Atropin

Atropin: Vom Nachtschattengewächs zum Lebensretter

Einleitung:

Hast Du schon einmal von Atropin gehört? Vielleicht im Zusammenhang mit einer Notfallsituation oder einer Augenuntersuchung? Atropin ist ein Medikament, das aus der Tollkirsche gewonnen wird und in der Medizin vielseitig eingesetzt wird. In diesem Beitrag erklären wir Dir, was Atropin ist, wie es wirkt und wofür es verwendet wird.

Was ist Atropin und woher kommt es?

Atropin ist ein Wirkstoff, der ursprünglich aus der Tollkirsche (Atropa belladonna) stammt, einer giftigen Pflanze. Der Name „belladonna“ bedeutet „schöne Frau“ auf Italienisch, da die Pflanze früher verwendet wurde, um die Pupillen zu erweitern und die Augen größer erscheinen zu lassen. Heute wird Atropin meist synthetisch hergestellt.

Wie wirkt es? (Der „Bremser-Nerv“ und seine Gegenspieler)

Um zu verstehen, wie Atropin wirkt, müssen wir einen kleinen Ausflug in die Funktionsweise unseres Körpers machen. Stelle Dir vor, Du hast in Ihrem Körper einen „Bremser-Nerv“ und einen „Gasgeber-Nerv“, die beide wichtige Funktionen steuern. Der „Bremser-Nerv“ (in der Fachsprache heißt er Vagusnerv oder Parasympathikus) sorgt zum Beispiel dafür, dass Dein Herz langsamer schlägt, Deine Verdauung angeregt wird und Deine Pupillen sich verengen.

Es wirkt als Gegenspieler dieses „Bremser-Nervs“. Es blockiert bestimmte Andockstellen (Rezeptoren) für den Botenstoff dieses Nervs (Acetylcholin). Dadurch wird die Wirkung des „Bremser-Nervs“ abgeschwächt oder aufgehoben. Das Ergebnis: Das Herz kann schneller schlagen, die Pupillen erweitern sich, und die Produktion von Speichel und Magensaft wird reduziert.

Atropin Wirkung auf die Nerven.

Wann wird Atropin eingesetzt? (Anwendungsgebiete)

Atropin wird in verschiedenen Situationen eingesetzt, in denen es wichtig ist, die Wirkung des „Bremser-Nervs“ zu blockieren:

  1. Notfallmedizin:
    • Langsamer Herzschlag (Bradykardie): Wenn das Herz zu langsam schlägt.
    • Herzstillstand (Asystolie): In manchen Fällen kann Atropin auch bei einem Herzstillstand eingesetzt werden.
    • Vergiftungen: Es ist ein wichtiges Gegengift bei Vergiftungen mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln (Organophosphaten) und Pilzgiften (z.B. Muskarin). Diese Stoffe verstärken die Wirkung des „Bremser-Nervs“ extrem, was zu lebensbedrohlichen Symptomen führen kann. Atropin hebt diese Wirkung auf.
  2. Augenheilkunde:
    • Pupillenerweiterung (Mydriasis): Atropin-Augentropfen, um die Pupillen zu erweitern. Das ermöglicht dem Augenarzt, den Augenhintergrund besser zu untersuchen und bestimmte Erkrankungen zu erkennen.
    • Ausschalten der Scharfstellung (Zykloplegie): Atropin kann auch die Fähigkeit des Auges, sich auf unterschiedliche Entfernungen scharf zu stellen, vorübergehend ausschalten. Das kann bei bestimmten Augenentzündungen oder nach Operationen notwendig sein.
  3. Vor Operationen (Anästhesie):
    • Vor Operationen, um die Speichel- und Schleimproduktion in den Atemwegen zu reduzieren. Das erleichtert die Beatmung während der Narkose.
    • Um die Wirkung bestimmter Medikamente, die die Muskeln entspannen (Muskelrelaxantien), am Ende einer Operation aufzuheben.
  4. Weitere Anwendungsgebiete (kurz):
  • Bei manchen Magen-Darm-Erkrankungen mit Krämpfen.
  • Bei einer überaktiven Blase (Reizblase), ebenfalls oft durch andere Medikamente ersetzt.
  • In der Palliativmedizin (bei schwerstkranken Menschen) zur Reduktion von Atemgeräuschen („Rasselatmung“).

Welche Nebenwirkungen hat Atropin?

Da Atropin die Wirkung des „Bremser-Nervs“ im ganzen Körper beeinflusst, kann es zu verschiedenen Nebenwirkungen kommen. Die meisten sind vorübergehend und nicht gefährlich. Häufige Nebenwirkungen sind:

  • Mundtrockenheit
  • Verschwommenes Sehen
  • Erweiterte Pupillen (Lichtempfindlichkeit)
  • Herzrasen
  • Schwierigkeiten beim Wasserlassen
  • Verstopfung
  • Hautrötung und -trockenheit

Seltener, aber ernster, können sein:

  • Verwirrtheit, Unruhe, Halluzinationen (besonders bei älteren Menschen)
  • Starker Anstieg des Augeninnendrucks (Glaukomanfall) bei Menschen mit einer Veranlagung dafür
  • Harnverhalt (Unfähigkeit, die Blase zu entleeren)

Wann darf Atropin nicht angewendet werden? (Kontraindikationen)

Es gibt Situationen, in denen es nicht oder nur mit großer Vorsicht verwendet werden darf. Dazu gehören:

  • Engwinkelglaukom: Eine bestimmte Form des Grünen Stars, bei der der Augeninnendruck gefährlich ansteigen kann.
  • Bestimmte Herzerkrankungen: Z.B. sehr schneller Herzschlag (Tachykardie).
  • Vergrößerte Prostata: Kann zu Problemen beim Wasserlassen führen.
  • Schwere Darmerkrankungen: Z.B. Darmverschluss.
  • Myasthenia gravis: Eine seltene Muskelerkrankung

Wichtig: Wenn Du regelmäßig Medikamente einnimmst oder Vorerkrankungen hast, spreche unbedingt mit Deinem Arzt, bevor Du Atropin erhälst. Er kann beurteilen, ob es für Dich geeignet ist.

Wie wird Atropin verabreicht?

Es wird auf verschiedene Arten verabreicht:

  • Als Spritze: In Notfällen wird Atropin meist direkt in eine Vene (intravenös) oder unter die Haut (subkutan) gespritzt.
  • Als Infusion: In manchen Fällen wird es auch als Infusion über einen längeren Zeitraum gegeben.
  • Als Augentropfen: Für Augenuntersuchungen oder -behandlungen gibt es Atropin in Form von Augentropfen.

Atropin und andere Medikamente (Wechselwirkungen)

Es kann die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen und umgekehrt. Informiere Deinen Arzt daher immer über alle Medikamente, die Du einnimmst, auch über rezeptfreie Präparate. Besondere Vorsicht ist geboten bei:

  • Anderen Medikamenten, die die Wirkung des „Bremser-Nervs“ hemmen (z.B. bestimmte Antidepressiva, Antihistaminika, Medikamente gegen Parkinson). Die Nebenwirkungen können sich verstärken.

Atropin bei Kindern, Schwangeren und älteren Menschen

  • Kinder: Es wird auch bei Kindern eingesetzt, z.B. in der Notfallmedizin oder bei Augenuntersuchungen. Die Dosierung muss aber genau an das Alter und Gewicht des Kindes angepasst werden.
  • Schwangerschaft und Stillzeit: Es sollte in der Schwangerschaft und Stillzeit nur nach sorgfältiger Abwägung durch den Arzt angewendet werden.
  • Ältere Menschen: Bei älteren Menschen ist besondere Vorsicht geboten, da sie oft empfindlicher auf die Nebenwirkungen von Atropin reagieren, insbesondere auf Verwirrtheit und Unruhe.

Zusammenfassung und wie Du helfen kannst

Atropin ist ein wichtiges Medikament mit einer langen Geschichte. Es wirkt, indem es die Wirkung des „Bremser-Nervs“ im Körper blockiert. Dadurch kann es in vielen Situationen helfen, von Notfällen bis hin zu Augenuntersuchungen. Wie jedes Medikament hat auch es Nebenwirkungen und darf nicht bei jedem überall werden. Spreche daher immer mit Deinem Arzt, wenn Du Fragen zu Atropin hast.

Du kannst helfen: Haben Sie Fragen zu Atropin? Hinterlasse einen Kommentar! Oder teile diesen Beitrag, wenn Du ihn hilfreich fandest.

Wichtiger Hinweis: Dieser Blogbeitrag dient nur der allgemeinen Information und ersetzt nicht die Beratung durch einen Arzt oder Apotheker.

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