19 Tage clean – 20.30 Uhr – Guten Abend Berlin, guten Abend an den Rest der Welt. Ja ich sitze schon wieder an den Tasten da sich der gute Zustand von heute Morgen und Mittag immer wieder im Wechsel geändert hat. Es geht wie in der Überschrift um das Thema Emotionen. Warum kann ich es nicht kontrollieren und warum ist es so schwer für mich? Für die, welche meine anderen Artikel aus der Kategorie „Tagebuch“ noch nicht gelesen haben. Ich war 13 Jahre im sogenannten Substitutonsprogramm und habe täglich min 20 ml Polamidon zu mir genommen. Viele kennen es als Methadon Programm oder Heroin Ersatz Programm. Eigentlich dazu gedacht, um nicht rückfällig oder straffällig zu werden und nur für eine kurze Zeit gedacht. Meine Erfahrungen sind aber, die meisten (ich kenne tatsächlich niemanden der nicht wenigstens dann irgendwann wieder beim Heroin gelandet ist)das es eine Art lebenslang angekettet an der Pharmaindustrie bedeutet. Zumal ein Entzug vom Heroin ca 1 Monat, vom Methadon 1 Jahr und Polamidon 2 Jahre bedeutet. Und 2 Jahre nur ca 1-2 Stunden am Tag schlafen können, Suchtdruck, psychische Probleme die oft auch wegen diesen Medikamenten entstehen oder stark gefördert werden, Körperliche Qualen und ein Gehirn was nur noch wie Brei funktioniert (wegen dem Schlafentzug) hält niemand aus. Ich kenne Personen, die sich lieber mit einem Messer in den Oberschenkel gestochen haben, weil es für eine Weile besser war, sich via Ablenkung besser auf diesen Schmerz zu konzentrieren.Es gibt ein alternatives Medikament wie zum beispiel Buprenorphin oder Subutex. Allerdings gibt es hier wieder 2 Minus Punkte. Zum ersten ist man nicht in der sogenannten Watte gepackt & ein Rückfall führt zum gefährlichen Turboentzug. Zum zweiten kann man dieses Medikament nasal missbrauchen, was aus meiner Sicht gesehen, stärker und länger wirkt als Kokain.

Aber auch Methadon und Polamidon kann man wie ich zu meiner Zeit missbrauchen. Illegal / in der Szene einfach mehr dazu kaufen und negative Emotionen existieren quasi nicht mehr. In meinem Fall war es Trauer was ich unterdrücken wollte. Ich habe es mir damit so stark antrainiert, das es irgendwann auch ohne höhere Dosen verselbstständigt wurde. Was ich aber bis zu meiner letzten Beziehung nie bemerkte, es tötet auch alle anderen Emotionen. Zwar denkt der substituierte, er kann ja fühlen, sich verlieren, sauer sein usw, aber kommt man dann in meine Situation und ist wirklich knapp 2 Jahre Opiat-frei (leider nur Opiat-frei was den Zeitraum betrifft), ist es wie völlig neue Drogen die etwas unbekanntes auslösen. Es sind natürlich tolle Emotionen dabei, aber die negativen wie Wut, Trauer usw, sind völlig überfordernd. Wäre der Kampf dieses Substanzentzuges nicht so grausam gewesen, wäre ich damit auch schon längst rückfällig. Für mich würde es aber zu 100 Prozent den sicheren Tod bedeuten.

Was war passiert? Mir ging es wie gesagt den ganzen Tag gut, ich konnte positive Gefühle und gute Laune mit meinen eigenen Skills und Methoden halten bis, ja bis mein Nachbar mich wieder bombardierte und ungerechtfertigte Unterstellungen im Minutentakt per Whatsapp schickte. Er denkt tatsächlich, meine gute Laune Musik bedeutet dann, es geht mir so gut, das ich ihn nun knapp 2 Wochen nach dem Tod meines Hundes unterstützen muss. 3 mal so wie er es möchte mit seinem Hund raus gehen, illegale Dinge erledigen auf die ich nicht weiter eingehe usw usw. Und das kann ich zum Teil nicht immer was den Hund betrifft und will ich nicht mehr was illegale Aktivitäten angeht. Weil ich verstanden habe, illegale Praktiken stehen bei mir immer ganz schnell im Zusammenhang zu konsumieren. Kein Dealen, es geht einfach um die Kontakte die dadurch meistens entstehen. Denn fast alle selbst in der Darknet Szene haben zusätzlich irgendwie mit Substanzen zu tun. So habe ich es diesmal auch kommuniziert, was ihn nur dazu brachte, mir an den Kopf zu werfen, aber Du bist doch Kriminell (als wäre das unheilbar).Ich will es auch gar nicht so weit ausführen. Ich wollte jedenfalls niemanden mehr hacken und auch keine Schläger organisieren für andere organisieren. Zumal ich Gewalt generell verabscheue. Deswegen wundere ich mich ja derzeit auch so über meine Wut oder Aggressionsprobleme die ich in Gedanken verarbeite.

Diese Situation brachte mich jedenfalls in eine ganz andere Stimmungslage. Ich bin immer wieder raus (laufen) bis ich so ko war, das ich kurz auf dem Sofa einnicken konnte. Kurz, so für 30 Minuten mit nen super Körperklaus, weil der Affe selbst nach so langer Zeit immer noch quälend ist, sobald ich zur Ruhe kommen möchte. Nur Abends klappt es dank dem Medikament Pramiprexol etwas besser, was aber ursprünglich für Parkinson entwickelt wurde. Dann poppt mein Kleinanzeigen Account auf und 2 Personen wollen plötzlich ein altes Fahrrad von mir kaufen.

Der Ablauf war dann auch ziemlich schnell und ruck zuck hatte ich auch noch 60 Euro in der Hand. Ich hatte ja Bankkarte usw extra zu einer Freundin gegeben (da fällt mir ein, bei der wollte ich mich nach der Selbsthilfegruppe melden was ich jetzt kurz mache, gleich geht es weiter…)

20.46 Uhr…

Für den gesunden Leser sicher alles alltägliche Situationen die schwer nachvollziehbar sind. Für einen Junkie / Süchtigen wie mich zu viel Trigger auf einmal. Natürlich wusste ich sofort, diese 60 Euro hat eine Person zu bekommen, die mich vor mal mit Auslegen einer Geldstrafe vor einer Haft bewahrt hatte. Aber niemand wusste nun, das ich gerade dieses blöde Fahrrad verkauft habe und das Geld in den Händen halte. Hyde malte sich schon aus, was für Substanzen man damit alles hätte konsumieren könnte. Wie schön es denkbar negative Emotionen die mich in diesem Moment quälten bei Seite hätte schieben können. Aber ich wollte es auf keinen Fall. Dr. Jäckel wusste genau was zu tun ist.

Es gab nur eine Möglichkeit. Diese Person sofort per Whatsapp kontaktieren und mitteilen, das ich 60 Euro habe und vor der Selbsthilfegruppe vorbei bringen würde. Somit gab es schon mal den Stein Ehrlichkeit. Denn das wollte ich ja nun endlich sein & wieder vertrauen schaffen. Und genau dieser Person das Geld dann doch nicht bringen wäre für mich vergleichbar mit „seinen Kindern nichts zu essen geben“. Aber bis zur Selbsthilfegruppe waren es noch ein paar Stunden. Und die Zeit wurde gefühlt immer langsamer. Als ich dann vor zittern und spürbarer (ich würde es so beschreiben) Vorfreude auf einen Kick und Erlösung nicht mal mehr eine Zigarette drehen konnte und noch keine Antwort von dem zukünftigen Empfänger kam, musste eine neue Entscheidung her. Also schrieb ich, das es zwar unpersönlich ist, ich aber gleich los gehe und es in den Briefkasten werfe, weil der Suchtdruck einfach zu stark wird. Ja, ich kann mich selbst dann irgendwann nicht mehr kontrollieren weiß ich mittlerweile. Die Krankheit ist dann (derzeit) noch stärker.

21.00 Uhr – Also schnell wieder Jacke an und ab zur dieser Person. das Geld in den Briefkasten geworfen und zack, war diese Möglichkeit vorbei. Nur um meine süchtigen Gedanken zu beschreiben, da die Personen länger nicht antwortete (was ja auch in Ordnung ist), fischte ich bildlich in den restlich vorhandenen Gehirnzellen diesen Umschlag bereits wieder aus dem Briefkasten und befand mich gefühlt am Kottbusser Tor um mir irgendwas zu besorgen. Ich lief noch eine lange Strecke um irgendwie von dieser Aggression und dem Suchtdruck los zu kommen und da vielen mir die vielen Sperrmüll-stellen auf. Und wer mich kennt, weiß das ich überhaupt kein aggressiver Typ bin. Und da waren dann diese defekten TV Geräte vor meiner Nase und da ich ja vieles aus dem Bauch entscheide / umsetzt, tat ich was ich in diesem Moment für richtig hielt. Ich nahm eines dieser Geräte, um es mit voller Kraft auf den anderen zu werfen. Wer wollte das nicht schon immer mal machen, Scheiben vom Fernseher einschlagen. Aber auch das half leider nicht, auch wenn es für einen Bruchteil tatsächlich gut getan hatte. Am liebsten hätte ich so einen Vorschlaghammer gehabt und hätte als nächsten Schritt ein Schrottauto zertrümmert, so etwas hatte ich irgendwann mal im TV gesehen.

Also weiter @home und überlegen, was kannst Du nun tun? Sperrmüll? Moment, davon hast Du genug im Keller. Also ab in den Keller und eine ewig lange Strecke zwischen meinem Keller und dem nächsten Sperrmüll-platz ein paar Straßen weiter transportieren. 2 Stunden, bis endlich der Zeitpunkt der Selbsthilfegruppe gekommen war.

21.14 Uhr gleich geht es weiter…

Ich sitze also in der Monolog Gruppe wo man eben auch mal ruhig und konzentriert nur zuhören können muss. Und ich werde einfach diese Emotionen nicht los. Ich knete meinen Igelball wie wild und warte darauf, das es endlich aufhört. Anders als auf dem Bild, ist ein Igelball natürlich ein Skill-Gegenstand und kein Lebewesen. Der Arme. Dem wären sämtliche Innereien aus dem Körper gepresst worden.

Dann nehme ich ein kleines Lebkuchenherz mit Marmelade (da wusste ich aber noch nicht, das da überhaupt was drin ist) in den Mund und warum auch immer, erinnert es mich direkt an Alkohol oder Schnaps. Ich springe auf, spucke es in den nächsten Mülleimer und das nächste Gefühl kommt auf. Scham. Was denken die jetzt wohl von mir? Ich frage noch blöd was da drin ist, obwohl ich mir hätte denken können, das in einer AA Gruppe (zumindest in einer legalen 😉 ) garantiert nichts mit Alkohol angeboten wird.

Das Schamgefühl blieb dann bis zur letzten Person die dann etwas von sich erzählte. Und zum einen lag es denke ich rückblickend an Ihrer ruhigen Stimmlage & ihrer Erzählung, das wir unsere Suchtkrankheit quasi im Restaurant und Co als Allergie sehen müssen. Jemand, der gegen Nüsse allergisch ist, würde bei Nüssen im Lebkuchen genau so handeln. Selbst wenn keine Nüsse drin sind und es nur danach schmeckt oder ihn daran erinnert. Das brachte mich dann für einen kurzen Moment tatsächlich in genau dieser Kombination etwas herunter. Es war aber die letzte Person im großen Kreis, und das Meeting / die Selbsthilfegruppe am Ende angelangt. Also verabschieden, kurz noch eine andere Situation verkraften, wo ich meinen ganzen Mut zusammen nahm um jemanden dort etwas Anderes in einem ruhigen Moment zu empfehlen (was aber negativ endete oder ich einfach gerade zu empfindlich für bestimmte Reaktionen bin) und wieder nach Hause. Und da ging es direkt wieder los, irgendwie ist Wut oder Aggression (dabei habe ich da gar net mehr den Nachbarn im Kopf – ich bin dann auf vieles sauer, wie z. B. die Berliner / Brandenburger Polizei, weil die Dealer wieder sämtliches Bürgergeld der Süchtigen einsammeln konnten und ungehindert agieren, obwohl alles so einfach und offensichtlich ist, die Dealer die rücksichtslos ihre neuen System anwenden und neue Abhängigkeiten schaffen, Familien zerstören und die durchschnittliche Lebenszeit eines Konsumenten nur noch mit 3 Jahren einkalkulieren)

Und seitdem sitze ich nun hier vor dem Laptop und habe es doch noch etwas geschafft, mich zu beruhigen. Denn mein größter Skill ist für mich tatsächlich das Schreiben aus Gedanken. Als würdet ihr genau in diesem Moment vor mir sitzen und einfach zuhören. Zudem kann ich ja die Statistiken sehen, die heute wieder enorm gestiegen sind. gerade für eine so kurze / junge Lebenszeit bei einer Webseite (ca. 1700 Aufrufe allein heute). Da kommen ja dann auch schnell 1-2 Stündchen zusammen und das funktioniert besser als dieser angebliche Trick „Trink eine Flasche Wasser auf Ex und in 15 Minuten ist der Suchtdruck weg“. Zumindest für einen polytoxen Süchtel wie mich. Ich danke Dir für Deine Zeit in diesem Artikel. Nutze gern auch mal die Bewertungsfunktion oder kommentiere anonym in den Kommentaren. Name usw sind freiwillige Angaben und kein Muss.

Klicke, um diesen Beitrag zu bewerten!
[Gesamt: 3 Durchschnitt: 5]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error

Gefällt dir diese Webseite? Bitte teile sie :)