-Angeboten.
Legalität von Nitazenen
Nitazene sind in den meisten Ländern illegal. In Deutschland fallen sie seit 2021 unter das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG). Einige Nitazene sind auch in Anlage I (nicht verkehrsfähig) oder Anlage II (verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähig) des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) gelistet. In den USA wurden mehrere Nitazene, darunter Isotonitazen, als Schedule I Substanzen eingestuft, was bedeutet, dass sie kein anerkanntes medizinisches Anwendungspotenzial haben und ein hohes Missbrauchspotenzial aufweisen. Auch in Grossbritannien sind einige Nitazene als Klasse A Drogen eingestuft, was die strengste Kategorie für illegale Drogen darstellt. Die rechtliche Situation von Nitazenen ist jedoch international unterschiedlich und kann sich ändern.
Behandlungsmöglichkeiten bei Nitazen-Missbrauch
Die Behandlung von Nitazen-Missbrauch umfasst in der Regel eine Kombination aus medikamentöser Therapie und Psychotherapie.
Medikamentöse Therapie:
- Naloxon: Naloxon ist ein Medikament, das die Wirkung von Opioiden blockieren kann. Es wird als Notfallmedikament bei Überdosierungen eingesetzt. Bei einer Nitazen-Überdosierung können jedoch höhere Dosen Naloxon als bei anderen Opioiden erforderlich sein.
- Substitutionstherapie: Eine Substitutionstherapie mit Methadon oder Buprenorphin kann helfen, die Entzugssymptome zu lindern und den Drogenkonsum zu kontrollieren.
Psychotherapie:
- Individuelle Therapie: In der individuellen Therapie können die Ursachen des Drogenkonsums bearbeitet und neue Bewältigungsstrategien entwickelt werden.
- Gruppentherapie: Die Gruppentherapie bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und voneinander zu lernen.
Weitere Behandlungsmassnahmen:
- Entgiftung: Eine Entgiftung unter ärztlicher Aufsicht kann helfen, den Körper von Nitazenen zu befreien.
- Soziale Unterstützung: Soziale Unterstützung durch Familie, Freunde oder Selbsthilfegruppen ist wichtig für den Behandlungserfolg.
Selbsthilfegruppen bei Nitazen-Missbrauch
Selbsthilfegruppen bieten Betroffenen von Nitazen-Missbrauch und ihren Angehörigen Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe. In Selbsthilfegruppen können Betroffene ihre Erfahrungen austauschen, sich gegenseitig motivieren und von den Erfahrungen anderer lernen. Selbsthilfegruppen können eine wertvolle Ergänzung zur professionellen Suchthilfe sein.
Statistiken zu Nitazen-Missbrauch
Die Erfassung von Daten zum Nitazen-Missbrauch ist aufgrund der relativ neuen Verbreitung dieser Drogen noch begrenzt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Nitazene zunehmend in den Drogenmarkt eindringen und zu einer steigenden Zahl von Todesfällen führen. In Europa wurden seit 2019 16 verschiedene Nitazene entdeckt, und die Zahl der Todesfälle und Vergiftungen durch Nitazene nimmt zu. Die Dunkelziffer dürfte aufgrund fehlender Nachweise in toxikologischen Untersuchungen deutlich höher liegen. In den USA starben im Jahr 2020 schätzungsweise 92.000 Menschen an Drogenüberdosierungen, wobei fast zwei Drittel der Todesfälle auf synthetische Opioide, hauptsächlich Fentanyl, zurückzuführen waren. Es wird vermutet, dass Nitazene seit 2019 an bis zu 2.000 Todesfällen beteiligt waren.
Schlussfolgerung
Nitazene stellen eine neue und gefährliche Bedrohung in der Drogenwelt dar. Ihre hohe Potenz, die unbekannte Zusammensetzung und das damit verbundene Risiko für Überdosierungen und Todesfälle machen sie zu einer ernsten Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Die zunehmende Verbreitung von Nitazenen im Drogenmarkt ist alarmierend und erfordert ein entschlossenes Handeln. Umfassende Präventions- und Behandlungsmassnahmen sind notwendig, um die Verbreitung von Nitazenen einzudämmen und die damit verbundenen Schäden zu minimieren. Dazu gehören Aufklärungskampagnen, die Stärkung der Drogenprävention, die Beschränkung der Verfügbarkeit von Nitazenen, die Verbesserung der Suchthilfe und die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Suchtproblemen. Forschung und Datenerhebung sind unerlässlich, um das Problem des Nitazen-Missbrauchs besser zu verstehen und wirksame Strategien zur Bekämpfung zu entwickeln. Nur durch ein gemeinsames Vorgehen von Politik, Strafverfolgungsbehörden, Gesundheitswesen und Gesellschaft kann es gelingen, dieser neuen Gefahr in der Drogenwelt entgegenzutreten.
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