Die Opioidabhängigkeit ist eine schwere chronische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinträchtigt. Neben den gesundheitlichen Risiken, wie z. B. dem Risiko einer Überdosis oder der Übertragung von Infektionskrankheiten, führt die Abhängigkeit oft zu sozialer Isolation, Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Die Substitutionstherapie bietet Opiatabhängigen einen Weg, ihre Sucht zu kontrollieren und ein stabileres Leben zu führen.
Was ist Substitutionstherapie?
Die Substitutionstherapie bietet Opiatabhängigen eine Alternative zu illegalen Drogen wie Heroin, indem sie ärztlich verschriebene Ersatzstoffe erhalten. Diese Medikamente, auch Substitute genannt, wirken im Gehirn ähnlich wie die illegalen Opiate und lindern so die Entzugssymptome und das starke Verlangen nach der Droge (Craving). Ziel der Substitutionstherapie ist es, den Konsum illegaler Opioide zu reduzieren oder ganz zu beenden, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und ihnen die soziale Reintegration zu ermöglichen.
Welche Medikamente werden eingesetzt?
Um den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten gerecht zu werden, stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Die Wahl des passenden Substitutionsmittels wird in Absprache mit dem Arzt getroffen und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Art und Schwere der Abhängigkeit, dem Gesundheitszustand und den persönlichen Zielen.
Medikament | Wirkungsdauer | Darreichungsform | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|---|
Methadon | 24 – 36 Stunden | Lösung zum Einnehmen | Lange Wirkdauer, kostengünstig | Kann müde machen, Verstopfung, Schwitzen |
Levomethadon | 24 – 36 Stunden | Lösung zum Einnehmen | Weniger Nebenwirkungen als Methadon | Teurer als Methadon |
Buprenorphin | Bis zu 72 Stunden | Tablette (sublingual), Injektion (Depot) | Geringere euphorisierende Wirkung, flexiblere Einnahme | Kann bei manchen Patienten nicht ausreichend wirken |
Retardiertes Morphin | ca. 24 Stunden | Kapsel, Tablette | Gute Verträglichkeit, angstlösend | Missbrauchsrisiko, kann zu Verstopfung führen |
Diamorphin | 4 – 6 Stunden | Injektion | Wirkt bei schwerstabhängigen Patienten | Strenge Auflagen, hohes Suchtpotenzial |
Vorteile der Substitutionstherapie
Die Substitutionstherapie bietet Opiatabhängigen die Chance auf ein neues Leben. Zahlreiche Erfahrungsberichte zeigen, wie die Therapie die Gesundheit, die soziale Situation und die Lebensqualität verbessert.
Vorteil | Beschreibung | Beispiel | Erfahrungsbericht |
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Reduktion des Drogenkonsums | Verringerung des Cravings und des Konsums illegaler Opioide | Ein Patient berichtet, dass er seit Beginn der Substitutionstherapie kein Heroin mehr konsumiert 10. | „Endlich kein Stress mehr, Geld machen zu müssen, um nicht entzügig zu sein.“ |
Verbesserung der Gesundheit | Geringeres Risiko von Überdosierungen und Infektionskrankheiten | Die Therapie ermöglicht eine hygienische Einnahme des Substitutionsmittels und reduziert so das Risiko von Infektionen. | „Die Substitution hat mir und meinem Kind in der Schwangerschaft geholfen, zu überleben.“ |
Soziale Reintegration | Ermöglicht die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Arbeit und soziale Beziehungen | Patienten können wieder einer Arbeit nachgehen und soziale Kontakte pflegen. | „Ich bin sogar Nichtraucher! Ich bin im 4. Semester meines Studiums, habe einen Notendurchschnitt von 1,3. Ich arbeite neben dem Studium bereits in meinem zukünftigen Berufsfeld und bin sozial voll integriert, all dies dank der Behandlung. DANKE!“ |
Reduktion der Kriminalität | Entfall des Beschaffungsdrucks | Patienten müssen keine Straftaten mehr begehen, um ihre Sucht zu finanzieren. | „Das war eine riesige Erleichterung. Zu diesem Zeitpunkt – Anfang der 90er Jahre – war ich arbeitslos und versuchte täglich irgendwie an Geld für die Drogen…sogar viel Zeit, die man sinnvoll nutzen kann.“ |
Verbesserung der Lebensqualität | Leben ohne Angst vor Entzug, Beschaffungskriminalität und gesundheitlichen Schäden | Patienten gewinnen an Lebensqualität und können ein selbstbestimmtes Leben führen. | „Ich habe jetzt sogar eine Therapie begonnen und habe das Gefühl, dass ich sie auch bis zum Ende schaffe.“ |
Durch die Einnahme des Substitutionsmittels wird der Suchtdruck reduziert und die Betroffenen erleben nicht mehr die ständige Angst vor Entzugssymptomen. Ein Patient berichtet: „Es macht mich leistungs- und arbeitsfähig.“ Die Substitutionstherapie ermöglicht es den Betroffenen, sich wieder auf andere Lebensbereiche zu konzentrieren, wie z. B. Arbeit, Familie und soziale Beziehungen.
Risiken und Nachteile der Substitutionstherapie
Trotz der vielen Vorteile ist es wichtig, sich der Risiken und Nachteile der Substitutionstherapie bewusst zu sein. Neben den bereits genannten Risiken wie Abhängigkeit, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Überdosierung und Beikonsum gibt es weitere Punkte, die berücksichtigt werden sollten:
- Gesundheitliche Risiken: Auch wenn die orale Einnahme von Substitutionsmitteln in der Regel sicherer ist als der intravenöse Konsum von illegalen Drogen, birgt sie dennoch gesundheitliche Risiken. So kann es z. B. zu Leberschäden, Herz-Kreislauf-Problemen und hormonellen Störungen kommen.
- Psychische Probleme: Die Substitutionstherapie kann psychische Probleme wie Depressionen, Angstzustände und Schlafstörungen verstärken oder auslösen.
- Soziale Stigmatisierung: Substituierte Patienten werden oft stigmatisiert und diskriminiert. Dies kann zu sozialer Isolation und Problemen bei der Arbeitssuche führen.
- Finanzielle Belastung: Die Substitutionstherapie kann eine finanzielle Belastung darstellen, da die Medikamente und die ärztliche Betreuung Kosten verursachen.
- Kontrollverlust: Die regelmäßige Einnahme des Substitutionsmittels kann zu einem Gefühl des Kontrollverlusts führen. Patienten fühlen sich möglicherweise von der Therapie abhängig und haben Angst vor den Folgen eines Therapieabbruchs.
- Behandlungsabbruch: Ein Therapieabbruch ist mit einem erhöhten Rückfallrisiko und gesundheitlichen Gefahren verbunden. Nach dem Absetzen des Substitutionsmittels sinkt die Toleranz gegenüber Opioiden. Bei einem Rückfall besteht daher die Gefahr einer Überdosierung.
- Langzeitfolgen: Die Langzeitfolgen der Substitutionstherapie sind noch nicht vollständig erforscht. Es gibt Hinweise darauf, dass die Therapie zu einer Veränderung der Gehirnstruktur und -funktion führen kann.
Emotionale Veränderungen während der Substitutionstherapie
Die Substitutionstherapie kann auch emotionale Veränderungen mit sich bringen. Opiatabhängige Menschen weisen oft eine erhöhte Neurotizismus-Ausprägung auf und sind anfälliger für depressive Verstimmungen, Feindseligkeit, Impulsivität, Stress und Schuldgefühle. Die Einnahme von Substitutionsmitteln kann diese emotionalen Reaktionen beeinflussen. Methadon beispielsweise kann zu emotionaler Distanzierung und Entspannung führen, ohne jedoch einen Rauschzustand hervorzurufen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die emotionale Stabilität während der Substitutionstherapie von verschiedenen Faktoren abhängt, wie z. B. der Dosierung des Medikaments, der Dauer der Behandlung und der individuellen Reaktion des Patienten. In der Anfangsphase der Therapie können emotionale Schwankungen auftreten, die sich jedoch im Laufe der Zeit einpendeln.
Einige Patienten berichten von einer Abnahme der emotionalen Bandbreite oder einer verminderten Fähigkeit, Gefühle auszudrücken. Andere hingegen erleben eine Zunahme der emotionalen Sensibilität und eine verbesserte Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen und auszudrücken.
Die Substitutionstherapie kann auch die Dynamik in zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen. Dies kann daran liegen, dass sich die Geschlechterrollen innerhalb der Familie verändern oder dass sich die sexuelle Orientierung des Patienten verändert.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten während der Substitutionstherapie Phasen der Trauer oder des Verlusts erleben. Dies kann mit dem Abschied von der alten Identität und dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts zusammenhängen.
Wer ist für die Substitutionstherapie geeignet?
Die Substitutionstherapie ist eine Behandlungsmöglichkeit für Opioidabhängige, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
- Mindestalter 18 Jahre (bei Diamorphin 23 Jahre)
- Opioidabhängigkeit aufgrund des Missbrauchs von legal oder illegal erworbenen Opioiden
- Bereitschaft zur regelmäßigen Einnahme des Substitutionsmittels unter ärztlicher Aufsicht
- Die psychosoziale Betreuung ist nicht zwingend erforderlich, kann aber die Behandlungsergebnisse verbessern.
Ablauf der Substitutionstherapie
Am Anfang der Substitutionstherapie steht eine umfassende Anamnese und Diagnostik. Der Arzt erhebt die Krankengeschichte, den Drogenkonsum und die soziale Situation des Patienten. Es werden körperliche Untersuchungen und Laboruntersuchungen durchgeführt. Der Arzt klärt den Patienten über die Therapieziele, die verschiedenen Substitutionsmittel und deren Risiken und Nebenwirkungen auf. Gemeinsam wird ein individueller Therapieplan erstellt.
Zu Beginn der Therapie wird das Substitutionsmittel in der Regel täglich unter Aufsicht in der Arztpraxis oder in der Apotheke eingenommen. So wird sichergestellt, dass das Medikament korrekt eingenommen wird und es nicht zu einer Überdosierung kommt. Bei stabiler Entwicklung und guter Mitarbeit des Patienten kann der Arzt die sogenannte „Take-home-Regelung“ genehmigen. Der Patient erhält dann ein Rezept für mehrere Tage und kann das Substitutionsmittel zu Hause einnehmen. Die „Take-home-Regelung“ stärkt die Eigenverantwortung der Patienten und gibt ihnen mehr Freiheit und Flexibilität im Alltag.
Die Substitutionstherapie ist eine Langzeittherapie. Regelmäßige ärztliche Kontrollen und die Teilnahme an einer psychosozialen Betreuung sind wichtige Bestandteile der Therapie.
Psychosoziale Betreuung
Die psychosoziale Betreuung (PSB) ist ein wichtiger Bestandteil der Substitutionstherapie. Sie unterstützt die Patienten in verschiedenen Lebensbereichen und hilft ihnen, ein stabiles und selbstbestimmtes Leben zu führen. Die PSB umfasst unter anderem:
- Beratung und Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen: z. B. Wohnungssuche, Arbeitssuche, Umgang mit Behörden
- Krisenintervention: Hilfe bei psychischen Problemen, Suizidgedanken, Rückfällen
- Motivationale Gespräche: Förderung der Motivation zur Veränderung des Drogenkonsums
- Soziale Kompetenztrainings: Verbesserung der sozialen Fähigkeiten, Konfliktlösung
- Vermittlung in weiterführende Hilfen: z. B. Therapie, Selbsthilfegruppen
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Substitutionstherapie ist in Deutschland gesetzlich geregelt. Die Verschreibung von Substitutionsmitteln unterliegt strengen Auflagen, die im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) festgelegt sind.
- Voraussetzungen für die Verschreibung: Eine Substitutionstherapie darf nur bei Opioidabhängigkeit aufgrund des Missbrauchs von Opioiden durchgeführt werden.
- Aufgaben des Arztes: Der Arzt muss die Diagnose stellen, einen individuellen Therapieplan erstellen, das Substitutionsmittel verschreiben und den Patienten regelmäßig kontrollieren.
- Dokumentationspflicht: Der Arzt muss den Therapieverlauf dokumentieren.
- Spezielle Anforderungen für Diamorphin: Die Verschreibung von Diamorphin ist nur in Ausnahmefällen und unter strengen Auflagen zulässig. Der Patient muss mindestens 23 Jahre alt sein und seit mindestens fünf Jahren überwiegend intravenös Opioide konsumieren.
Erfolgsaussichten
Die Substitutionstherapie ist eine der erfolgreichsten Behandlungsmethoden für Opioidabhängige. Studien zeigen, dass die Therapie zu einer deutlichen Reduktion des Drogenkonsums, einer Verbesserung der Gesundheit und einer höheren Lebensqualität führt. So konnte z. B. die Mortalität durch die Substitutionstherapie gesenkt, das Infektionsrisiko für Hepatitis C und HIV reduziert und die Kriminalitätsrate verringert werden. Die Erfolgsaussichten hängen jedoch von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Motivation des Patienten, der Qualität der Therapie und dem sozialen Umfeld.
Alternative Behandlungsmöglichkeiten
Neben der Substitutionstherapie gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten für Opioidabhängige.
- Drogenkonsumräume: Drogenkonsumräume bieten ein hygienisches Umfeld für den Drogenkonsum und reduzieren so das Risiko von Infektionen und Überdosierungen. Sie bieten außerdem die Möglichkeit, Kontakt zu schwer erreichbaren Drogenkonsumenten aufzubauen und ihnen niedrigschwellige Hilfen anzubieten.
- Entgiftung: Die Entgiftung ist eine kurzfristige Maßnahme, die darauf abzielt, den Körper von den Drogen zu befreien.
- Psychotherapie: Die Psychotherapie hilft den Betroffenen, die Ursachen ihrer Sucht zu verstehen und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Stigmatisierung und Aufklärung
Opiatabhängige werden oft stigmatisiert und diskriminiert. Viele Menschen haben Vorurteile gegenüber Drogenabhängigen und sehen die Sucht als ein Zeichen von Schwäche oder Willensschwäche. Diese Vorurteile führen oft zu sozialer Ausgrenzung und erschweren die Reintegration der Betroffenen. Aufklärungsarbeit ist wichtig, um Vorurteile abzubauen und die Akzeptanz für die Substitutionstherapie zu erhöhen. Die Substitutionstherapie ist eine medizinische Behandlung, die Opiatabhängigen hilft, ein gesünderes und stabileres Leben zu führen.
Herausforderungen im ländlichen Raum
Im ländlichen Raum ist die Versorgung mit Substitutionstherapie oft schwierig. Die wenigen Ärzte, die Substitutionsmittel verschreiben, sind oft weit entfernt und die Anfahrtswege für die Patienten sind lang. Dies kann dazu führen, dass Patienten die Therapie abbrechen oder gar nicht erst beginnen.
Fazit
Die Substitutionstherapie ist eine wirksame Behandlungsmethode für Opioidabhängige, die zahlreiche Vorteile bietet. Sie ermöglicht eine Reduktion des Drogenkonsums, eine Verbesserung der Gesundheit und der Lebensqualität sowie die soziale Reintegration. Trotz der Risiken ist die Substitutionstherapie für viele Opioidabhängige die beste Chance auf ein gesünderes und stabileres Leben. Es ist jedoch wichtig, sich der Nachteile und Langzeitfolgen bewusst zu sein und die Therapie in einem umfassenden Behandlungskonzept mit psychosozialer Betreuung zu integrieren.
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